von Sven-David Sandström (geb. 1942), Oper in zwei Akten, Libretto von Leif Janzon nach Torgny Lindgrens Roman „Bat Seba“ in der englischen Übersetzung von Tom Geddes
Regie: David Radok, Bühnenbild: Lars Åke Thessman, Kostüm: Karin Erskine, Licht: Torkel Blomquist
Choreographie: Håkan Mayer
Dirigent: Leif Segerstam, Königliche Hofkapelle
Solisten: Elin Rombo (Batseba als junge Frau), Hillevi Martinpelto (Batseba als reife Frau), Michael Weinius (König David), Ingrid Tobiasson (Ahionam), IVA (Tamar), Marianne Eklöf (Naomi), Marie Alexis, Jeanette Bjurling, Johanna E. Martell und Marianne Hellgren Staykov (vier kleine Prophetinnen), Gueorgui Elkin (Uria), Karl-Magnus Fredriksson (Absalom), Carl Unander-Scharin (Amnon), Tomas Bergström (Kommandeur), Annica Nilsson (erste Frau), Anna Norrby (zweite Frau)
Besuchte Aufführung: 13. Dezember 2008 (Uraufführung)
Kurzinhalt
König David sieht die schöne Batseba und befiehlt ihr, sich ihm hinzugeben. Einem kleinen Jungen, der Zeuge ihrer Vergewaltigung wird, läßt er die Augen ausstechen. David schickt Batsebas Gemahl Uria auf ein kriegerisches Himmelfahrtskommando, bei dem er umkommt, und nimmt daraufhin Batseba zur Frau. Als Strafe für diesen Frevel wird das Kind, das Batseba von ihm empfangen hat, tot geboren. Der zweite Akt spielt 15 Jahre später. Batseba hat inzwischen einen zweiten Sohn mit David, Salomo, den sie durch gezielte Intrigen zum Thronfolger macht. Die Macht im Lande liegt mittlerweile faktisch bei ihr. Als sich Kronprinz Amnon an seiner Halbschwester Tamar vergeht, tötet ihn deren Bruder Absalom, dem Batseba von der Schandtat berichtet, und läßt sich zum König ausrufen. Dafür zieht David in den Krieg gegen Absalom, vermag aber nicht, ihn zu töten, als sich die Gelegenheit dazu bietet. Statt seiner führt Batseba den tödlichen Streich. Damit ist der Weg frei für Salomo, der nach dem Tod des alten und resignierten David König von Israel wird.
Musik
Sandströms Musik zeichnet sich durch eine außergewöhnliche Farbigkeit aus, die Instrumentierung ist stets wohlklingend. Diese Oper ist vor allem denjenigen Besuchern zu empfehlen, die sich vorrangig im späten 19. Jh. heimisch fühlen. Die Tonsprache ist, wenn man so sagen darf, einfacher und eingängiger als beispielsweise die von Strauss-Opern wie Salome oder Elektra, ohne ihnen an orchestraler Pracht und Wucht nachzustehen. Diese Musik zeichnen lange Spannungsbögen aus, wie sie für Wagner oder Puccini kennzeichnend sind, und eine Melodik, die in jedem Fall das Prädikat „sangbar“ verdient. Beeindruckend sind die Chorsätze, was nicht weiter verwundert, denn Sandström ist neben seinem Orchesterwerk vor allem als Komponist sakraler Chormusik bekannt; die schwedische evangelische Kirche hat ihm jüngst deswegen einen höchst ungewöhnlichen Kompositionsauftrag erteilt: die Vertonung eines vollständigen Zyklus liturgischer Musik für alle Sonntage des Kirchenjahres. Stellenweise nähert sich seine Oper durch die Chöre wie die schnellen Wechsel der Handlungsschauplätze der Gattung des Oratoriums an. Sie erzählt die Geschehnisse aus weiblicher Perspektive. Sandström hat sich überaus einfallsreich darauf verstanden, die vielen von Frauen gesungenen Passagen mit höchst unterschiedlichen Stimmfächern und Timbres zu besetzen. Beispielsweise sind die vier Prophetinnen mit vier Koloratursopranen oder Tamar mit einer – mit Mikrophonverstärkung singenden – Rocksängerin besetzt. Dadurch, daß das Libretto in englischer Sprache geschrieben ist und die Verse sich durch eine oftmals lakonische Schlichtheit auszeichnen, ist die Oper einem weiten Hörerkreis außerhalb Schwedens zugänglich.
Aufführung
Passend zum biblischen Stoff ist die Inszenierung sehr streng und ein wenig abstrahierend. Bühnenbild und Kostüme sind „klassisch“ schlicht. Die Choreographie und Personenregie ist in ihrer Reduktion allerdings nirgends langweilig, sondern im Gegenteil höchst effektiv und schafft dadurch Raum für die Musik. Die zentrale Idee der Oper, die Schilderung von geschichtlichen Ereignissen aus der Perspektive der Frau, die in der damaligen Gesellschaft mehr oder weniger als Eigentum ihres Mannes oder ihrer Familie betrachtet wurde, kommt in der Stockholmer Produktion klar und deutlich zum Tragen.
Sänger und Orchester
Man kann diese Uraufführung nur als perfekt bezeichnen. Alle Sänger gaben stimmlich und darstellerisch so überzeugende Leistungen, daß der Totaleffekt wahrhaft packend war. Der in letzter Minute eingesprungene Carl Unander-Scharin, der die Rolle des Amnon im Orchestergraben sang, während ein Regieassistent die Darstellung übernahm, ließ die behelfsmäßige Lösung dieses Problems vergessen. Michael Weinius gab einen düsteren David, der an der Last der Königswürde zugrunde geht.
Die Stimmen aller Hauptrollen sind technisch tadellos, sie klingen in allen Lagen vollkommen ausgeglichen und trotzdem kräftig durchschlagend. Hier mag natürlich das relativ kleine Opernhaus mit seiner hervorragenden Akustik eine wichtige Rolle spielen. Elin Rombo (Batseba als junge Frau), Hillevi Martinpelto (Batseba als reife Frau) erhielten für ihre Leistungen verdientermaßen den lautesten Beifall. Segerstams Dirigat entlockte dem Orchester buchstäblich nie gehörte Klänge, der Vortrag aller Beteiligten war sehr suggestiv und stets überzeugend. Man hatte alle Gelegenheit, die ungemein phantasievollen Klangmischungen der Partitur zu bewundern.
Fazit
Alles in allem ist festzustellen, daß man sich in Stockholm vor Pathos in der Darstellung überhaupt nicht scheut – mit überzeugendem Resultat. Das Publikum dankte Dirigent, Regisseur und Komponist einhellig mit stehenden Ovationen, ein Vorkommnis, das auch in Schweden alles andere als alltäglich ist.
Diese Oper in dieser Produktion zu sehen ist allemal eine Reise nach Stockholm wert. Unbedingt anschauen!
Dr. Martin Knust
Bild: Carl Thorborg
Das Bild zeigt Elin Rombo (Batseba) Michael Weinius (König David).