von Kurt Weill (1900-1950), Oper in drei Akten, Libretto: Bertolt Brecht, UA: 1930 Leipzig, Neues Theater
Regie: Tom Ryser, Bühne/ Kostüme: Stefan Rieckhoff, Dramaturgie: Heiko Voss, Licht: Markus Bönzli, Dirigent: Johannes Knapp, Orchester: Philharmonisches Orchester Freiburg, Opernchor des Theater Freiburg
Solisten: Anja Jung (Begbick), Christoph Waltle (Fatty), Neal Schwantes (Dreieinigkeitsmoses), Aleksandra Zamojska (Jenny), Roberto Gionfriddo (Jim Mahoney), Fausto Reinhart (Jack O’Brien & Toby Higgins), Alejandro Lárraga Schleske (Bill), Frank Schneiders (Joe), Melanie Lüninghöner (Schauspielerin), Julia Vogelsänger (Pianistin)Besuchte Aufführung: 8. Juni 2013 (Premiere)
Die Gauner Begbick, Dreieinigkeitsmoses und Fatty gründen nach einer Panne mitten im Nirgendwo die Stadt Mahagonny, um den Goldgräbern, die auf dem Weg zur Küste sind, ihr Geld abzunehmen. Als nach einigen Prostituierten auch die Holzfäller Jim, Jack, Bill und Joe dort eintreffen, gerät Leben in die Stadt. Jim ist mit den Verboten in der Stadt unzufrieden. Nachdem ein Tornado die Stadt verschont, folgen alle Jims neuer Devise: Du darfst. Jack frißt sich zu Tode, Joe wird von Dreieinigkeitsmoses im Boxkampf erschlagen und Jim wird gesetzlich hingerichtet, weil er nach einem Besäufnis seine Rechnung nicht bezahlen kann und niemand für ihn einspringen will. Am Schluß herrscht in Mahagonny das Chaos
Aufführung
Die Inszenierung geht keine besonderen Wagnisse ein: Als Bühnenteiler dient der an einer Leine aufgehängte, als solcher kenntlich gemachte ‚Brecht-Vorhang‘ mit der Aufschrift Mahagonny. Das über alle Akte hinweg gleiche Standardbühnenbild besteht in einer dunklen ruinenhaften Häuserfassade, hinter der mal der Mond von Alabama und dann wieder die Sterne zu sehen sind. Die Prostituierten erscheinen als Stewardessen gekleidet – gleichsam als Servicepersonal der vergnügungssüchtigen Gesellschaft –, die Männer im Musiktheater-Standarddress mit Hosenträger und Anzug. Überhaupt ist von der ursprünglichen Skandalträchtigkeit des Stücks wenig zu sehen. Der naziähnliche Fackelzug am Schluß steht in Reih und Glied, die restlichen Massenszenen spulen sich ähnlich geordnet ab. Anstatt der drei Kälber verspeist Jack Kinder, die nach seinem Tod wieder aus seinem Bauch heraus schlüpfen. Ansonsten wird viel mit Pappe und Konfetti gearbeitet.
Sänger und Orchester
Was auf der Bühne an Anarchie und Witz fehlt, gleicht das von Beginn an hitzig aufspielende Philharmonische Orchester Freiburg unter Johannes Knapp im Orchestergraben wieder aus. So viel gekonnt in Szene gesetztes Geschrammel, Getöse, Gejazze und Gerummse hört man selten. Besonders hervor taten sich das präzise, markant schrill zu Werke gehende Blech sowie die zusätzlichen Saiteninstrumente in Form von Baßgitarre oder Banjo. Anja Jung als Stewardess-Puffmutter Begbick verleiht dem Ensemble mit ihrem strengen Alt das Quentchen traditioneller Oper. Roberto Gionfriddos Jim Mahoney ist an diesem Abend in seiner adäquaten Schrägheit vokal vielleicht eine Spur zu gepreßt, was sich in seinem großen Solo nach seiner Verhaftung bemerkbar macht. Aleksandra Zamojskas (Jenny) gelingen viele schöne Töne, schauspielerisch bleibt sie hinter der Vielseitigkeit ihrer Figur etwas zurück. Melanie Lüninghöners (Erzählerin) darf sich am Ende sogar als (machtloser) Gott zu erkennen geben, während Fausto Reinhart stimmlich schwach bleibt, darstellerisch aber in einer Doppelrolle auftrumpfen darf. Christoph Waltle als Fatty und Neal Schwantes als Dreieinigkeitsmoses gehören zu den Leistungsträgern des Abends.
Fazit
Die Freiburger Premiere von Weills Oper wirkte trotz gewohnt großen Schlußapplauses über weite Strecken eher wie eine Pflichtveranstaltung, sieht man vom herausragenden Orchester ab. Das kritisch-anarchische Potential von Brechts Text wurde auf der Bühne nur ansatzweise umgesetzt. So geriet Mahagonny zu dem, was es laut Brecht eigentlich nicht sein sollte, zur bloßen ‚Abendunterhaltung‘, bei der die Frage offen bleibt, warum man das Stück überhaupt noch spielt.
Aaron Sayed
Bild: Maurice Korbel
Das Bild zeigt: Anja Jung, Roberto Gionfriddo, Aleksandra Zamojska und Chor