SIMON BOCCANEGRA – Erfurt, Theater

von Giuseppe Verdi (1813-1901), Melodrama in einem Prolog und drei Akten, Libretto: Arrigo Boito nach einem Theaterstück von Antonio García Gutiérrez, UA: 24. März 1881 Mailand, Teatro alla Scala (zweite Fassung)

Regie: Pamela Recinella, Bühne/Kostüme: Norman Heinrich

Dirigent: Samuel Bächli, Philharmonisches Orchester und Opernchor des Theaters Erfurt, Choreinstudierung: Andreas Ketelhut

Solisten: Kartal Karagedik (Simon Boccanegra), Ilia Papandreou (Amelia Grimaldi), Vazgen Ghazaryan (Jacopo Fiesco), Richard Carlucci (Gabriele Adorno), Mate Solyom-Nagy (Paolo Albini), Dario Süß (Pietro), u.a.

Besuchte Aufführung: 28. April 2013 (Premiere, halbszenisch)

Kurzinhalt

Während Simon Boccanegra vom Volk zum Dogen von Genua gewählt wird, erfährt er, daß seine Geliebte Maria, die Tochter des Patriziers Fiesco, gestorben ist. Ihre gemeinsame Tochter war vor langer Zeit entführt worden. Als Boccanegra im Namen Paolos, eines Günstlings des Dogen, um die Hand von Amelia Grimaldi anhält, erkennt er, daß sie seine Tochter ist. Amelia aber ist in Gabriele Adorno verliebt, der eine Verschwörung gegen den Dogen plant. Als Adorno erfährt, daß Boccanegra Amelias Vater ist, wechselt er die Seite und kämpft gegen die Verschwörer. Boccanegra versöhnt er sich mit Fiesco und bringt ihn mit seiner Enkelin Amelia zusammen. Doch Paolo, einer der Mitverschwörer, hat Boccanegra ein vergiftetes Getränk gegeben. Boccanegra segnet Adorno und Amalia als Paar und ernennt Adorno zum neuen Dogen. Doch der Gifttrank wirkt und er stirbt.

Aufführung

Das Orchester stapelt sich vom Orchestergraben bis zum Portal. Die Spielfläche dieser tiefstapelnd als semikonzertant angekündigten Produktion, erstreckt sich nur auf einer schmalen Fläche zwischen Rampe und Hinterbühne. Durch verschiedene Vorhänge (auch halbdurchsichtig oder Spiegelwand) wird der schmale Raum zur Hinterbühne immer wieder abgetrennt, durch Beleuchtungseffekte entstehen immer neue Bilder. Hinzu kommen noch Tribünen für den Thron des Dogen und die Parteien im Parlament. Durch die Verlagerung in die heutige Zeit werden durch die Kostüme Bezüge der Handlung zu den heutigen sozialen und politischen Gegebenheiten möglich: Konservative (Nobili) tragen dunkle Anzüge, Linke (Plebejer) legere Anzüge, das Volk agiert im Chor im Arbeitskittel oder Straßenkleidung, Carabinieri regeln die Gänge in Uniform und die Presse tritt mit Kamera auf.

Sänger und Orchester

Ein sicherlich unvergeßliches Ereignis für das Publikum ist der erste Auftritt des angehenden Ensemble-Mitgliedes Kartal Kragedik als Simon Boccanegra. Mit spielerischer Leichtigkeit meistert er alle Klippen dieser schwierigen Verdi-Partie. Verd.: Beim Boccanegra sind Stimme und Temperament nicht genug.  Kragedik verfügt auch im tieferen Bereich über gut fundierte Ressourcen, auch wenn er sich „nur“ als Bariton bezeichnet. Die Rolle des Fiesco gilt als fast genauso schwierig wie die Titelrolle. Vazgen Ghazaryan ist der volumenstarke Baß, um den bösen Gegenspieler des Boccanegra mit entsprechenden Farben zu gestalten, auch wenn ihm ein wenig das dämonische Timbre abgeht. Beliebt beim Publikum ist der technisch brillante Sopran von Ilia Papandreou als Amelia mit ihrer sehr sicheren Höhe und ihren glockenklar schönen Koloraturen. Richard Carlucci besitzt ein großvolumiger Tenor für das italienische Fach, arbeitet technisch gut in der Maske und kann die typischen großen Tonhöhensprünge gut gestalten. Ein wenig mehr Strahlkraft wäre aber schön für den Liebhaber Gabriele Adorno. Mate Solyom-Nagy  ist ein Spielbariton mit heldischem Glanz. Seine Erfahrung erlaubt ihm, auch die Tiefen der Rolle des Paolo Albini zu gestalten. Dario Süß, der Haus-Baß, zeigt sich gut  in der Nebenrolle des Pietro. Samuel Bächli gelingt es Orchester, Chor und Sänger, auch unter Zeitdruck, zu einer Verdi-würdigen, beispielhaften Einheit  zu verschmelzen. Bei ihm ist dieses selten gespielte Werk in den besten Händen und macht den Erfolg der gespielten zweiten Fassung von 1881 nachvollziehbar.

Fazit

Nur etwa 2.000 Euro soll diese Produktion gekostet haben, deren Ausstattung im Wesentlichen aus anderen Produktionen übernommen wurde. Auch die Probenzeit war zeitlich sehr beschränkt, und trotz (oder gerade wegen?) dieser Streßsituation gelingt es Pamela Recinella, sich auf die reine Darstellung der Handlung zu konzentrieren. Für Regieeinfälle bleibt keine Zeit – aber dank solider und geschickter Personenführung vermißt das kaum jemand. Die Darsteller können sich auf die Darstellung ihrer Rollen konzentrieren und Kartal Karagedik gelingt es, die schwierige Titelrolle beispielhaft umzusetzen. Das Publikum feiert die Produktion ausgiebig. mehr wert sind, als viele der üblichen Produktionen an deutschen Opernhäusern.

Oliver Hohlbach

Bild: Lutz Edelhoff

Das Bild zeigt: Ilia Papandreou (Amelia Grimaldi)

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