von Giuseppe Verdi (1813-1901), Melodramma in drei Akten, Libretto: Francesco Maria Piave nach Victor Hugos Le Roi s’amuse, UA: 11. März 1851 Venedig, Teatro La Fenice
Regie: Dirk Löschner, Bühne/Kostüme: Christopher Melching, Dramaturgie: Stephanie Langenberg, Choreographie: Sabrina Sadowska
Dirigent: Golo Berg, Philharmonisches Orchester und Opernchor des Theaters Vorpommern, Choreinstudierung: Anna Töller
Solisten: Iago Ramos (Duca), Linda van Coppenhagen (Gilda), Thomas Rettensteiner (Rigoletto), Tye Maurice Thomas (Sparafucile), Doris Hädrich-Eichhorn (Maddalena), Christina Winkel (Giovanna), Alexandru Constantinescu (Marullo), Olaf Passa (Monterone), Johannes Richter (Borsa) u. a.
Besuchte Aufführung: 4. Mai 2013 (Premiere)
Duca, in dieser Inszenierung ein Stardesigner, lebt ein ausschweifendes Leben und verführt zahlreiche junge Frauen. Nach Auffassung des Bankers Monterone hatte dessen rücksichtsloser Lebensstil seiner Tochter das Leben gekostet. Ducas Mitarbeiter Rigoletto treibt Witze auf Kosten aller Kollegen und ist deshalb unbeliebt. Als er auch Monterone aufs Korn nimmt, verflucht dieser sowohl Duca als auch Rigoletto. Während Duca sich nicht weiter darum kümmert, ist Rigoletto beeindruckt. Aus Angst vor der Rache derer, die er vor den Kopf gestoßen hat, hält er seine Adresse geheim; er erzählt niemandem von seiner Tochter Gilda, sperrt sie ein und läßt sie von der Haushälterin bewachen. Dennoch verliebt sich Gilda in Duca und trifft sich mit ihm. Schließlich wird Rigoletto doch dabei beobachtet, wie er sich heimlich in sein eigenes Haus zu seiner Tochter schleicht. Seine Kollegen vermuten in Gilda seine Geliebte, entführen sie und bringen sie zu Duca. Rigoletto plant mit Sparafuciles Hilfe einen Mordanschlag auf Duca. Doch obwohl Gilda sieht, daß Duca sie betrügt, beschließt sie, sich zu opfern, um sein Leben zu retten. Zu spät bemerkt Rigoletto, daß er zum Mörder seiner eigenen Tochter geworden ist.
Aufführung
Dirk Löschner verlegt die Handlung aus Victor Hugos Versdrama in die schillernde Welt der Mode. Dementsprechend sind die Kostüme modern, ausgefallen, teilweise schrill. Rigoletto und Monterone tragen Schwarz, Duca Weiß. Im behüteten Heim ist Gilda unauffällig gekleidet, mit Strickjacke, Pantoffeln und hochgebundenen Haaren. In der Begegnung mit Duca wird sie stattdessen mit rot-weiß gepunktetem Minikleidchen und schicken Schuhen ausgestattet. Das Bühnenbild ist einfach gehalten – es besteht aus einigen Erhebungen mit geschwungenen, orangefarbenen Kanten. Ergänzt wird es gelegentlich durch hängende Stoffbahnen, eine Falltür im Boden oder stilisierte Schneiderpuppen. Den Hintergrund bilden, je nach Ort der Handlung, farbige Projektionen von Blasen wie in einer Lavalampe oder der Schattenriß einer Häuserfassade.
Sänger und Orchester
Die unangefochtenen Stars des Abends waren Linda van Coppenhagen (Gilda) und Thomas Rettensteiner (Rigoletto). Beide bestachen durch ihre glänzende schauspielerische Leistung und großartige Bühnenpräsenz. Linda van Coppenhagen bewältigte mit ihrem warmen, glockenklaren Sopran selbst die höchsten Höhen ohne jede Spur von Schärfe in der Stimme. Weil sie dazu mit ihrem jungen, fast kindlichen Aussehen und Auftreten so fantastisch in die Rolle paßte, verzieh man ihr gerne eine kleine Unsicherheit ausgerechnet in der Paradearie. Der lyrisch-klangvolle, facettenreiche Tenor von Iago Ramos (Duca) komplettierte das Trio der Hauptakteure auf ausgezeichnete Weise. Geradezu donnernd und zielsicher präsentiert sich Olaf Passa (Monterone) mit wuchtigem Klang. Gänsehaut erzeugten der geheimnisvolle, tiefe, dunkle Baß und der geschmeidige Auftritt von Tye Maurice Thomas (Sparafucile), souverän ergänzt durch den flexiblen Mezzo von Doris Hädrich-Eichhorn (Maddalena). Die reife, manchmal beinahe brüchige Stimme von Christina Winkel (Giovanna) bildete einen guten, der Rolle angemessenen Gegensatz zur jugendfixierten Modewelt.
Wie immer im Theater Vorpommern hat der Chor einen großen Anteil am Geschehen und füllt die kleineren Nebenrollen mit Einsatzfreude und viel schauspielerischem Geschick. Die Sänger nutzen Verdis teilweise spielerische Musik und die Choreographie von Sabrina Sadowska, um die dramatische Handlung mit lebensfroher Leichtigkeit zu kontrastieren.
Mit der Abstimmung zwischen Solisten, Chor und Orchester gab es an diesem Abend keinerlei Probleme. Zwar störten gelegentlich Intonationsprobleme in den Streichern den guten Gesamteindruck der Orchesterleistung, aber das dürfte den wenigsten Zuschauern aufgefallen sein – zu sehr zog das Geschehen auf der Bühne sie in den Bann.
Fazit
Ob man die Übertragung der Handlung in die Modeszene und die damit einhergehende Modernisierung des Stoffes braucht, sei dahingestellt; sie funktioniert jedenfalls, und sie stört nicht weiter. Letztendlich waren es aber andere Faktoren, die das Publikum im leider keineswegs vollbesetzten Greifswalder Theater zu Begeisterungsstürmen bewegten. Daß man uneingeschränkt allen Akteuren ihre Rollen glaubte, daß sie echt wirkten, und daß sie den Zuschauern die Handlung wirklich zu spüren gaben – das war wohl die größte und wichtigste Leistung des Ensembles an diesem Abend, die verdientermaßen mit Ovationen bedacht wurde.
Anna-Juliane Peetz-Ullman
Bild: Gunnar Lüsch/MuTphoto
Das Bild zeigt: Linda van Coppenhagen (Gilda), Thomas Rettensteiner (Rigoletto)