Heidelberg-Schwetzingen, Städtische Bühne (Rokokotheater) – TITO MANLIO

von Antonio Vivaldi; Libretto: Matteo Noris; UA 1917, Mantua
Regie: Hendrik Müller; Bühnenbild/Kostüme: Claudia Doderer; Beleuchtung: Steff Flächsenhaar; Dramaturg: Bernd Feuchtner;
Dirigent: Michael Form, Philharmonisches Orchester der Stadt Heidelberg
Solisten: Sebastian Geyer (Tito Manlio), Mariana Flores (Manlio), Rosa Dominguez (Vitellia), Yosemeh Adjei (Decio), Lucas Vanzelli (Geminio), Angela Kerrison (Servilia), Jana Kurucová (Lucio), Gabriel Urrutia Benet (Lindo) u .a.
Besuchte Aufführung: 14. Dezember 2008 (Premiere, deutsche Erstaufführung)

Kurzinhalt
heidelberg-tito-manlio.jpgIm Jahr 300 vor Christus läßt der Konsul Tito Manlio die Römer Haß gegen die Latiner schwören, welche aufständisch einen latinischen Konsul fordern. Doch während der Latiner Lucio aus Liebe zur Konsultochter Vitellia und Titos Sohn Manlio aus Liebe zum Vaterland den römischen Schwur leisten, weigern sich andere Familienmitglieder konsequent: Zum einen Servilia, die latinische Verlobte des Manlio, aber auch Vitellia, da sie heimlich mit dem Anführer der Latiner Geminio, dem Bruder der Servilia, verlobt ist. Tito ist empört, löst die Verbindung Manlio mit Servilia auf und läßt Vitellia, die sich weigert, die Wahrheit zu sagen, verhaften. Vitellia schickt ihren Diener Lindo mit einem Hilferuf an Geminio ins Lager der Latiner. Dieser jedoch fühlt sich dem Anliegen der Latiner verpflichtet und lehnt seine Hilfe ab. Inzwischen ist Manlio im Lager eingetroffen mit dem Auftrag, den Feind auszuspähen, ohne sich jedoch in Kampfeshandlungen verwickeln zu lassen. Als Geminio ihn provoziert, tritt Servilia als Schlichterin hinzu und wird mit der Botschaft zu Tito geschickt, ihr Bruder werde den Latineraufstand abblasen, wenn er Vitellia zur Frau bekäme. Doch es kommt anders, denn Manlio läßt sich provozieren und tötet Geminio im Kampf. Tito verurteilt daraufhin seinen eigenen Sohn zum Tode, da er Gesetzestreue über Vaterliebe stellt. Alles sieht danach aus, daß Manlio gerichtet werden wird, doch im letzten Moment befreit ihn das römische Heer und Tito erkennt sofort die höhere Gewalt der Armee an: Er gibt seinem Sohn Servilia als Braut, während Vitellia freiwillig Lucio ihre Hand reicht.
Aufführung
Die Antwort des Regie-, Bühnenbild- und Kostümteams auf die Herausforderung der deutschen Erstaufführung des Tito Manlio besteht aus einem schlichten, hellblauen Bühnenbild auf mehreren Ebenen, ähnlich einem Guckgasten mit verschiedenen Innenräumen, auf denen sich, teilweise zeitgleich, verschiedene Handlungsstränge abspielen können, und modern und barock durchmischten Kostümen, die farblich mit dem Bühnenbild harmonieren. Überhaupt durchziehen Farb- und Lichtspiele die gesamte Inszenierung: Tito hat lange rote Haare, Servilia und Manlio sind farblich kongruent gekleidet und Lucio vollführt Schattentänze hinter Pergamentpapier. Im sehr dramatisch gestalteten zweiten Teil ändert sich wenig am Bühnenbild, Tito hat jedoch die roten Haare gegen graue Cäsarlocken eingetauscht und die Bühne selbst wird durch zerrupfte Rosensträuße und Brotbrocken immer dreckiger.
Einige Symbole, eine immer wieder auftauchende Damenstrumpfhose etwa, bleiben bis zum Schluß unklar und wirken ein wenig hilflos ob der wenigen Inszenierungsangaben, die Vivaldis in seiner Opernpartitur notierte. Viele Einfälle aber wie z.B. ein vom Tonband gesprochenes Todesurteil, eine tanzende Götterstatue und ein durch die Szene schreitender Todesengel bereichern die Aufführung ohne aufdringlich zu wirken.
Sänger und Orchester
Besonders hervorzuheben ist die stimmliche Leistung Jana Kurucovás (Lucio), die ihre virtuosen und koloraturreichen Parts brillant gemeistert hat, aber auch schauspielerisch durch ihre starke Präsenz herausstach. Auch Rose Dominguez (Vitellia) und vor allem Angelina Kerrison (Servilia) sangen und spielten mitfühlend und überzeugend. Mariana Flores (Manlio) war stark in den dramatischen Szenen, konnte aber bei ruhigeren Passagen weniger überzeugen. Sebastian Geyer (Tito) und Lucas Vanzelli (Geminio) gingen bei soviel weiblicher Power leider etwas unter und wirkten blaß, was aber auch an den Rollen liegen mag. Während Yosemeh Adjei einen stimmlich unsauberen und schauspielerisch nicht ideal besetzten Decio abgab, muß die Leistung Gabriel Urrutia Benets (Lindo) jedenfalls erwähnt werden, der besonders in seiner Soloarie Brutta cosa è il far la spiaHässlich ist es, Spion zu spielen großes gesangliches wie schauspielerisches Talent bewiesen hat.
Das Orchester meisterte die ungewohnte historische Aufführungspraxis erstaunlich professionell und souverän und zeigte, daß sich die Workshops zur Vorbereitung bei einer Barockspezialistin gelohnt haben. Besonders erwähnenswert sind die Leistung der Hornisten, die auf eigens vom Theater Heidelberg angeschafften Naturhörnern spielten, und die Solopartien Michael Forms auf der Blockflöte, der außerdem mitreißend dirigierte, sowie der Trompeterin Laura Vukobratovics.
Fazit
Ein prägnanter Start für hoffentlich folgende Inszenierungen der Oper mit einem rundum leistungsstarken Ensemble und einem Publikum, das mit lautem und langem Applaus antwortete.
Leonore Kratz

Bild: Markus Kaesler.
Das Bild zeigt Servilia, Manlio, Lucius und Lindo.

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