CARMEN – Aachen, Stadttheater

von: Georges Bizet; Oper in vier Akten Libretto: Henri Meilhac und Ludovic Halévy, UA: 3. März 1875, Paris

Regie: Michael Helle, Bühne: Hartmut Schörghofer, Kostüme: Renate Schwietert

Dirigent: Kazem Abdullah

Solisten: Jon Ketilsson (Don José), Sam Handley (Escamillo), Patricio Arroyo (Dancairo), Louis Kim (Remendado), Maximilian Krummen (Morales), Pawel Lawreszuk (Zuniga), Sanja Radisić (Carmen), Katharina Hagopian (Micaëla), Astrid Pyttlik (Mercedes), Jelena Rakić (Frasquita)

Besuchte Aufführung: 16. September 2012 (Premiere)

Kurzinhalt

Don José ist in die Zigeunerin Carmen verliebt. Bei einem Streit in der Zigarettenfabrik muß er diese verhaften. Carmen verspricht Don José, ihn zu lieben, wenn er sie fliehen läßt, was er tut. Don José schließt sich den Schmugglern an. Aber schon bald hat Carmen kein Interesse mehr an ihm und wendet sich dem Torero Escamillo zu. Don José begleitet Micaëla zu seiner sterbenden Mutter. Bei Escamillos Stierkampf sieht er Carmen wieder. Sie ist nun in den Torero verliebt und weist José zurück. Aus Verzweiflung ersticht er sie.

Aufführung

Eine Tabakmanufaktur: Eine leerstehende Halle mit roten Stahlpfeilern in der Mitte und meterhohen Fenstern an der Seite. Sie erinnert an eine alte Bahnhofshalle. In der Gasthausszene werden weiße Plastikstühle dazugestellt. Der Stierkampf wird durch bunte Lichter und das Bild eines Stiers im Hintergrund angedeutet. Die Soldaten, darunter auch Don José, tragen blaue Uniformen mit einer Art Baskenmützen. Die Arbeiterinnen erscheinen in beigen Arbeitskitteln. Carmen wirkt in ihrem schwarzen Seidennegligé (später im grauen Häkelkleid) wie eine Frau aus dem Rotlichtmilieu. Die Tanzszene im zweiten Akt wird zu einer Verführungsszene uminterpretiert, in der Carmen sich über Don José räkelt und Orangen über ihrem Körper ausquetscht. Escamillos Kleidung erinnert an einen Geschäftsmann: Er trägt einen Anzug mit weißem Jackett. Die Inszenierung zeigt kein spanisches Lokalkolorit, dafür eine Menge Sex- und Gewaltsymbole.

Sänger und Orchester

Mit Carmen gibt Kazem Abdullah als neuer Generalmusikdirektor in Aachen sein Debut. Während der Ouvertüre zieht er das bereits schon schwungvolle Tempo noch mehr an. Die erste Gesangsnummer leidet ein bißchen darunter; der Gesang ist einige Takte lang nicht ganz synchron mit dem schnellen Dirigat. Sanja Radisić (Carmen) brilliert in der Rolle der Carmen durch das dunkle Timbre ihres Mezzosoprans. Mit samtener Stimme singt sie die Habanera im ersten Akt piano. Im sotto voce betont sie ihre Rolle der geheimnisvollen Verführerin. Dabei spart sie sich große Gesten und lächelt süffisant. Ab dem zweiten Akt werden Gesang und Schauspiel temperamentvoller: das tralala in Les tringles des sistres tintaientDie Stäbe des Sistrums ertönen betont Radisić lautmalerisch, indem sie in den tiefen Tönen in die Bruststimme wechselt. Ihr Gesangspartner Jon Ketilsson (Don José) hat einen Tenor mit einer schönen metallischen Höhe. Im Duett Parle-moi de ma mèreErzähl mir von meiner Mutter mit Micaëla klingt seine Stimme in den Höhen nicht forciert, sondern rund, groß und glänzend. Katharina Hagopian (Micaëla) ist ebenfalls eine gute Besetzung. Im dritten Akt stellt sie die Arie Je dis que rien m’épouvante – Nichts kann mich erschrecken mit ihrem schweren Sopran sehr legato dar. Der Wechsel zwischen dramatischem Vibrato und gehauchter sotto voce gelingt ihr gut. Ebenfalls zu erwähnen ist Sam Handley (Escamillo), der mit seinem kraftvollen, rauchigen Bariton den Torero darstellt. In der Arie Torréador en gardeTorero auf der Hut singt er sehr energisch, besonders in den tiefen Tönen. Sowohl darstellerisch als auch gesanglich sticht das Zusammenspiel von Jelena Rakić (Frasquita) und Astrid Pyttlik (Mercedes) hervor. Im Duett ergänzt sich Rakićs glockenklarer Sopran gut mit Pyttliks intensivem Mezzosopran.

Fazit

Die gesangliche Leistung des Abends ist großartig. Kazem Abdullah legt einen glänzenden Start als neuer Dirigent hin. Leidenschaftlicher Gesang und feuriges Orchesterspiel ergänzen sich ausgezeichnet. Bühnenbild und Kostüme wirken eher ernüchternd, spanische Akzente fehlen. Durch das gute Schauspiel wird dies allerdings ein wenig gut gemacht. Für Sanja Radisic, Jon Ketilsson und Katharina Hagopian spendet das Publikum besonders viel Applaus.

Melanie Joannidis

Bild: Wil van Iersel

Das Bild zeigt: Sanja Radisić (Carmen), Jon Ketilsson (Don José)

 

 

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