ANNA BOLENA – Köln, Oper (Palladium)

von Gaetano Donizetti (1797-1848), Tragedia lirica in 2 Akten, Libretto: Felice Romani nach dem Drama Henri VIII (1791) von Marie-Joseph de Chénier (1791) und der Tragödie Anna Bolena (1788) von Graf Pepoli, UA: 26. Dezember 1839 Mailand, Teatro Carcano

Regie: Tobias Hoheisel & Imogen Kogge, Bühne/Kostüme Tobias Hoheisel, Licht Andreas Grüter / Dramaturgie Birgit Meyer

Dirigent: Alessandro De Marchi, Gürzenich-Orchester, Chor der Oper Köln, Choreinstudierung: Jens Olaf Buhrow

Solisten: Gidon Saks (Enrico VIII), Olesya Golovneva (Anna Bolena), Regina Richter (Giovanna Seymour), Matias Tosi (Lord Rochefort), Luciano Botelho (Lord Riccardo Percy), Katrin Wundsam (Smeton), Alexander Fedin (Sir Hervey)

Besuchte Aufführung: 17. Februar 2013 (Premiere)

Kurzinhalt

König Heinrich VIII. (Enrico) hat sich in die Hofdame Jane Seymour verliebt. Diese erwidert die Liebe und ist feste entschlossen, Königin von England zu werden. Doch vorher muß Heinrich Anna Bolena, seine zweite Frau, beseitigen. Er ruft Lord Riccardo Percy aus der Verbannung aus Frankreich zurück. Diesem hatte Heinrich seine Geliebte Anna durch die Heirat entzogen. Doch Percy, der immer noch in Anna verliebt ist, trifft sich mit ihr. Dieses Treffen bestätigt Heinrichs Verdacht, daß beide noch eine Beziehung miteinander haben. Beim Pagen Smeton, ebenfalls in Anna verliebt, entdeckt Heinrich ein Bildnis von Anna. Damit zwingt er sie vor dem Ehegericht zu einer falschen Aussage über Anna. Smeton, Anna, Lord Percy, sogar Annas Bruder Lord Rochefort, werden zum Tod durch Enthauptung verurteilt. Nur Smeton entgeht dem Todesurteil.

Aufführung

Die Bühne ist zweitgeteilt: auf der linke Seite ist ein hohes weißes Zimmer ohne Möbel, auf der rechten Seite schwingt sich eine weiträumige Treppe aus braunem Holz mit Teppichbelag hoch. Die Wand dieses „Treppenhauses“ zieren  Bilder von Hans Holbein , von denen das Abbild Heinrichs VIII. auf dem Treppenabsatz besonders deutlich zu sehen ist. Wollte man hier das Bühnenbild von Luciano Visconti der Aufführung von 1957 in der Mailänder Scala anklingen lassen?

Anna trägt langwallende Kleider in wechselnder Farbe je nach der entsprechenden Szene, Jane Seymour ist in ein leuchtend rotes, fußlanges Gewand gekleidet. Demgegenüber erscheinen die männlichen Protagonisten in modernen Anzügen.

Sänger und Orchester

Donizettis Anna Bolena gehört, wie seine Opern Lucrezia Borgia (1833) und Maria Stuarda (1834), zu seinen Königinnendramen, in der er ausgiebig die Kunst des Belcanto präsentierte. So auch hier, ein schwere Aufgabe für die Sängerinnen und Sänger! In der Ouvertüre kommt das Gürzenich Orchester erst langsam in Fahrt. Unter Alessandro De Marchis Leitung, der ja ein umsichtiger und kenntnisreicher Dirigent des italienischen Repertoires ist, begleitet das Orchester behutsam die Sänger, und nur wenige Male überlagert die massive Begleitung die Gesänge.

Der Chor wird auf den Emporen des Palladiums rechts und links, geteilt in Tenor und Baß, aufgestellt. Das ist kein schlechter Einfall, da dadurch ein gutes Durchhören der Stimmgruppen möglich wird, die dynamisch und rhythmisch angenehm das Geschehen begleiten.

Katrin Wundsam (Smeton) hat exponierte Gesänge, die sie, besonders bei den tiefen und höchsten Tönen, mit runder und wohllautender Stimme darbietet. Allein bei den Verzierungen hastet sie zu Anfang etwas und gerät dadurch aus dem rhythmischen Fluß (Nervosität?). Gidon Saks (Enrico VIII) hat einen großvolumigen Baß-Bariton, den er auch imstande ist, geschickt einzusetzen. Doch die kehlige Gesangsweise ist arg gewöhnungsbedürftig und schmälert ziemlich den sonst guten Eindruck. Er gibt der Person des Königs die brutale Attitüde, die für diese Rolle erforderlich ist. Die Person des unglücklichen Percy, des zurückgewiesenen Liebhabers Anna, verkörpert der brasilianische Tenor Luciano Botelho in überragender Weise. Er zeigt mit seiner, auch in den höchsten Tönen (z.B. mehrmals C-dreigestrichen) immer klaren und lyrischen Stimme, wie rhythmisch exakt herausgebrachte Koloraturen sein sollen. Alles kommt sauber und angenehm heraus. Es ist eine Freude, ihm zuzuhören.

Im Duett der beiden Kontrahentinnen, Seymour und Anna, geben die beiden Damen Regina Richter und Olesya Golovneva schauspielerisch ihr Bestes und beeindrucken das Publikum in dieser Szene von Haß, Ablehnung und Verzeihen der Königin gegenüber ihrer Hofdame, deren tiefe Zerknirschung berührt. Gesanglich gelingt das weniger gut, da es doch an Dynamik und rhythmischer Stringenz mangelt. Regina Richter zeigt dann in ihren Arien ein schönes Aussingen der Verzierungen und Brillanz in den Höhen. Während man über lange Strecken bei Olesya Golovneva die verschliffenen Koloraturen vernimmt, ist ihre Schlußgesang von überragender Klarheit, Lyrik und Intonationsgenauigkeit. Die übrigen kleineren Rollen Matias Tosi (Lord Rochefort) und Alexander Fedin (Sir Hervey) waren gut besetzt.

Fazit

Ähnlich wie das zweigeteilte Bühnenbild ist auch der Eindruck von Gesang und Darstellung zwiespältig. Den Zuschauern hat’s gefallen, es wurde lange applaudiert.

Dr. Olaf Zenner

Bild: Klaus Lefebvre

Das Bild zeigt: Olesya Golovneva (Anna Bolena) und Regina Richter (Giovanna Seymour) im roten Kleid beim „Bekenntnis“ von Seymour

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