COSÌ FAN TUTTE – SO MACHEN ES ALLE FRAUEN – Bremen, Theater am Goetheplatz

von Wolfgang Amadeus Mozart (1756-1791), Commedia per musica in zwei Akten, Libretto: Lorenzo da Ponte, UA: 26. Januar 1790 Wien, Burgtheater

Regie: Laurant Chétouane, Bühne: Matthias Nebel/Laurant Chétouane, Kostüme: Sanna Dembowski, Dramaturgie: Sylvia Roth, Licht: Stefan Riccius

Dirigent: Clemens Heil, Bremer Philharmoniker; Chor: Daniel Mayr

Solisten: Nadine Lehner (Fiordiligi), Ulrike Mayer (Dorabella), Luis Olivares Sandoval (Ferrando), Martin Kronthaler (Guglielmo), Marysol Schalit (Despina), Christoph Heinrich (Don Alfonso)

Besuchte Aufführung: 5. Mai 2013 (Premiere )

Kurzinhalt

Zwei Offiziere, Ferrando und Guglielmo, wetten mit dem Philosophen Don Alfonso um die Standhaftigkeit der Treue ihrer beiden Bräute, Fiordiligi und Dorabella. Sie geben vor, in den Krieg ziehen zu müssen. Daraufhin sind die beiden Frauen untröstlich. Die Kammerzofe Despina meint, Männer seien solcher Gefühle nicht wert und zieht mit Don Alfonso im Hintergrund die Fäden. Die beiden Offiziere stellen sich als exotische Soldaten verkleidet den beiden Frauen vor und versuchen, die Braut des jeweils anderen zu verführen. Sie setzen sich so überzeugend ein, daß beide Frauen ihren Widerstand nach und nach aufgeben und sind sogar zu einer Doppelhochzeit bereit. Als Despina als Notar verkleidet die Eheverträge bringt, kündigt Don Alfonso die Rückkehr der beiden Soldaten an. Fiordiligi und Dorabella gestehen ihre Untreue, und die Männer decken das Verkleidungsspiel auf, Don Alfonso ruft zur Versöhnung.

Aufführung

Zu Beginn der Oper bot sich dem Publikum ein ungewöhnliches Bild, da der Orchesterboden  hoch-gefahren war, die Sänger im Orchesterraum standen und die Bremer Philharmoniker ihre Plätze einnahmen. Die Sänger bewegten sich häufig in der Nähe des Orchesters und im Zuschauerraum, den sie auch durch dessen Türen betraten. Sie standen auf Teilen einer zerhackten Balustrade, die vor dem Orchester auf der Erde lagen. Fünf riesige Ventilatoren nahm die Fläche der Bühne bis auf den Schluß ein. Es gab kein Bühnenbild und nur wenige Requisiten, der Vorhang fiel beim Aufdecken der Lüge herab.

Die im Anzug auftretenden Offiziere traten danach nicht verkleidet auf. Ihre Gesichter blieben dreckverschmiert gut zu erkennen. Ihre Bräute trugen aufwendige apricotfarbene Kleider, die sie im zweiten Akt mit Alltagskleidung austauschten. Zum Schluß erschienen sie tief verschleiert in Brautkleidern. Don Alfonso blieb im Rollkragenpullover. Despina – zunächst im schwarzen Kleid – wurde mit weißer Perücke und umgelegten Tüchern zum Arzt. Veränderungen in der Kleidung wurden meist auf offener Bühne vorgenommen.

Mimik und Gestik der Mitwirkenden standen im Widerspruch zu den im Libretto beschriebenen Gefühlen. Vielfach schauten sich die Sänger regungslos an, ließen ihren Blick wie entrückt ins Publikum schweifen, die Bewegungen wirkten verlangsamt.

Sänger und Orchester

Clemens Heil führte die Bremer Philharmoniker mit rhythmischer Präzision. Er interpretierte die jeweiligen Rezitative auf dem Hammerflügel flexibel und dynamisch bis hin zu einem kaum noch wahrnehmbaren pianissimo. Den Instrumentengruppen im Orchester gelangen ein schmelzender, warmer Klang sowie eine feine dynamische Abstimmung.

Aus den vielfältig vorhandenen Ensembles beeindruckte gleich das erste Terzett La mia dorabella – meine Dorabella ist dazu nicht fähig zwischen Luis Olivares Sandoval (Ferrando) und Martin Kronthaler (Guglielmo) und dem unbeeinflußbaren Christoph Heinrich (Don Alfonso) durch den übereinstimmenden Klang. Ebenso war das Terzett Soave sia il vento – sanft wehe der Wind zwischen Don Alfonso und den beiden Sopranistinnen Ulrike Mayer (Dorabella) und Nadine Lehner (Fiordiligi) ein Hörgenuß, und vermittelte gut die Wehmut, mit der sie ihre Geliebten auf dem Schiff fahren lassen mußten.

Christoph Heinrich (Don Alfonso) sang mit klangschönem Bariton, allerdings mangelte es ihm etwas an dem zu seiner Rolle gehörenden Zynismus und hintergründiger Schadenfreude. Marysol Schalit (Despina) war stimmlich gut präsent und als einzige ein wenig witzig, aber als Mitwirkende in Alfonsos Plänen zu wenig skrupellos. Ulrike Mayer (Dorabella) gab ihr Debüt im Bremer Ensemble. Nicht nur in der ein wenig verschmitzt wirkenden Arie il coro vi dono – mein Herz schenk ich euch, in der sie als erste der beiden Schwestern dem Drängen ihres Verführers erlag, umschmeichelte sie auch das Publikum mit  ihrem wunderbaren Sopran; gleichzeitig war sie für die wieder hervorragend singende Nadine Lehner (Fiordiligi) eine musikalisch souveräne und gleichwertige Leidensgenossin.

Fazit

Die von Szenenapplaus begleitete Aufführung endete mit langanhaltendem Beifall für die gelungene musikalische Umsetzung der Oper. Der Regisseur erntete ein vielfaches Buh zu seiner aussageschwachen Inszenierung. Das von Mozart und Da Ponte entwickelte gefährliches Spiel um Vertrauen und Verrat, das komödiantisch verpackte Ernste oder das Schweben zwischen Schein und Wirklichkeit – all das ließ sich Laurant Chétouane in seiner ersten Opern-inszenierung entgehen.

Carola Jakubowski

Bild: Jörg Landsberg

Das Bild zeigt: Hinten: Nadine Lehner (Fiordiligi) – Vorne: Martin Kronthaler (Guglielmo), Ulrike Mayer (Dorabella)

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