von Richard Strauss (1864-1949), Oper in einem Aufzug nebst einem Vorspiel, Libretto: Hugo von Hofmannsthal, UA: erste Fassung: 25. Oktober 1912, Hoftheater Stuttgart, zweite Fassung: 4. Oktober 1916 Wien, Hofoper
Regie Jossi Wieler/Sergio Morabito, Bühne/Kostüme: Anna Viebrock
Dirigent: Michael Schønwandt, Staatsorchester Stuttgart
Solisten: Andre Jung (Haushofmeister), Karl-Friedrich Dürr (Musiklehrer), Sophie Marilley (Komponist), Erin Caves (Tenor/Bacchus), Ana Durlovski (Zerbinetta), Christiane Iven (Primadonna/Ariadne), Andre Morsch (Harlekin), Heinz Göhrig (Scaramuccio), Roland Bracht (Truffaldino), Torsten Hofmann (Brighella), Yuko Kakuta (Najade), Lindsay Ammann (Dryade), Maria Koryagova (Echo), Ewandro Cruz-Stenzowski (Offizier), Daniel Kluge (Tanzmeister), Daehyun Ahn (Perückenmacher), Adam Cioffari (Lakai)
Besuchte Aufführung: 20. Mai 2013 (Premiere)
Sicherlich hat eine Hundertjahrfeier der Ariadne-Premiere an ihrem Uraufführungsort einen gewissen Reiz, noch dazu, daß man die Oper Ariadne mit vielen Details, die man Anhand alter Postkarten nachvollziehen kann, an ihrem Entstehungsort (kleines Haus des königlichen Hoftheaters) und in Kostümen der Entstehungszeit (Jugendstil) ausgestattet hat. Während 1912 Ariadne zusammen mit Molieres Der Bürger als Edelmann (in einer Bearbeitung von Hofmannsthal und Strauß) gespielt wurde, spielt man hier das 1916 hinzugekommene Vorspiel als zweiten Teil. Obwohl die Entstehungsgeschichte erst hinterher zu erzählen doch einige chronologische Fragen aufwirft – zumal man die Handlung des Vorspiels in die heutige Zeit verlegt, funktioniert die Vorgeschichte als Parabel auf den heutigen Opernbetrieb und die Schlußworte des Komponisten auf die Stellung der Oper.
Kurzinhalt
Die Oper(normalerweise der zweite Teil) erzählt die Geschichte der Ariadne wie sie von ihrem Verlobten Theseus auf Naxos zurückgelassen wurde. In unendlicher Trauer über ihr Schicksal ersehnt sie sich den Tod. Zerbinetta und ihre Truppe versuchen erfolglos, durch Tanz und Gesang Ariadne zu trösten und abzulenken. Als unerwartet der Gott Bacchus auf der Insel ankommt, hält Ariadne ihn zunächst für den Todesboten und folgt ihm auf sein Schiff.
Im Vorspiel (das hier ein Endspiel ist) erfährt das Publikum, daß anläßlich eines rauschenden Festes eines reichen Wieners die neue Opera seria „Ariadne auf Naxos“ eines talentierten, jungen Komponisten uraufgeführt werden soll. Zusätzlich wünscht der Gastgeber eine komische Tanzeinlage mit Gesang durch eine Commedia-dell’arte-Truppe. Unerwartet wird die festgelegte Programmfolge umgestoßen, und der reiche Herr verlangt die Zusammenlegung von ernster Oper und Komödie. Der Komponist fühlt sich in seiner künstlerischen Freiheit beschnitten, aber Zerbinetta, Star der Komödianten, kann ihn beschwichtigen.
Aufführung
Der Ort der Handlung ist in diesem Fall dem – leider nicht mehr vorhandenen – Foyer des kleinen Hauses des königlichen Hoftheaters in Stuttgart nachempfunden. Auch die farbenfrohen Jugendstil-Kostüme – vor allem der Commedia-dell’arte-Truppe – passen zur Entstehungszeit. Für das sich anschließende Vorspiel verwandelt sich die Bühne in einen heutigen Probenraum der Staatsoper, gefüllt mit Menschen in aktueller Alltagskleidung. Aus dem großen Panoramafenster fällt der Blick auf den Verkehr auf der Konrad-Adenauer- Straße und die Staatsgalerie Stuttgart. Auf Kunststoffstühlen streiten sich alle Akteure mit dem Haushofmeister um ihre Rollen und um die Rolle der Kunst in der heutigen Gesellschaft.
Sänger und Orchester
Richard Strauss hat die Ansprüche hinsichtlich der Hauptrollen hier sehr hoch gesetzt. Das erkennt man deutlich an Zerbinettas Rondo-Arie Großmächtige Prinzessin und Kommt ein neuer Gott gegangen. Ana Durlovski bekommt zwar Szenenapplaus, aber die schwierigen Koloraturen stemmt sie nur mit Kraft und wenig Geläufigkeit. Die Geläufigkeit könnte sich im Laufe der Zeit mit dieser Rolle einstellen. Ansonsten weiß ihr schwerer Sopran mit einem klaren Klang zu überzeugen. Da kann Christiane Iven als Ariadne mithalten, ihre Koloraturen gelingen genauer, obwohl sie etwas zurückhaltender agiert und auch weniger Klangfülle verbreitet. Über ausreichend Schönklang wiederum verfügt Sophie Marilley. Ihr glockenklarer und sehr gelenkiger Sopran bringt ihr viel Aufmerksamkeit als Komponist ein. Als ihr Musiklehrer erfüllt Karl-Friedrich Dürr unauffällig alle Erwartungen, hingegen Erin Caves als Bacchus mit seinen Circe-Rufen alle „von den Sitzen reißt“. Mit viel Strahlglanz, Stehvermögen und sauberer Gesangstechnik ist er ein echter Heldentenor. Unter den Nebenrollen ist vor allem Andre Morsch als Harlekin zu nennen, der das Ziel seines Sehnens und Bangens (Zerbinetta) ausdrucksstark umgarnt.
Vater dieser erfolgreichen Produktion ist ohne Zweifel Michael Schønwandt, der das Staatsorchester Stuttgart erfolgreich zu einem Strauss-Orchester geformt hat – auch wenn die weichen harmonischen Übergänge manchmal noch etwas eckig klingen. Dafür bettet er die Sänger so harmonisch in den Strauss-Klangkörper ein, daß die Stimmen das Orchester überstrahlen können und fast immer verständlich sind.
Fazit
Am Ende stürmischer Applaus für alle Beteiligten.
Oliver Hohlbach
Bild: A.T. Schaefer
Das Bild zeigt: Christiane Iven (Primadonna/Ariadne), Ana Durlovski (Zerbinetta), André Morsch (Harlekin)