COSÌ FAN TUTTE – Dessau, Anhaltisches Theater

von Wolfgang Amadeus Mozart (1756-1791), Commedia per musica in zwei Akten, Libretto: Lorenzo da Ponte, UA: 26. Januar 1790 Wien, Burgtheater

Regie: Patrick Schlösser, Bühne: Etienne Pluss, Kostüme: Werner Fritz

Dirigent und Hammerklavier: Patrik Ringborg, Staatsorchester Kassel, Opernchor des Staatstheaters Kassel, Choreinstudierung: Marco Zeiser Celesti

Solisten: Nina Bernsteiner (Fiordiligi), Maren Engelhardt (Dorabella), Stefan Zenkl (Guglielmo), Musa Nkuna (Ferrando), Ani Yorentz (Despina), Krzysztof Borysiewicz (Don Alfonso)

Besuchte Aufführung: 8. Dezember 2012 (Premiere)

Kurzinhalt

Dorabella liebt Ferrando, Fiordiligi liebt Guglielmo. Don Alfonso, Freund der beiden Soldaten, ist seinen Eleven in Sachen Lebenserfahrung um einiges voraus. Mit seinem Zweifel an der Standhaftigkeit der beiden Schwestern gibt er den Anstoß zu einem Treuetest, der Dreh- und Angelpunkt der Handlung ist. In tränenvollem Abschied ziehen Guglielmo und Ferrando in eine angebliche Schlacht, um kurz darauf als extravagante Fremdlinge die Verlobte des jeweils anderen für sich zu gewinnen. Unterstützung erfahren sie von der nicht auf den Mund gefallenen Kammerzofe Despina, die nur zum Teil von Don Alfonsos wahren Absichten weiß. Bald erkennen die beiden Männer die Absurdität ihres Vorhabens, doch von Alfonso durch Eid verpflichtet, willigen sie notgedrungen in die Hochzeit mit der jeweils anderen ein. Als dann die „wahren“ Verlobten aus der Schlacht zurückkehren, klärt sich alles auf…

Aufführung

Das Einheitsbühnenbild besteht aus einem Haus, das sich um einen wüstennahen Steingarten dreht, in dem Sträucher und angerostete Gartenstühle herumstehen. Im Erdgeschoß ist eine Trattoria untergebracht, hier sitzen eingangs die Herren beim Wein und sinnieren über die Frauen. Währenddessen sitzen die beiden Damen im ersten Stock in ihrem Gemeinschaftszimmer in ihren Betten und gedenken ihrer Liebhaber. Die Rückwand des Hauses zieren wilde Tiere aus der Menagerie des Landgrafen Karl von Johann Roos. Während sich die beiden Liebhaber nicht nur mittels eines roten oder grünen Pullunders unterscheiden, sehen sich die beiden Damen mit fast identischen schwarzen oder blaugrünen Kostümen sehr ähnlich. Don Alfonso wirkt im feinen italienischen Zwirn wie eine Mischung aus Wirt und Mafia-Paten, Despina ist die Kellnerin der Trattoria. Der Chor kommentiert die Handlung vom ersten Rang aus – in heutiger Abendgarderobe.

Sänger und Orchester

Das Stück beginnt und endet mit derselben Pose der Darsteller, genauso wie die gleiche Tonart am Ende und Anfang steht: C-Dur, was unter Generalmusikdirektor Patrik Ringborg besonders hörbar wird. Er setzt auch am Hammerflügel in den Rezitativen Akzente – inklusive einem musikalischen Scherz: Er zitiert Wagners Tristan-Akkord. Das Staatsorchester und auch der Opernchor zeigen sich unter Ringborgs Leitung bestens präpariert und pflegen einen sehr ausziselierten, obschon spannungsgeladenen, Mozartstil. Die Sänger können sich in dieser Inszenierung auf die Darstellung der inneren Gefühle in der Gesangslinie konzentrieren. Am besten gelingt dies Nina Bernsteiner in der Rolle der Fiordiligi. Sie verfügt über einen weichen warmen Sopran und ein farbenreiches, breites Gefühlsspektrum. In der Arie Per pietà – Oh verzeih Geliebter kann sie den inneren Konflikt deutlich machen, bevor er sich in dem Liebes-Duett mit Ferrando auflöst: Fra gli amplessi – Seinen Armen eil ich entgegen (II/29). Seinem Drängen muß sie erliegen, denn Musa Nkuna wird sicherlich noch als Mozart-Tenor von sich reden machen: Scheinbar problemlos und unangestrengt klettert er durch die Höhen und Tiefen Mozarts – auch wenn ihn am Ende ein wenig die Leuchtkraft ausgeht. Als eloquente Mezzo-Stimme kann Maren Engelhardt den Vergleich zwischen Dorabella und Fiordiligi über weite Passagen unentschieden halten, wenn ihr auch der Glanz in den Höhen fehlt. Stefan Zenkl verfügt über einen durchschlagskräftig geführten, dennoch lyrischen Bariton, der dem Guglielmo entsprechenden Charakter verleiht. Krzysztof Broysiewicz legt den Don Alfonso als dominanten Zeremonienmeister an, wobei er zumeist im Parlando-Stil verharrt. Die Despina nutzt Ani Yorentz als komödiantische Rolle. Sowohl den Arzt als auch den Notar singt sie mit verstellter Stimme, u.a. im Falsett, sehr treffend. Schon für Che vita maledetta – Welch schauderhaftes Leben erhält sie als jugendlich dynamische Sopranistin Szenenapplaus.

Fazit

Donnernder und langer Applaus sind das Lob des Publikums für eine vortreffliche musikalische Umsetzung und für eine wortgetreue Produktion. Hier überspielen kein billiger Aktionismus, keine Anzüglichkeiten oder Frivolitäten die Situationen, in denen Mozart den Sängerdarstellern innere Qualen auferlegt. Hier geht es nur um die Frage, sind die beiden Paare zu einem Ringtausch bereit? Die Verlagerung in die heutige Zeit und die identischen Schluß- und Anfangs-Bilder bzw. Tonarten geben Mozart recht und setzen hinter diese Così fan tutte ein deutliches Ausrufezeichen.

Oliver Hohlbach

Bild: N. Klinge

Das Bild zeigt: Musa Nkuna (Ferrando), Nina Bernsteiner (Fiordiligi), Maren Engelhardt (Dorabella), Stefan Zenkl (Guglielmo) v.l.n.r.

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