von Hans Pfitzner (1869-1949), Romantische Oper in zwei Akten, Libretto: James Grun; UA: 9. November 1901, Elberfeld
Regie/Bühnenbild: Jürgen R. Weber, Kostüme: Sven Bindseil, Choreographie: Lode Devos
Dirigent: Domonkos Héja, Robert-Schumann-Philharmonie, Chor und Kinderchor der Oper Chemnitz. Solisten: Erin Caves (Siegnot), Kouta Räsänen (Waffenmeister/Nachtwunderer), Andreas Kindschuh (Sangesmeister), Astrid Weber (Minneleide), Jana Büchner (Schwarzhilde), Tiina Penttinen (Rotelse), André Riemer (Moormann), Alisha Coon & Bert Uyttenhove (Zwittergöttin), Felipe Rocha (Siegnots Schatten), Ramona Capraro (Minneleides Schatten) Besuchte Aufführung: 29. November 2008 (Premiere)
Kurzinhalt
Es ist Frühlingsweihefest und Siegnot wird von der Herrscherin des Liebesgartens zum Wächter des Frühlingstores erwählt. Der Auserwählte soll mit einer Zauberrose den Eingang zum paradiesischen Reich gegen feindliche Mächte schützen. Am Tor Wache haltend begegnen Siegnot zunächst der Moormann und später die Elfenkönigin Minneleide. Siegnot verliebt sich in Minneleide und überreicht ihr als Liebespfand die zauberkräftige Rose. Als er die Geliebte in den Garten führen will, schreckt diese vor der unbekannten Welt zurück. Der Nachtwunderer dringt mit seinem Gefolge aus der Unterwelt hervor, Siegnot wird überwältigt und Minneleide in eine Berghöhle entführt. Siegnot gelangt mit Hilfe des Moormanns schwer verwundet ins Reich des Nachtwunderers, um Minneleide zu befreien. Der dunkle Herrscher will sie nur ziehen lassen, wenn es Minneleide gelänge, die Rose in den Liebesgarten zurück zu bringen. Die Elfenkönigin besteht die Probe nicht und Siegnot kämpft in größter Verzweiflung gegen den Nachtwunderer und seine Untergebenen. Alle sterben bis auf Minneleide. Nun findet Minneleide die Kraft, um zum Liebesgarten zu gelangen. Dort trifft sie am Tor den Winterwächter, der ihr den Weg versperrt. Es kommt zum Kampf, bei dem beide sterben. Der Liebesgarten erstrahlt und die Seelen von Minneleide und Siegnot werden zum ewigen Leben im Liebesgarten erhoben.
Aufführung
Anders als bei der zuletzt in Zürich 1998 gegebenen Aufführung des Werkes spielte man in Chemnitz die ungekürzte Fassung. Zwei Projektionsflächen flankieren die Bühne. Auf ihnen werden durchgängig erläuternde Texte eingeblendet, die die dargestellte Handlung kurz umreißen und durch ironische Anmerkungen des Nachtwunderers würzen. Im Vorspiel ist das Bühnengeschehen von einem durch Panzertüren gesicherten Innenraum bestimmt, der mit fantasy-märchenhaft anmutenden Details gespickt ist. In das bunte Bild fügen sich die Massen der Bewohner dieser Welt ein, die mit insektenartigen, futuristischen Kostümen die Bühne bevölkern. Siegnot ist als Mischung aus Fantasyheld mit übergroßem Schwert und Zauberrosen-Strahlenkanone ein Teil dieser Zauberwelt. Die Bühne des ersten Aktes und auch des Nachspiels wird von einem überdimensionierten Toilettenbecken dominiert, dem Eingang zur Unterwelt des Nachtwunderers. Sie wird von einem Rampenaufgang mit Vorhang zum Liebesgarten und durchbrochenen Seitenwänden flankiert. Die Welt des Nachtwunderers im zweiten Akt zeigt eine graue Basalthöhle, die einer Schaltzentrale gleich mit technischen Elementen versehen ist. Sie wird von übertrieben fetischbeladenen Wesen bevölkert. Der sich im Zentrum der Bühne befindliche Steinkoloß dreht sich im Verlauf der Handlung und erweist sich als Karl-Marx-Kopf. Diese Aktion ist dem Handlungsverständnis wenig dienlich und wirkt, insbesondere ohne weitere erhellende Reflexion in Kostümen oder weiteren Bühnenelementen, völlig deplatziert. Stärker wird die Aufführung wieder im Nachspiel, wenn unter Reduktion symbolträchtiger Elemente der Liebesgarten erstrahlt und die Scheinwerfer den Publikumsraum blendend erhellen.
Sänger und Orchester
Die gesanglichen Leistungen überzeugen bis in die Nebenrollen. Tiina Penttinen (Rotelse) und Jana Büchner (Schwarzhilde) sind hierbei besonders hervorzuheben. Ihr Gesang ist unangestrengt und doch bewegend. André Riemer wird seiner Rolle als Moormann durch angenehm zurückhaltend affektierte Betonung gerecht. Uneingeschränkter Star des Abends war Astrid Weber (Minneleide), die sowohl in den dramatischen Partien des Nachspiels an intensiver Ausdruckskraft gewann, als auch in den lyrischen Abschnitten mit gefühlvoller Bewegung überzeugte. Erin Caves (Siegnot) gelingt ein motiviert mitreißender Balanceakt zwischen heldischer und lyrischer Interpretation, wobei seine lyrischen Stärken in den Partien zusammen mit Astrid Weber voll erblühen. Kouta Räsänen ist in der Rolle des Waffenmeisters solide angelegt und füllt die Partie des Nachtwunderers mit eindringlicher Diktion aus.
Das in sich stimmige Bild der gesanglichen Geschlossenheit in Stärke und Ausdruckskraft des Ensembles wurde durch die Leistung des Orchesters untermauert. Die Robert-Schumann-Philharmonie spielte mit lebendiger Eindringlichkeit, wobei insbesondere die Streicher in sphärischen Abschnitten einen harmonisch tiefendynamischen Eindruck hinterließen. Die Chöre machten zudem in den Chortableaus des Vorspiels eine stimmlich glänzend durchtrainierte Figur.
Fazit
Eine insgesamt gelungene Produktion, die Appetit auf weitere „Ausgrabungen“ der Oper Chemnitz macht.
Dr. Andreas Gerth
Bild: Dieter Wuschanski
Erin Caves (Siegnot) und Felipe Rocha (Schatten) links flankiert von Andreas Kindschuh (Sangesmeister) und Kouta Räsänen (Waffenmeister) sowie rechts von Alisha Coon & Bert Uyttenhove (Zwittergöttin). Im Hintergrund der Chor der Oper Chemnitz.