von Wolfgang Amadeus Mozart (1756–1791), Dramma giocoso in zwei Akten, Libretto: Lorenzo Da Ponte, UA: 1787 Prag, Nationaltheater
Regie: Horst Kupich, Bühne/Kostüme:: Christopher Melching, Dramaturgie: Bettina Bartz, deutsche Textfassung: Bettina Bartz/Werner Hintze
Dirigent: Golo Berg, Philharmonisches Orchester und Opernchor Vorpommern, Choreinstudierung: Anna Töller
Solisten: Alexandru Constantinescu (Don Giovanni), Andrey Valiguras (Der Komtur), Liubov Belotserkovskaya (Donna Anna), Bragi Bergthórsson (Don Ottavio), Anette Gerhardt (Donna Elvira), Thomas Rettensteiner (Leporello), Bernhard Leube (Masetto), Linda van Coppenhagen (Zerlina)
Besuchte Aufführung: 13. Oktober 2012 (Premiere, in deutscher Sprache)
Don Giovanni ist ein Frauenverführer, der vor nichts und niemandem Respekt hat. Als er nach einem Techtelmechtel mit Donna Anna fliehen will, trifft er auf ihren Vater, den Komtur, der ihn zur Rechenschaft ziehen will, und tötet ihn. Wenig später faßt er eine andere Dame ins Auge, aber die erkennt ihn – Donna Elvira hatte schon zuvor ihre Erfahrungen mit Don Giovanni gemacht. Er entflieht ihr erneut und versucht sich an dem Bauernmädchen Zerlina, die gerade ihre Hochzeit mit Masetto feiert – doch auch dieser Versuch mißlingt. Gemeinsam machen sich Donna Anna mit ihrem Verlobten Don Ottavio, Zerlina mit Masetto und Donna Elvira an seine Verfolgung, doch sie erwischen nur seinen Diener Leporello, der ihnen Hilfe anbietet, weil er von den der Lebensart seines Herrn genug hat. Schließlich finden sich Don Giovanni und Leporello auf dem Friedhof am Grab des Komtur wieder. Dessen Geist spricht zu ihnen, und Don Giovanni lädt ihn zum Abendessen ein. Der steinerne Gast erscheint wie versprochen und nimmt den Übeltäter mit sich in die Unterwelt.
Aufführung
Alle Kostüme sind im Stil der Mozart-Zeit gestaltet. Dabei tragen, mit Ausnahme von Don Giovanni, alle ein Korsett oder korsettähnliche Kleidungsstücke, womit die gesellschaftlichen Zwänge verdeutlicht werden, in denen sich die Figuren bewegen. Das Bühnenbild mit zahlreichen Treppen, Leitern, Fenstern und Balkons ist dreidimensional auf einer Drehbühne angeordnet. Während der Aufführung werden alle vier Seiten verwendet, dazu verschiedene Schrägansichten. Die Drehungen erfolgen häufig während der Szenen, was einen dynamischen und aktionsreichen Eindruck hervorruft. Verstärkt wird dieser Eindruck durch das vergleichsweise hohe Erzähltempo – viele Rezitative werden nicht oder nur teilweise gesungen, sondern gesprochen, was nicht nur schneller geht, sondern auch eine unkompliziertere Anpassung an den deutschen Text ermöglicht.
Sänger und Orchester
Alle Sänger überzeugen durch eine hervorragende schauspielerische Leistung und sehr gute Wortverständlichkeit. Letztere fehlt bei Liubov Belotserkovskaya (Donna Anna). Ihr Vibrato gerät bei ihrem ausdrucksstark, dramatischen und großen Sopran gelegentlich außer Kontrolle, aber ihr Ton besitzt dennoch immer einen deutlichen Kern. Alexandru Constantinescu (Don Giovanni) glänzt in der Titelrolle durch freches Auftreten, einen warmen, runden, zartschmelzenden Bariton und verführerisch südländisches Aussehen. Er und sein Gegenpart Thomas Rettensteiner (Leporello), dessen volltönender und beweglicher Baß hervorragend zur Geltung kommt, spielen sich rasant und gewitzt die Bälle zu. Anette Gerhardt (Donna Elvira) bezaubert mit variablem Sopran und facettenreicher Gestaltung, während Linda van Coppenhagen (Zerlina) einen wunderbar warmen und dennoch glockenklaren Klang besitzt. Gewohnt weich und lyrisch ist der Tenor von Bragi Bergthórsson (Don Ottavio), allerdings wirkt er zunächst merkwürdig verhalten – gelegentlich hörbare Nebengeräusche lassen eine kleine Erkältung vermuten. Etwas bieder und behäbig kommt Bernhard Leube (Masetto) daher, was aber sehr gut zu seiner Rolle passt. Besonders beeindruckend ist der Auftritt von Andrey Valiguras als Komtur gegen Ende des zweiten Aktes, bei dem er seine volle Stimmgewalt präsentiert. Mit metallischem, posaunenähnlichem Klang und großer Projektionskraft scheint er das Publikum in dem kleinen Theater geradezu an die Wand zu singen.
Wie immer zeigt sich der Chor exzellent eingestellt, mit ebenso guter Textartikulation wie schauspielerischer Leistung. In dieser Aufführung kann er sich auch durch glänzend ausgeführte Tanzeinlagen auszeichnen. Das Orchester hat zu Beginn mit der rhythmischen Prägnanz in den schnellen Sechzehntelfiguren zu kämpfen, kommt aber immer besser in Schwung. Erst gegen Ende offenbaren sich einige Intonationsschwächen. Die Abstimmung zwischen Chor, Solisten und Orchester ist durchweg hervorragend.
Fazit
Eine insgesamt sehr gelungene, kurzweilige und fröhliche Aufführung mit einem durchdachten Konzept. Das einzige nicht auf Anhieb Nachvollziehbare ist die Gestaltung des ohnehin wenig befriedigenden Schlußensembles, während dessen sich alle gegenseitig umbringen –Symbol: jeder trägt auch etwas Böses in sich? So dauerte es auch eine kleine Weile, bis der verdiente Applaus des Greifswalder Publikums richtig Fahrt aufnahm – dafür hielt er umso länger an.
Anna-Juliane Peetz-Ullman
Bild: Barbara Braun / MuTphoto
Das Bild zeigt: v.l.n.r. Bragi Bergthórsson (Don Ottavio), Liubov Belotserkovskaya (Donna Anna), Anette Gerhardt (Donna Elvira), Bernhard Leube (Masetto), Linda van Coppenhagen (Zerlina), Alexandru Constantinescu (Don Giovanni)