DON CARLO – Mannheim, Nationaltheater

von Giuseppe Verdi (1813-1901), Oper in fünf Akten, Libretto: Joseph Méry und  Camille du Locle nach Friedrich Schiller Don Carlos, Infant von Spanien, UA: 11. März 1867 Paris, Opéra.  Bearbeitung des französischen Texts und danach auf italienisch in vier Akten, Übersetzer: Achille de Lauzières und Angelo Zanardini,  UA: 10. Januar 1884 Mailand, Teatro alla Scala

Regie: Jens-Daniel Herzog, Bühne: Mathis Neidhardt, Kostüme: Mathis Neidhardt, Verena Polkowski, Licht: Nicole Berry, Dramaturgie: Christiane Plank-Baldauf

Dirigent: Alois Seidlmeier, Orchester des Nationaltheater Mannheim, Choreinstudierung: Tilman Michael

Solisten: Sung-Heon Ha (Philipp II.), Roy Cornelius Smith (Don Carlo), Jorge Lagunes (Rodrigo, Marquis von Posa), Thomas Jesatko (Großinquisitor), Galina Shesterneva (Elisabetta), Heike Wessels (Prinzessin Eboli), u.a.

Besuchte Aufführung: 2. Februar 2013 (Premiere)

Kurzinhalt

Die Geliebte des spanischen Infanten Don Carlo, Elisabetta, mußte aus politischen Gründen seinen Vater, König Philipp II. von Spanien, heiraten. Rodrigo will mit Carlo zusammen für die Befreiung Flanderns von der spanischen Knechtschaft kämpfen. Carlo wehrt Prinzessin Ebolis Liebeswerben ab, und sie schwört Rache. Carlo nutzt die Gelegenheit, um vor dem Volk gegen seinen Vater zu rebellieren. Eboli enthüllt dem König die Liebe zwischen Carlo und Elisabetta. Philipp ist nun entschlossen, seinen Sohn zu töten. Rodrigo fällt der Inquisition zum Opfer, doch Carlo will sein politisches Vermächtnis vollenden. Sein Abschied von Elisabetta wird durch König und Großinquisitor gestört. Ein Mönch rettet den Infanten.

Aufführung

Seitenwände und Rückwand sind klassizistische weiße Fassaden, die an den Rand der Bühne oder die Mitte hinein verschoben werden können. Dadurch entsteht so für jedes Bild ein neuer Bühnenraum. Notausgangsschilder und abgeblätterte Rückwände der Fassaden erinnern einmal an ein Museum, einmal an die Tristesse von 60er-Jahre-Bauten. Auf der Bühne steht historisierendes Mobiliar wie der hölzerne Königsthron neben modernen Requisiten. Auch die Kostüme sind ein Spiel mit den Epochen. Während Don Carlo, König Philipp und Elisabetta in Renaissancekleider gewandet sind, tragen die Übrigen moderne Anzüge und Kostüme. Nach dem Tod Rodrigos erscheint auch Carlo im Anzug. Die Hinrichtung der Verurteilten im zweiten Akt wird als eine Mischung aus Abendmahl und einer Versammlung von Militärs interpretiert. Immer wieder zitieren Requisiten die Bildwelten vergangener sozialistischer Regimes oder aktueller Kriegsschauplätze. Das Ende der Oper wurde vom Regisseur umgedeutet. Nicht der Leichnam Karls V., sondern der von Rodrigo wird öffentlich zur Schau gestellt. Und Carlo flüchtet nach dem Eingreifen des Mönchs nicht in das Kloster, sondern macht sich nach Flandern auf, um dort gegen seinen Vater zu kämpfen.

Sänger und Orchester

Alois Seidlmeier übertrieb leider etwas mit dem Pathos. Auch wenn die Lautstärke des Orchesters auf die Sänger abgestimmt war und die Balance innerhalb des Orchesters gut gewahrt blieb, hätte er die Tempi etwas schneller nehmen können. Einzelne Phrasierungen verdienten mehr Klarheit und Akzentuierung, um die Musik nicht allzu behäbig erklingen zu lassen. Roy Cornelius Smith (Don Carlos) wirkte mit seiner Rolle überfordert. Selten gelangen die Registerwechsel ohne Brüche, in den hohen Lagen neigte er fast zum Schreien. Besonders im Duett zu Beginn des ersten Aktes Dio che nell’alma – Gott, der in die Seele sieht mit Jorge Lagunes (Rodrigo) wurde deutlich, daß er mehr für sich als mit dem Orchester und seinem Duettpartner sang. Dieser wirkte zu Beginn stimmlich etwas schwach, steigerte sich aber schnell und berührte spätestens in der Gefängnisszene (3. Akt) Io morrò, ma lieto in core – Ich sterbe, aber heiter im Herzen mit seiner nuancenreichen Tongebung. Leider konnten auch Galina Shesterneva (Elisabetta) und Heike Wessels (Prinzessin Eboli) nicht durchweg überzeugen. Beide zeigten ein schönes Timbre und eine fehlerlose Technik, konnten aber ihre Partien nicht mit Leben füllen. Da fehlte die Leichtigkeit beim Singen, zu eintönig und unbeweglich waren die Stimmen. Sowohl sängerisch als auch darstellerisch erstklassig war Sung-Heon Ha als Philipp II. Sein Baß klang voluminös und gleichzeitig flexibel, seiner Arie Ella giammai m’amo – Sie hat mich nie geliebt zu Beginn des dritten Aktes galten zu Recht die ersten begeisterten Bravo-Rufe.

Fazit

Jens-Daniel Herzogs Lesart der Oper als durchweg politisches Werk ist zwar nicht neu, wurde hier aber mit intelligenten Einfällen durchgeführt, die über den Abend hin zum Nachdenken animierten. Ihm gelang es, mithilfe von Bühnenbild und Kostüm die unterschiedlichen Legitimationsformen von Macht durch die Epochen hindurch miteinander in Beziehung zu setzen und gleichzeitig die privaten Konflikte nicht aus dem Auge zu verlieren. Ein gelungener und trotz der nicht rundum überzeugenden musikalischen Leistungen empfehlenswerter Opernabend, der von den Zuschauern mit viel Applaus und nur vereinzelten Buh-Rufen für das Regie-Team honoriert wurde.

Jelena Rothermel

Bild: Hans Jörg Michel

Das Bild zeigt: Galina Shesterneva (Elisabetta), Jorge Lagunes (Rodrigo, Marquis von Posa)

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