Agostino Steffani (1674-1728)
Cecilia Bartoli, Mezzosopran, Dirigent: Diego Fasolis, Orchester: I Barocchisti
Aufführung: 31. Mai 2013
Seit einer Reihe von Jahren stellt die Römerin Cecilia Bartoli jeweils in einem Konzeptabend einen mehr oder weniger vergessenen Komponisten des 17./18. Jahrhunderts mit all seinen Facetten vor. Sie begann 1999 mit Antonio Vivaldi, 2001 folgte Christoph Willibald Gluck, 2003 Antonio Salieri, Sacrificium (Kompositionen von Kastraten, Rezension OPERAPOINT I/2010, S. 52) usw. Seit Herbst 2012 ist sie mit dem italienischen Komponisten Agostino Steffani unterwegs und interpretiert unter dem Titel Mission Gesangswerke aus dessen Opern.
Ein solches Konzert besuchte OPERAPOINT in Essen. Der Titel Mission soll an Steffanis Leben als Diplomat verschiedener Fürstenhäuser in Deutschland erinnern. Denn das Komponieren erledigte Agostino Steffani als umtriebiger Diplomat so „nebenbei“. Durchweg Opernausschnitte dieses Komponisten, den Cecilia Bartoli für einen der bedeutendsten Komponisten zwischen Monteverdi und Vivaldi hält, standen auf dem Konzertprogramm.
Aufführung
Das Orchester I Barocchisti spielte stehend unter Diego Fasolis, der im schwarzen Gehrock mit ausladenden Bewegungen von Händen und Armen das Tempo oder das Schneller und Langsamerwerden (accelerando/ritardando) sichtbar machte. Eröffnet wurde das Konzert stilgerecht mit einer französischen Ouvertüre zu Henrico Leone (1689) des vielgereisten Italieners Steffani, der sich auch in der Komponierweise eines Jean-Baptiste Lully genau auskannte. Die Barocchisti zeigten schon hier eine eindrucksvolle Präzision, die sie über den ganzen Konzertverlauf beibehielten. Wirkungsvoll waren ihre auf den Punkt genauen Crescendi und Decrescendi. Großer Applaus.
Dieser steigerte sich noch, als La Bartoli in langem, schulterfreiem, türkisfarbenem Kleid auftrat. In den Händen hielt sie ein Schellen-Tamburin, eines schon von den Ägyptern benutzten Instruments. Aufmunternd blickte La Gioiosa (Die Fröhliche) auf die Musizierenden, dann ins große Rund der Zuschauer und begann mit einer Arie des Alarich aus der Oper Ararico di Baltha, die mit den Worten beginnt: Unbesiegbare Krieger, zögert nicht, auf, eilt zum Beutezug. Ihre überschnellen Koloraturen und dazu ihre triumphierenden Gesten deuteten an, wie auch sie sich anschickte, das Publikum zu besiegen.
Hilfreich war, daß man im Programmheft (für nur ein Euro!) die Texte in Italienisch und Deutsch mitlesen konnte, da der Saal nur halb abgedunkelt war.
Ganz in der Dramaturgie der Kontraste folgte aus Tasilone eine äußerst ruhige Arie: Meine Braut, ich werde ohnmächtig … und deiner Treue sicher, sterbe ich glücklich. Unendlich lang angehaltene Tonlinien der Oboe untermalte die resignative Ruhe eindrucksvoll. Hier war die Künstlerin in ihrem Element: ihre Mezza di voce (halbe Stimme) war keineswegs ein halbes oder gedämpftes Forte, sondern ein leuchtendes Piano von großer Klangfülle, das mit einem Triller mit kleinsten Ausschlägen endete. Noch deutlicher kam ihre expressive Intensität und sanften Pianissimi bei der Arie der Niobe aus der gleichnamigen Oper: Liebe mich, und du wirst sehen, daß Amor keine Pfeile mehr hat, er schoß sie alle für dich in meine Brust zur Geltung. Die subtilen Gesangslinien drangen direkt ins Ohr, da nur eine Theorbe begleitete. Hier konnte Cecilia Bartoli vollkommen „ungestört“ ihren mild-süßen Gesangs darstellen.
Ihre unüberbietbare Bühnenpersönlichkeit kam dann in einer Arie zum Ausdruck, die sozusagen das Einschlafen darstellte. Und tatsächlich gähnte sie herzergreifend und – als Zeichen des Einschlummerns – streckte sie starr ihre Arme vom Körper weg als läge sie auf einer Couch. Das Publikum verstand alles und unterdrückte ein Lachen. Der Schlußgesang Der heitere Lärm der Bläser aus Arminio (1707) war ein Feuerwerk aus Trompetensolo mit dazu abwechselnden schnellen Koloraturen. Ein Lob auch dem Trompetenspieler, der keinen Ton auf seiner ventillosen Trompete „verpatzte“! Dieses Um die Wette Singen wie es früher die Kastraten taten und zum Entzücken der damaligen Zuhörer führte, wiederholte Cecilia Bartoli kunstgerecht.
Schließlich gab es vier (!) Zugaben, die frenetisch beklatscht wurden. Eine davon war die berühmte Händel-Arie aus dem Oratorium Il Trionfo del Tempo e del Disinganno – Lascia la spina, coglie la rosa – laß die Dornen, pflücke die Rose. I Barocchisti und La Bartoli zeigten hier eine Einheit von Orchesterbegleitung und Stimme, wie sie wohl selten vorkommt. Dabei hatte man manchmal das Gefühl, als bliebe die Musik regelrecht stehen, so verlangsamt wurde das Tempo. Außerordentlich!
Zum Schluß noch eine Anmerkung: CD-Rezension Mission OPERAPOINT (I/2013, S. 40)
Dr. Olaf Zenner
Bild: Sven Lorenz
Das Bild zeigt: I Barocchisti mit Diego Fasolis und Cecilia Bartoli bei ihrem ersten Auftreten