von Paul Hindemith (1895-1963)
Mörder, Hoffnung der Frauen
Text: Oskar Kokoschka
Das Nusch-Nuschi, ein Spiel für burmanische Marionetten von Franz Blei,
UA: von Mörder, Hoffnung der Frauen und Das Nusch-Nuschi: 4. Juni 1921 Stuttgart, Württembergisches Landestheater
Sancta Susanna, Text: August Albert Bernhard Stramm. UA 26. März 1922 Frankfurt am Main, Opernhaus
Regie: Klaus Weise, Bühne: Raimund Bauer, Kostüme: Dorothea Wimmer
Dirigent: Stefan Blunier, Beethoven Orchester, Chor-Einstudierung: Sibylle Wagner
Solisten: Mark Morouse (Der Mann), Julia Kamenik (Die Frau), Ingeborg Greiner (Susanna, die vierte Frau des Kaisers), Anjara I. Bartz (Klementia), Algis Lungskis (Mung Tha Bya), Martin Tzonev (Henker), Roman Sadnik (Tum Tum), Kathrin Leidig, Vardeni Davidan, Charlotte Quadt (Die Frauen des Kaisers) u.a.
Besuchte Aufführung: 23. September 2012 (Premiere)
Mörder, Hoffnung der Frauen
Kurzinhalt
Es ist Nacht, ein Krieger im Panzerhemd erscheint auf einem Turm. Hinter ihm wird ein Trupp Männer mit wilden Fratzen und Kopfverbänden sichtbar. Es kommt eine Gruppe Frauen, angeführt von einem kräftigen Weib. Männer und Frauen reden untereinander über ihre Sehnsüchte. Die Frauen fürchten sich vor den Männern. Die beiden Anführer – Frau und Mann – bewegen sich aufeinander zu, der Krieger reißt der Frau die Kleider vom Leib und brennt ihr ein Mal auf den Körper. Die Frau schlitzt den Anführer mit einem Messer auf. Die Frauen und Männer paaren sich auf bestialische Weise. Der schwer verletzte Mann wird auf einer Bahre weggebracht, erholt sich jedoch auf mysteriöse Weise, mäht beide Gruppen in einem Massaker nieder und verschwindet.
Aufführung /Sänger und Orchester
Schauplatz ist eine große Werkstatt, in der menschenhohe Styropor-Ojekte gemeißelt werden, die während des Gemetzels zerschlagen werden; darin kommen Akteure zum Vorschein. Im Hintergrund liegen wie eine überdimensional große Skulptur begehbare Frauenbeine. In ihrem düsteren Innern vollzieht sich die Massenkopulation. Im Vordergrund agiert Julia Kamenik, die wie ein unruhiges Raubtier auf einem Gitter klettert, was ihrer besungenen inneren Unruhe Ausdruck verleiht. Das blutige Mal setzt Der Mann mittels einer Blut spritzenden Kreissäge, die Frau verletzt ihn mit einem elektronischen Werkzeug. Die starken, jedoch nicht voyeurhaften Bilder spiegeln die grob erfaßte Handlung wider. Die symphonische Musik Hindemiths erinnert an die von Richard Strauss und Richard Wagner. Vor allem Mark Morouse kann mit seinem Bariton in der anspruchsvollen Partie einnehmen. Julia Kemenik ist eine glänzende Schauspielerin und singt ihre umfangreiche Partie solide.
Kurzinhalt
Lustseufzer einer Magd, die der laue Wind einer Mainacht in die offenen Fenster der Klosterkirche weht, versetzen die betende Nonne Susanna und ihre Mitschwester Klementia in eine eigentümliche Stimmung. Klementia erzählt von der Nonne Beata, die einst in einer ebensolchen Frühlingsnacht nackt den Gekreuzigten küßte und als Sühne lebendig eingemauert wurde. In dieser Erzählung erkennt sich Susanna selbst, entledigt sich ihrer Kleider und gerät ähnlich wie Beata in Ekstase. Die von den Schwestern daraufhin geforderte Beichte als Grundlage für Strafe verweigert Susanna. Für die Nonnen ist sie fortan eine „Satana“, eine an den Teufel Verlorene.
