Weimar, Deutsches Nationaltheater – JENUFA

von Leoš Janáček, Oper in drei Akten aus dem mährischen Bauernleben; Libretto: Gabriele Preissová nach dem Drama Ihre Stieftochter; Deutsche Übersetzung: Max Brod; UA: 21. Januar 1904, Brünn, Nationaltheater
Regisseur: Calixto Bieito, Bühne: Susanne Gschwender, Kostüme: Ingo Krügler
Dirigent: Martin Hoff, Orchester der Staatskapelle, Philharmonischer Chor Weimar
Solisten: Christine Hansmann (die alte Buryja), Thomas Piffka (Laca), Pieter Roux (Stewa Buryja), Leandra Overmann (Küsterin Buryja), Johanna Stojkovic (Jenufa), Alexander Günther (Altgesell), Mario Hoff (Dorfrichter), Silona Michel (Frau des Dorfrichters) u.a.
Besuchte Aufführung: 15. November 2008 (Premiere) Es war eine Übernahme von der Oper Stuttgart.

Kurzinhalt
weimar-jenufa.jpgIn einem mährischen Dorfe lebt die junge Jenufa. Sie ist unehelich schwanger vom Lebemann Stewa, der sich lieber vergnügt, als zu seiner Verantwortung zu stehen. Stewas Halbbruder, der einfache Laca, liebt sie, wird bei seinen Annährungsversuchen jedoch stets von ihr abgewiesen. Jenufa hofft auf eine Heirat mit Stewa. Doch als Laca nach erneuter Zurückweisung, eifersüchtig geworden, mit einem Messer ihr ins Gesicht schneidet, wendet sich Stewa gänzlich von ihr ab. Die Küsterin Buryja, Ziehmutter Jenufas, die von der Schwangerschaft Jenufas ahnt, versteckt Jenufa in der Nähe des Dorfes, um die Geburt des Kindes geheim zu halten. Als Buryja von der geplanten Vermählung Stewas mit der Tochter des Dorfrichters erfährt, weiß sie auch um die damit verbundene Entehrung für ihre Ziehtochter und deren Familie. Sie faßt den Entschluß, das neugeborene Kind ohne Wissen Jenufas zu töten. Nachdem Jenufa dessen Tod bemerkt, ist sie seelisch zerrissen. Sie wendet sich in ihrer Hilflosigkeit an Laca. Schließlich wollen sie heiraten. Doch am Tage der Hochzeit wird die Kindesleiche entdeckt und die Küsterin Buryja bekennt sich zur Tat. Jenufa begreift das Motiv für den Mord und verzeiht ihr. Laca hält weiter zu ihr und beide versuchen einen Neuanfang.
Aufführung
Die Handlung wird von Calixto Bieito in die Gegenwart versetzt. So weicht die einsame Mühle im Libretto einer Industriehofkulisse mit Altkleiderlager. Die Wände sind mit Graffitis beschmiert, lediglich Drogen und eine Tischtennisplatte am rechten Rand der Bühne bieten den Protagonisten Ablenkung in dieser trostlosen Umgebung. Dem ungeachtet büßt die Inszenierung nichts an Aussagekraft ein, vielmehr wird man als Publikum sensibilisiert. Denn in der vertrauten Industrieszenerie fällt es schwer, einen Kindesmord und dessen Beweggründe in eine vergangene Zeit und andere Kultur einzuordnen. Mit einer Verengung der Bühne im zweiten Akt schaffen es Calixto Bieito und Susanne Gschwender (Bühne), den seelischen Kampf der Küsterin um eine Entscheidung und den Druck, dem sie dabei ausgeliefert ist, auch szenisch darzustellen. Die schauspielerische Eindringlichkeit der Akteure und wirklichkeitsnahe Andeutungen sexueller und gewalttätiger Art verdeutlichen die scheinbare Unausweichlichkeit des Geschehens. Im Gegensatz zu ihrem Stuttgarter Pendant wird die Weimarer Inszenierung allerdings in deutscher Sprache aufgeführt und erleichtert es dabei oftmals, dem Übermaß an Aktion und Gesten auch abseits der Haupthandlung zu folgen.
Sänger und Orchester
Die wohl schwierigsten Partien der Oper hatte Leandra Overmann (Küsterin) zu bewältigen. Sie sang auch bei der früheren Stuttgarter Aufführung. Zu einem hohen Maß an schauspielerischer Präsenz kam erschwerend eine Bronchitis, die sich auf ihre Stimme schlug. Dennoch meisterte sie den steten Wechsel zwischen Gesangs- und Sprechmotiven mit viel Gefühl und Erfahrung. Das leicht Rauhe und Kratzige in der Stimme war in hohen und kräftigen Passagen kaum mehr zu vernehmen und trug so nur um so mehr zur Glaubwürdigkeit ihrer tragischen Rolle bei. Thomas Piffka (Laca) bestach neben klaren Linien auch in den hohen Lagen durch jenen warmen und vollen Klang, den man bei dieser Rolle erwartet. Ohne Probleme vermochte er es, sich selbst gegen die lauten Orchesterpassagen durchzusetzen. Überraschend und erfrischend wirkte Alexandra Steiner (Jano). Sie entwickelte einen solch glanzvollen Ton, der die Aufmerksamkeit des Publikums förmlich auf sich zog und am Ende mit begeistertem Applaus gewürdigt wurde. Martin Hoff dirigierte die Staatskapelle souverän durch jegliche Schwierigkeiten der Partitur. Dabei sorgte er dafür, daß die musikalische Entwicklung trotz vieler kleiner Motive und Phrasen klar erhalten blieb.
Fazit
Eine eindrucksvolle und ergreifende Interpretation, bei der das Übergewicht an szenischer Darstellung die Musik jedoch zu sehr in den Hintergrund rücken läßt.

Hannes Güntherodt
Bild: Charlotte Burchard
Das Bild zeigt Leandra Overmann (Jenufa)

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