Stockholm, Königliche Oper – DIE WALKÜRE

von Richard Wagner (1813 – 1883), Erster Tag des Bühnenfestspiels Der Ring des Nibelungen, Libretto vom Komponisten
UA 1870 München
Regie: Staffan Valdemar Holm, Bühnenbild und Kostüm: Bente Lykke Møller, Licht: Torben Lendorph, Dramaturg: Stefan Johansson
Dirigent: Leif Segerstam, Königliche Hofkapelle
Solisten: Michael Weinius (Siegmund), Terje Stensvold (Wotan), Lennart Forsén (Hunding), Emma Vetter (Sieglinde), Rachel Tovey (Brünnhilde), Martina Dike (Fricka), Sara Olsson (Helmwige), Agneta Lundgren (Gerhilde), Sara Andersson (Ortlinde), Susann Végh (Waltraute), Katarina Leoson (Siegrune), Marianne Eklöf (Roßweisse), Eva Pilat (Grimgerde), Kristina Martling (Schwertleite)
Besuchte Aufführung: 10. Januar 2008 (Premiere)

Kurzinhalt
stockholm-walkure.jpgViele Jahre sind vergangen. Wotan hat inzwischen die Wälsungen Siegmund und Sieglinde gezeugt, weil er hofft, daß es ihnen aus freiem Willen möglich sein werde, dem Riesen Fafner den Ring des Nibelungen zu entwenden, dem Rhein zurückzugeben und damit sein eigenes Vergehen rückgängig zu machen. Doch legt Wotans Gattin Fricka ihm in einer zornigen Auseinandersetzung dar, daß Siegmund ebenso von ihm gesteuert wird wie alle seine Wesen und fordert zur Wiederherstellung ihrer Ehre den Tod seines Sohnes. Widerstrebend gibt Wotan ihr nach und beauftragt die Walküre Brünnhilde damit, Siegmund im Kampf sterben zu lassen. Doch vermag sie es nicht und wird dafür von Wotan bestraft: Er nimmt ihr ihre göttlichen Eigenschaften und läßt sie als Menschenfrau auf einem Felsen in Schlaf fallen, damit sie ein Mann finde, wecke und zur Gattin nehme. Siegmund fällt im Kampf mit Hunding, doch seine Schwester Sieglinde entkommt und hat ein Kind von ihrem Bruder empfangen.
Aufführung
Wieder bietet das Bühnenbild einen historisch-ikonographischen Exkurs, diesmal im zweiten Aufzug, der mit Ausblick auf ein Gebirge ein Billardzimmer darstellt, an dessen Wänden Walküren-Gemälde des 19. Jahrhunderts hängen. Wie im Rheingold herrscht strenge Symmetrie der dargestellten Räume vor, der Hintergrund wird mit bewegten Computerprojektionen angedeutet. Die Personenregie geht zuweilen verdeutlichend über die Vorgaben der Partitur hinaus, wenn beispielsweise stumme Figuren wie die gefallenen Helden zu Beginn oder die Götter am Ende des dritten Aufzugs auftreten, oder ignoriert sie mitunter, ohne daß klar wäre, weshalb. Bedauerlich ist, daß Kostüm und Maske den Sängern unnötige Schwierigkeiten bereiten. Die Kleider der Walküren und der Brünnhilde sind bei der Bewegung der Sängerinnen hinderlich, so daß jedes Hinsetzen und Aufstehen zu einem Balanceakt wird, und Michael Weinius hatte als Siegmund buchstäblich alle Hände voll zu tun, sich die langen Haare seiner Perücke aus dem Gesicht zu halten.
Sänger und Orchester
Leif Segerstam mit einem solch traditionsreichen Orchester Wagner aufführen zu hören, ist ein Erlebnis für sich. Nicht umsonst erntete er für sein Dirigat, das der Hofkapelle kraftvolle Klänge entlockte, ohne den Gesang zu überdecken, stehende Ovationen. Beeindruckend ist, wie sensibel er in der Wahl der Tempi den Bedürfnissen der Sänger entgegenkommt, ja, sie sich Wagners Forderung gemäß sogar von den Sängern oftmals regelrecht vorgeben läßt. So war es den Solisten möglich, sich von ihrer besten Seite zu präsentieren. Terje Stensvold gab einen stimmgewaltigen und dennoch nuancierten Wotan, eine imponierende Leistung. Martina Dike (Fricka) konnte, nach einer stimmlichen Indisposition im Rheingold, nun ihre durchschlagende Stimme voll zum Einsatz bringen. Selten dürfte man eine derart überzeugend zürnende Fricka gehört haben. Emma Vetter als Sieglinde tremolierte zu Beginn des ersten Aufzugs etwas zu sehr, um sich im Laufe des Abends dann aber freizusingen. Das Ensemble der acht Walküren war wie Rachel Toveys Brünnhilde musikalisch tadellos; darstellerisch vermag diese Sängerin allerdings nicht recht zu überzeugen. Den größten Applaus unter den Solisten erhielt völlig verdient der Siegmund von Michael Weinius. Dieser Sänger verfügt über einen Heldentenor, der keine Wünsche offen läßt. Der Sprechgesang wie die nötige abgestufte Klanggebung in den kantablen Abschnitten wurden von Weinius wirklich mustergültig dargeboten. Wie schon im Rheingold war Lennart Forsén, diesmal als Hunding, der Schwachpunkt des Ensembles, auch wenn seine Aussprache des Deutschen besser war.
Fazit
Wiederum ist an diesem Abend musikalisch nahezu alles perfekt. Doch beginnen die in den lyrischen Teilen oft recht statuarische Personenregie und die zuweilen nicht wirklich motiviert wirkenden Abweichungen von den Wagnerschen Regievorgaben ein wenig zu stören. Die Aktionen könnten pointierter ausgeführt sein. Die allgemeine Zurückhaltung in der Personenführung, die diese Produktion auszeichnet, wirkt angesichts der vielen experimentellen Inszenierungen von Wagners Ring wie eine Rückkehr zum Altbewährten, gerät aber dabei zuweilen leider ins Nichtssagende. Positiv gesprochen: Verglichen mit den meisten deutschen Wagner-Inszenierungen gibt es im Stockholmer Ring kaum etwas Störendes oder gar Verstörendes zu sehen.

Dr. Martin Knust

Bild: Mats Bäcker
Das Bild zeigt Michael Weinius (Siegmund) und Emma Vetter (Sieglinde).

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