Aufführung /Sänger und Orchester
Als Zuschauer wird man von dem Weißlicht eines riesigen Kreuzes vor dunkler Wand fast geblendet. Unterhalb dieses „Lichtkreuzes“ liegt ein Holzkreuz mit Christusfigur. Im Verlauf der Handlung legt sich die heilige Susanna auf die Figur. Im schwarzen Hintergrund heben sich nur die Gesichter und Hände der Nonnen ab, was wie ein Gemälde wirkt. Ingeborg Greiner sang mit beweglicher, dramatischer Stimme die Partie der Susanna. Die Frauen des Opernchores setzten sich als Nonnenkonvent bestens in Szene. Anjara I. Bartz interpretierte ihre Partie der Klementia solide.
Das Nusch-Nuschi
Kurzinhalt
Zatwei (stumme Rolle) befiehlt seinem Diener Tum-Tum, eine der schönen Frauen des Kaisers von Burma, Mung Tha Bya in sein Haus zu bringen. Da der Diener nicht weiß, welche Frauen sein Gebieter mag, schickt er seinem Herrn alle vier, flieht aber aus Angst vor Strafe für das begangene Unrecht in die Welt hinaus. Dabei gelingt es ihm, den Feldgeneral Kyce Waing vor dem schrecklichen Ungeheuer Nusch-Nuschi zu retten. Aus Dankbarkeit ernennt ihn der Offizier zum Schwertträger. Inzwischen vergnügt sich Zatwei , umringt von Musikern, Bajaderen und dressierten Affen, mit den vier Damen des Kaisers. Als der Frevel offenbar wird, fragt man Tum-Tum, wer den Raub der Damen befohlen habe. Er behauptet, der Feldgeneral stecke dahinter. Dieser soll nun zur Rechenschaft gezogen werden. Doch die übliche Kastrationsstrafe bleibt aus, da sie nicht mehr nötig war, wie der Henker feststellen muss. Ausgelassenem Lachen folgen Liebeslieder von Dichter und Tanzmädchen, in denen sie Jugend und Schönheit besingen.
Aufführung /Sänger und Orchester
Aufgereihte beleuchtete Schminktische, Glitzervorhang werden die Kulisse für den letzten Einakter, in dem es geschmacklich ziemlich drunter und drüber geht: Mit schwarzen Strapsen bekleidete Mädchen tanzen und trippeln, neben turnenden Affen und dem asiatisch gekleideten Kaiser. Der schöne Herr Zatwei ist eine mit goldenem Lendenschurz bekleidete zwergenhafte Erscheinung, was natürlich komisch wirkt. Das stetige Herumstehen der vier entführten Frauen wirkt ausgesprochen langweilig, dafür machen die turnenden Affen und Bajaderen Dampf. Die Musik ist in jedem Fall hörenswert, die vier Frauen werden verkörpert von Kathrin Leidig, Vardeni Davidian, Charlotte Quadt und Ingeborg Greiner, vier eindrucksvolle Sopranistinnen für die doch heiklen Partien.
Fazit
Da das Triptychon kaum auf die Bühne gebracht wird, hat die Bonner Aufführung Seltenheitswert. Stefan Blunier gilt als Experte für die Musik des 20. Jahrhunderts und versteht es gut, die expressiven Klangfarben aber auch die delikaten Flötensoli in Sancta Susanna auszuleuchten. Wegen der üppigen Blechbläserbesetzung wird es naturgemäß in Mörder, Hoffnung der Frauen im Orchester laut, worunter die Singstimmen dann leiden. Insgesamt kann man sagen, dass besonders die von Klaus Weise gefundenen Bilder in den beiden ersten Einaktern eindrucksvoll sind, im Nusch-Nuschi hätte eine Ansiedlung des Geschehens in einer fremdländischen Kultur mehr die Fantasie beflügeln können; musikalisch glänzte vor allem das Orchester. Die sängerischen Leistungen waren solide, im Fall von Ingeborg Greiner und Mark Morouse bemerkenswert gut, die schauspielerischen Darstellungen waren durchgängig beeindruckend.
Felicitas Zink
Bild: Thilo Beu
Das Bild zeigt: v.l.n.r. Ingeborg Greiner(Susanna), Guadalupe Larzabal(Alte Nonne), Anjara I. Bartz(Klementia), Chor, in Sancta-Susanna