von W.A. Mozart (1756-1791), Dramma per Musica in drei Akten, Libretto: Giambattista Varesco nach Antoine Danchets Idoménée, UA: 29. Januar 1781, München, Hoftheater
Regie: Michael Schulz; Bühne: Kathrin-Susann Brose; Kostüme: Reneé Listerdal
Dirigent: Julia Jones, Sächsische Staatskapelle Dresden
Solisten: Wookyung Kim (Idomeneo), Anke Vondung (Idamante), Rachel Willis-Sørensen (Elettra), Elena Gorshunova (Ilia), Timothy Oliver (Arbace), Mert Süngü (Oberpriester) u. a.
Besuchte Aufführung: 29. November 2012 (Premiere)
Idomeneo kehrt aus dem Trojanischen Krieg zurück. Sein Schiff gerät in Seenot, und er überlebt den Sturm wie durch ein Wunder. Für seine Errettung verspricht er dem Meeresgott Poseidon, ihm den ersten Menschen zu opfern, den er erblickt und dies ist tragischerweise sein Sohn Idamante. Um ihn nicht töten zu müssen schickt er ihn, begleitet von Elektra, der Konkurrentin von Idamantes Geliebter Ilia, auf eine Insel. Doch ein Ungeheuer verhindert das Auslaufen des Schiffes und Idamante tötet das Wesen. Neptun beharrt auf seinem Opfer, so daß schließlich Ilia für Idamante sterben will. Davon bewegt, lenkt Neptun schließlich ein. Er bestimmt, das Idamante mit Ilia an Idomeneos Stelle herrschen sollen.
Aufführung
Den zentralen Bereich der Bühne nimmt eine zum Hintergrund ansteigende Holzrampe ein, aus der eine Kanzel und ein angedeuteter Torbogen herausgehoben sowie eine Grube abgesenkt werden kann. Diese Rampe wird von mehreren stilisierten Torbögen überspannt, die durch Lichtinstallationen illuminiert werden können. Die vordersten Torbögen dienen zugleich als Stauraum für weitere ausfahrbare Utensilien. Im Hintergrund befindet sich eine große Leinwand, auf die in Sturmszenen ein animiertes Wellenspiel eingeblendet wird. Der Meeresgott Neptun wird zudem durch 16 stumme Rollen verkörpert, die an den Joker aus den Batman-Filmen erinnern.
Sänger und Orchester
Wookyung Kim verkörpert zwar einen innerlich zerrissenen, im göttlichen Machtspiel jedoch niemals verloren wirkenden Idomeneo. Sein Tenor umschmeichelt mit geschmeidigem Glanz, stimulierendem Vibrato und ruhender Wendigkeit, so daß lyrische Passagen in zartem Timbre erblühen können und dramatische Abschnitte mit zupackender Klangtiefe genommen werden. Große Beachtung findet auch Anke Vondungs (Idamante) jugendlicher Mezzosopran. Ihre Stimme erstrahlt in satten Farben, die durch gekonnte Tonrundung einen zarten Stimmteppich weben. Wirkt Elena Gorshunova (Ilia) im ersten Akt noch etwas zurückhaltend, so legt ihr filigraner Sopran an stimmlichem Temperament im weiteren Verlauf deutlich an Intensität und Leuchtkraft zu. Fulminant mitreißend verkörpert Rachel Willis-Sørensen eine zur Furie gereifte Elettra. Ihr dunkel ausgereifter Sopran, der mit müheloser Druckfülle in den oberen Lagen und zupackender Phrasierung brilliert, läßt die Arie D’Oreste, D’Ajace – Orestes und Ajax‘ Qualen zu einem Höhepunkt immenser stimmlicher Sogkraft heranreifen. Tenor Mert Süngü (Oberpriester) besticht durch klaren Duktus und getragener Gravität. Einzig Timothy Oliver (Arbace) kann mit fahl-bläßlichem Timbre und angestrengt wirkenden Höhen nicht ganz überzeugen.
Julia Jones versteht es, die Sächsische Staatskapelle Dresden sowohl in bewegend aufgepeitschten Tempi durch die Sturmszenen zu jagen, als auch genug sauber ausgepegelten, klanglichen Raum für die intimen Arien zu schaffen. Ein großes Lob gebührt auch dem Chor, der die Massenszenen stimmlich messerscharf herausziseliert und trotz aller zupackenden Wucht eine große Tiefenschärfe entwickelt.
Fazit
Die Inszenierung besticht dadurch, daß sie mit wenig Mitteln viel Effekt schafft. Mit Projektionen, kleinen Verwandlungen und intimer Ausleuchtung wird große Dynamik im Bühnengeschehen erreicht, wobei jedoch die Konzentration auf die einzelnen Protagonisten niemals aus den Augen gelassen wird. Wenn Poseidons stumme Diener Idomeneo pantomimisch zum Mord überreden und Elettra sich im haßbedingten Wahn zerlegt, bleibt in der Dresdener Inszenierung nichts unversucht, einen Abend voller mitreißender Dramatik zu schaffen. Zusammen mit den größtenteils überdurchschnittlichen Leistungen der Sänger wurde dieser Ansatz mit langanhaltendem Applaus belohnt.
Dr. Andreas Gerth
Bild: Matthias Creutziger
Das Bild zeigt: Wookyung Kim (Idomeneo), Ensemble