von Georg Friedrich Händel (1685-1759) Opera seria in 3 Akten, Libretto: Unbek. Bearbeiter nach Carlo Sigismondo Capeces Libretto zu Domenico Scarlattis Dramma per musica Orlando ovvero la gelosa pazzia (1711), UA: 1733 London
Regie: Andreas Kriegenburg, Bühne: Harald Thor
Dirigent: Jonathan Darlington, Staatskapelle Dresden
Solisten: Christa Mayer (Orlando), Carolina Ullrich (Angelica), Gala El Hadidi (Medoro), Barbara Senator (Dorinda), Georg Zeppenfeld (Zoroastro)
Besuchte Aufführung: 27. Januar 2012 (Premiere)
Orlando ist verliebt in Angelica, die Königin von Catai. Dies ruft die Sorge des Magiers Zoroastro hervor, da Orlando seine ritterlichen Pflichten vernachlässigt. Dorinda, eine Schäferin, hat sich indessen in den Prinzen Medoro verliebt. Doch dessen Herz schlägt allein für Angelica, die ebenfalls in Liebe zu Medoro entbrannt ist. Angelica und Medoro fliehen, als Orlando in eifersüchtige Raserei gerät und glaubt Medoro sowie Angelica dabei getötet zu haben. Nun greift Zoroastro ein und erlöst Orlando vom Liebeswahn. Dieser will sich daraufhin das Leben nehmen, da ihm Dorinda seine Vergehen vorhält. Die beiden durch den Magier geretteten Totgeglaubten halten ihn jedoch davon ab und Orlando erkennt ihre Liebe an.
Aufführung
Harald Thor setzt in ein einsames Waldstück mittig ein Holzhaus, in dem alles bis hin zum Kronleuchter und Heizkörper aus Holz besteht. Die Frontseite fehlt und ermöglicht den Blick ins Innere des Hauses. Die Fenster auf der Rückseite sind blind. Die Möblierung ist spärlich mit einem Feldbett, Stühlen, Tischen, Sofa und Koffern, die zudem von den Tänzern ziellos herumgetragen werden. Die Hauptdarsteller tragen dunkle Anzüge, Angelica ein elegantes rotes, Dorinda ein blaugemustertes Kleid. Die Tänzer tragen abwechselnd knappe Unterwäsche, schlichte Kleider, Anzüge oder darüber Wehrmachts-Militärmäntel.
Sänger und Orchester
Eigentlich steht und fällt eine Vorstellung des Orlando mit der Besetzung der Partie des Orlando. In der Uraufführung mit dem legendären Mezzosopran-Kastraten Senesino besetzt, wird schnell deutlich wie hoch die Ansprüche an diese Rolle sind. Allein in den fast fünfzehn Minuten seine Arie: Ah! Stigie larve! – Ah, Geister der Unterwelt muß er seine Wahnvorstellungen, die Überquerung des Styx oder das Treffen mit dem Höllenhund, lediglich mit seinem Gesang darstellen. Christa Mayer tat ihr Bestes, dauerhaft eine männlich klingende Bruststimme zur Geltung zu bringen, jedoch kann man schwerlich leugnen, daß sie im Wagnerfach tief verwurzelt ist und das Klangbild einer Waltraute oder Erda mit einem Orlando nicht in Einklang zu bringen ist. Ebenfalls als Wagner-Sänger weltweit begehrt ist Georg Zeppenfeld, der dem Magier Zoroastro den samtenen und dominanten Glanz eines König Heinrichs verleiht. Seine barocken Koloraturen wirken zurückhaltend, sind aber wegen seiner absoluten technischen Sauberkeit hörenswert. Carolina Ullrich hat sich von der Soubrette zu einer wohltönenden und klaren Sopran-Stimme weiterentwickelt. Allerdings fehlt ihr noch das Standvermögen, um die Leiden der Angelica stimmlich darstellen zu können. Barbara Senator hingegen wirkt frischer, vielseitiger und variabler – ihr humorvoller Mezzo kann die unglückliche Schäferin Dorinda in S’è corriposto un core – wenn ein Liebhaber Erwiderung findet zum Leben erwecken. Eine Barock-Spezialistin ist sie jedoch hörbar nicht. Gala El Hadidi ist ein Mezzo-Sopran mit tiefliegendem rauchigem Timbre. Daher hat sie keine Probleme, die Hosenrolle des Prinzen Medoro auszufüllen und dabei Gefühle über die Rampe zu bringen.
Die Sächsische Staatskapelle sind verstärkt durch vier Barock-Spezialisten in der Continuo-Gruppe sowie durch zwei Viola d’amore. Diese sind der Bratsche ähnlich, klingen aber heller und damit lieblicher. Aber trotz dieser Unterstützung bleibt die Staatskappelle dem harten wuchtigen Klang der Romantik verhaftet. Keine Hilfe hierbei ist der Dirigent Jonathan Darlington, der bislang wenig Erfahrung mit barocker Musik sammeln konnte. Und so gelingt es ihm nicht der Staatskapelle die barocken Denkansätze oder Klangbilder oder die Koloraturkaskaden barocker Klangwunder zu vermitteln.
Fazit
Zwei der Solisten sind im Wagnerfach zu Hause und wirken in dieser Produktion deplaziert. Das Ergebnis: Kaum barocke Harmonie, wenig perlende Koloraturen, doch schwerer, mit aller Kraft gespielter romantische Klang. Händel hat mehr zu bieten als solch glattgebügelter Wohlklang ohne wirklichen Tiefgang. Erschwerend kommt hinzu, daß das Konzept von Andreas Kriegenburg die Handlung durch zehn Tänzer kommentieren zu lassen, nicht aufgehen kann. Gefühle kann man kaum kommentieren. Daß es um einen aus Liebeswahn rasenden Orlando geht, konnte man in der Wahnsinnsszene an einem eingefrorenen Orlando, der gefühlte fünfzehn Minuten eine Sense hochhält, kaum ahnen. Freundlicher Applaus eines aufgeweckten Publikums nach mehr als drei Stunden szenischer und streckenweise musikalischer Langeweile.
Oliver Hohlbach
Bild: Matthias Creutziger
Das Bild zeigt: Barbara Senator (Dorinda), Gala El Hadidi (Medoro), Christa Mayer (Orlando), Georg Zeppenfeld (Zoroastro), Carolina Ullrich (Angelica)