von Geatano Donizetti (1797-1848) Grand Opèra in vier Akten, Libretto: Alphonse Royer und Gustave Vaëz, UA: 2. Dezember 1840 Paris
Regie: Valérie Nègre, Bühne: Andrea Blum, Kostüme: Aurore Popineau, Licht: Bertrand Couderc, Dramaturgie: Guillaume Poix, Choreographie: Sophie Tellier
Dirigent: Paolo Arrivabeni, Orchestre National de France, Chœur de Radio France/Chœur du Théâtre des Champs-Élysées, Choreinstudierung: Lucie Deroïan
Solisten: Alice Coote (Léonor di Gusman), Marc Laho (Fernand), Ludovic Tézier (Alphonse XI), Carlo Colombara (Balthazar), Loïc Felix (Don Gaspar), Judith Gauthier (Inès)
Besuchte Aufführung: 7. Februar 2013 (Premiere)
Der Novize Fernand ist in Liebe zur schönen Léonor entbrannt, weiß aber nicht, daß sie die Geliebte des Königs ist. Er erreicht vom Abt Balthasar seine Entlassung aus dem Kloster. Auch Léonor liebt Fernand, aber bedeutet ihm, daß ihre Verbindung undenkbar sei und ermöglicht es ihm, als Offizier in die königliche Armee einzutreten. Dort wird er zum Helden, der die Mauren besiegt und die Königsburg zurückerobert. Abt Balthasar hat vom Papst den Auftrag, den König abzusetzen, falls er sich weigert, seine Geliebte zu verlassen und sich wieder seiner Königin zuzuwenden. Der König ist bereit, sich dem Gebot der Kirche zu unterwerfen. Fernand bittet den König um die Hand Léonores, die ihm gewährt wird. Erst nach der Hochzeit erfährt Fernand, daß seine Gemahlin die Favoitin des Königs gewesen und löst sich in einem dramatischen Auftritt von Gemahlin und König. Nachdem er im Kloster die Ordensgelübde abgelegt hat, trifft er noch einmal auf Léonor, die ihn um Verzeihung bittet. Schließlich verhindert nur ihr Tod, daß er seinem Gelübde untreu wird.
Aufführung
Die „Raumarchitektur“ der amerikanischen Künstlerin Andrea Blum sieht als Maquette besser aus als in Wirklichkeit. Ein leerer von schwarzen Vorhängen rechts und links eingefaßter Raum wird je nach Bild durch funktionelle Stahltreppen, einen auf einen Vorhang aufgemalten alten Eichbaum, ein paar Zen-Tempel-Felsen, oder moderne Multi-Licht-Beleuchtungskörper verziert. Die Kostüme scheinen mit der Szenographie nichts zu tun zu haben: schwarze Kutten für die Mönche, für Fernand und die Höflinge schwarze Kleidung mit hohen Stiefeln und Degen, an das 16. Jahrhundert angelehnt, für die Damen lange schwarze Kleider, der König in schlichtem Prunkkostüm, Leonore in verschiedenen langen Abendkleidern oder weissem Hochzeitkleid.
Gute Bewegungschoreographie der Chöre, dagegen einige eher groteske Tanzversuche des Hofstaats in kleinen Trippelschrittchen.
Sänger und Orchester
Unter den Solisten trat vor allem Ludovic Tézier (König) hervor. Seine klangüppige, von der Textur her warme, schön timbrierte Stimme, bei vorzüglicher Diktion, ist offensichtlich das Ergebnis langer Arbeit und eines ausgeprägten Klanginstinkts. So kommt sie auch in der hohen Baritonlage der romantischen Liebesarie Viens! J’abandonne Dieu, mon peuple et ma couronne – Komm! Ich gebe Gott, mein Volk und die Krone auf. (2. Akt, 2. Szene) voll zur Geltung. Marc Lalos heller Tenor mit schönem Timbre in der Mittellage, aber in der Höhe manchmal an Klangfarbe verlierend, hat sich erst im Laufe der Oper in der Rolle des Fernand entfaltet, war aber nie wirklich vokal betörend. Carlo Colombaras voller, wohlklingender Baß mit einem extrareichen, tiefen Register, nicht immer sehr nuanciert, war sehr eindruckvoll, vor allem in der dramatischen Schlußszene des zweiten Akts als strenger Abt und Glaubensmann. Alice Coote, mit einer Woche Grippe hinter sich (laut offizieller Ansage), hat sich der Herausforderung der Léonor-Rolle gestellt, war aber sichtlich angestrengt, dennoch bewegend im dramatischen Duett mit Fernand im Finale. Von der Indiposition abgesehen, fehlt ihrer etwas herben Stimme vielleicht überhaupt in den lyrischen Partien der innige Zauber, die zarte Wärme und Sinnlichkeit, die eine Léonor erfordert, in einer Oper, in der leidenschaftliche Gefühle den Ton angeben. So blieb sie auch in der von Harfe und Hörnern eingeleiteten Arie Ô mon Fernand (3.Akt, 4. Szene) – mit ihrer feurigen cabaletta eine der ersten großen romantischen Arien für Mezzosopran der Opernliteratur – hinter den Erwartungen zurück. Loïc Felix (Don Gaspar), Judith Gauthier (Inès) ergänzten vorteilhaft das Ensemble. Lobenswert der nuancierte Chorgesang.
Paolo Arrivabeni dirigiert einfühlsam Solisten, Chor und Orchester durch eine klanglich ungemein reichaltige Partitur, in welcher der Orchesterpart immer wieder, oft mit einer in die Zukunft weisenden Orchestration, wirkungsvoll und klangreich auf die emotionelle Bühnenhandlung eingeht.
Fazit
Ein Jahr nach seinem Don Pasquale, der letzten bedeutenden opera buffa (1843) Donizettis (cf. OPERAPOINT 2/1012), bringt das Théâtre des Champs-Élysées nun seine letzte ernste Oper La Favorite auf die Bühne. Beide stammen aus der Pariser Zeit des Komponisten. Für die Pariser Oper 1840 geschrieben, mußte sich der Komponist dem Stil der Grand Opéra eines Meyerbeer oder Halévy anpassen. Es entstand ein „Übergangswerk“, das noch entschiedene Züge der Belcanto-Ära zeigt, aber weniger auf die spätere französische als auf die italienische Oper eines Verdi hinweist. Die eigenartigen Parallelen zu Verdis, über zwanzig Jahre später entstandenen Forza del Destino, sind bekannt.
Es war ein Glück, dieses selten aufgeführte Werk hören und sehen zu können. Trotz seiner Mängel eine erfreuliche und interessante Aufführung.
Alexander Jordis-Lohausen
Bild: Vincent Pontet/WikiSpectacle
Das Bild zeigt: Carlo Colombara (Balthazar), links davon Ludovic Tézier (König), Alice Coote (Léonor) und Judith Gauthier (Inès), umgeben vom Hofstaat