von Engelbert Humperdinck (1854-1921), Märchenspiel in drei Bildern, Libretto: Adelheid Wette, UA: 23. Dezember 1893 Weimar, Hoftheater
Regie: Ewa Teilmans, Bühne/Kostüme: Andreas Becker
Dirigent: Kazem Abdullah und das Sinfonieorchester Aachen
Solisten: Hrólfur Saemundsson (Peter Besenbinder), Irina Popova (Gertrud), Camille Schnoor (Gretel), Maria Hilmes (Hänsel), Sanja Radisic (Knusperhexe), Carla Hussong (Sandmännchen), Foteini-Niki Grammenou (Taumännchen)
Besuchte Aufführung: 10. November 2012
Hänsel und Gretel sind Kinder armer Leute. Ihre Mutter schickt sie in den Wald, um Erdbeeren zu sammeln. Dort verirren sich die Geschwister und finden das Haus der Knusperhexe. Die Hexe sperrt die Kinder ein und plant, sie zu verspeisen. Doch die Geschwister überlisten sie und schupsen sie in den Ofen. Danach befreien sie viele andere Kinder, die von der Hexe zuvor gefangen genommen und verzaubert wurden. In diesem Moment erscheinen die Eltern, die nach ihren Kindern gesucht hatten und die Familie ist wieder glücklich vereint.
Aufführung
Im ersten Bild zeigt die Bühne das Haus der Familie, das aus einem großen Bretterkasten besteht, in dem die Möbel aufeinandergestapelt sind. Gretel hat Zöpfe und trägt ein grünes Baby Doll-Kleid mit rosa Strickjacke darüber, Hänsel erscheint mit rotem Struwwelkopf, kurzer Hose und blauer Sportjacke. Der Wald besteht aus Holzverschlägen, auf denen Baumattrappen stehen, die mit grünem Licht angestrahlt werden. Das Sandmännchen schwebt in silbernem Anzug auf einem Kornleuchter herab, das Taumännchen trägt ein goldenes Kostüm und eine Gießkanne. Beide erinnern an Fabelwesen. Ein Mini-Knusperhäuschen deutet das Haus der Hexe im dritten Bild an. Im Hintergrund steht ein großer, quadratischer Ofen. Im aufgebauschtem Kleid und pinkfarbener Perücke sieht die Hexe zunächst wie ein Zirkusclown aus, später entblößt sie ein schwarzes Fetzenkleid und graue Haarsträhnen, was an eine Horrorfigur erinnert.
Sänger und Orchester
Vom ersten Moment an leitet Kazem Abdullah das Orchester souverän durch den Abend. Zwar manchmal etwas zu laut, dafür aber mit einem satten Klang und langsam aufbauendem Crescendo. In der Ouvertüre dirigiert er die langsame Steigerung des Abendsegenmotivs sehr andächtig. Camille Schnoor (Gretel) und Maria Hilmes (Hänsel) sind sowohl gesanglich als auch schauspielerisch gut aufeinander abgestimmt. Schnoors Sopran ist warm und wirkt sehr dynamisch durch die Resonanz der Bruststimme. In den Höhen schwillt ihre Stimme zu einem massigen Klang an, die verspielten tralas in Brüderchen, komm tanz mit mir im ersten Bild bringt sie geschmeidig und flink heraus, was auch die Rolle des verspielten Mädchens untermalt. Hilmes singt dagegen sehr geradlinig und klar. Durch ihren akzentuierten und manchmal lautmalerischen Gesang (Jauchzen etc.) kann sie das burschikose Wesen Hänsels gut vermitteln. Ihr kühler, silbrig schimmernder Sopran ergänzt sich in den Duetten mit Schnoors warmem Timbre, was besonders im Abendsegen im zweiten Bild einen sehr dichten und intimen Klang erzeugt. Witzige Akzente setzt Hrólfur Saemundsson (Peter), der während seines ersten Auftritts durch die erste Reihe des Zuschauerraums schreitet und einigen Leuten einen Schluck aus seiner Schnapsflasche anbietet. Sein scheppernder Bariton hat ein tenorales Gepräge und verleiht ihm etwas Warmherziges. Die Tonsprünge des ralala in der dritten Szene gelingen ihm rhythmisch präzise und mit festem Stimmansatz harmonisch genau. Irina Popova (Gerda), die verzweifelte Mutter, hat einen klirrenden Sopran mit großem Volumen, der an manchen Stellen zum Tremolo neigt. Bei Marsch fort in den Wald läßt sie ihre Stimme in den Höhen hysterisch schwingen, in den Tiefen wechselt sie in die Bruststimme und klingt eindringlich. Bemerkenswert ist auch Sanja Radisic (Knusperhexe), die mit ihrem dunklen, schweren Mezzosopran die Hexe sehr lebendig präsentiert. In Hokuspokus des dritten Bild zieht sie die Töne in die Länge und umspielt sie lautmalerisch durch Flüstern, Kichern und Jauchzen, was sehr geheimnisvoll wirkt. Foteini-Niki Grammenou und Carla Hussong (beide Sandmännchen) können ebenfalls durch ihre lyrischen, glockenklaren Sopranstimmen überzeugen, die ihren Rollen als Fabelwesen etwas Himmlisches verleihen. Der Kinderchor am Ende singt sehr koordiniert, wird aber leider vom Orchester stark übertönt.
Fazit
Großartig sind das phantasievolle Bühnenbild und die märchenhaften Kostüme: man wird tatsächlich in die Geschichte hineingezogen. Die Musik rundet den Abend ab. Camille Schnoor und Maria Hilmes sind kaum zu übertreffen. Dazu kommt die schauspielerische Leistung insgesamt und besonders Sanja Radisić ist dafür zu loben. Für die drei Sängerinnen und Hrólfur Saemundsson spendet das Publikum besonders begeisterten Applaus.
Melanie Joannidis
Bild von: Ludig Koerfer
Das Bild zeigt: Maria Hilmes (Hänsel), Camille Schnoor (Gretel)