von Giuseppe Verdi (1813-1901), Oper in vier Akten, Libretto: Andrea Maffei nach Friedrich Schillers Die Räuber, UA: 22. Juli 1847 London, Her Majesty’s Theatre
Regie: Dietrich W. Hilsdorf, Bühne/Kostüme: Johannes Leiacker, Dramaturgie: Norbert Grote
Dirigent: Srboljub Dinic, Essener Philharmoniker, Choreinstudierung Alexander Eberle
Solisten: Marcel Rosca (Maximilian, Graf von Moor), Zurab Zurabishvili (Karl), Aris Argiris (Franz), Liana Aleksanyan (Amalia, eine Waise, Nichte des Grafen), Rainer Maria Röhr (Arminio), Marcel Rosca (Pfarrer Moser), René Aguilar (Rolla, Gefährte Karls)
Besuchte Aufführung: 8. Juni 2013 (Premiere)
Durch Intrige von Franz erreicht er, daß sein älterer Bruder Karl aus dem Schluß vertrieben wird. Karl schließt sich einer Räubertruppe an. Als im Auftrag von Franz sein Diener Arminio dem Vater mitteilt, Karl sei im Kampf gefallen, fällt dieser in Ohnmacht. Alle halten ihn für tot, doch Franz kerkert ihn im Schloßkeller ein. Danach will er Amalia zwingen, ihn zu heiraten, was sie entschieden ablehnt. Sie flieht in die Wälder und trifft auf Karl mit seiner Bande. Karl begibt sich zum Schloß, wo er seinen Vater findet. Doch Franz kann der Räuberbande entgehen. Karl sieht sich außerstande, sich von der Räuberbande zu trennen und bringt lieber Amalia um, damit diese nicht sein Leben als Räuberhauptmann mit ihm teilen muß.
Aufführung
Man sieht rechts, links und in der Mitte rechtwinklig zueinander geordnete Treppenstufen aus schwarzem Marmor, die einen Platz umranden. Auf der linken Seite führen die breiten Treppen zu einer hohen Tür. Die Wand auf dem rechten Treppenabsatz ist mit Säulen gegliedert. In Bühnenmitte befindet sich ein Schreibtisch, und um diesen Schreibtisch wird die Handlung des ersten und zweiten Akts vollzogen: die Räuberschenke, das Schloßinnere mit Salon und Schlafzimmer, im zweiten Akt: Stehtische mit Computer, der Boden ist übersät mit weggeworfenem Papier. Kein Böhmerwald mit Blick auf Prag, das die Räuber brandschatzen und wovon sie frohlockend berichten, wie im Libretto angegeben. In den beiden letzten Akten bleibt alles in der Börse mit weiterflimmernden Computern.
Sänger und Orchester
Die ausgedehnte, auffallend schöne Kantilene im Preludio (Ouvertüre) – Verdi schrieb sie für seinen Freund Alfredo Piatti, der bei der Uraufführung der Oper im Orchester von Her Majesty’s Theatre Dienst tat – gestaltet der Violoncellist voll im Ausdruck. Vielleicht wird das Tempo ein wenig zu langsam genommen, aber das ist womöglich Geschmackssache. Der lange Schlußtriller kommt jedenfalls sehr tonschön.
Mit großem Elan setzt Zurab Zurabishvili (Karl) seinen starken Tenor ein. Es fehlt nur die nötige Dynamik, denn er singt fast immer forte und markiert zu viele Schluchzer. Zudem sind seine Spitzentöne meist gepreßt und die Koloraturen in seine Auftrittsarie O mio paterno castello – o, mein väterliches Schloß wenig ausgesungen. Doch in den schnellen Gesangspartien weiß er die Zuhörer mitzureißen, die nicht mit Applaus sparen. Sein Gegenspieler ist Aris Argiris (Franz), ausgestattet mit einem Bariton, der womöglich noch voluminöser als der von Zurab Zurabishvili ist. Doch auch er bleibt in der Dynamik seiner Darstellung zu gleichmäßig und expressive Kontraste finden sich wenig. Doch Marcel Rosca (Maximilian) entschädigt für vieles: seine wohltönende Baßstimme hat viel Klang, und er weiß, wie man sie geschickt einsetzt. Selbst in tiefliegender Stimmführung sind die Töne rund und weich. Bewundernswert gestaltet er seine Arie: Carlo io muoio ed, ahi – Carol ich sterbe und wehe! Ein ausgezeichneter Verdi-Baß! Die dann zum Duett erweiterte Arie singen er und Liana Aleksanyan (Amalia) mit Inbrunst und schöner Einheitlichkeit. Der Schlußtriller von Liana Aleksanyan kommt klar und wohlgeordnet, ihre Stimme hat viel lyrischen Schmelz. Dagegen sind ihre Koloraturen, besonders in der Arie, in der sie ihrer Freude, daß Carlo lebt, Ausdruck verleiht, ziemlich wenig konturiert, häufig sogar verwischt. Die vielen Triller, die besonders ihre Stimmung wiedergeben sollen, sind kaum zu vernehmen. Schon in ihrer Auftrittsarie singt sie im Anblick des Grafen mit leuchtendem Sopran: Lo sguardo avea degli angeli – sein Gesicht hatte das Lächeln der Engel. Dabei machen sich aber oft Intonationstrübungen in den Spitzentönen bemerkbar, etwas, was leider den ganzen Opernverlauf über bestehenbleibt. Hinzu kommt, daß in dieser Arie ihre Dreiklangsaufschwünge noch durch Orchesterinstrumente zugedeckt werden. Doch sie erntet viel Applaus.
Fazit
Hilsdorfs Verlagerung der Handlung in einen Börsensaal – nicht gerade originell, da schon oft verwandt – ergab viele Ungereimtheiten: so las man in der Übertitelung bei der in den Börsensaal hineinstürzenden Amalia: Unbekannt in dieser Einsamkeit und von Carlo vernahm man: Wie herrlich und großartig ist der Sonnenuntergang und das in einem fensterlosen Raum! Fehlte daher der Text des Librettos im Programmheft? Und ganz unverständlich war, daß man das Finale des zweiten Akts auf den Anfang des dritten Akts verlegt hatte.
Dr. Olaf Zenner
Bild: Thilo Beu
Das Bild zeigt: Zurab Zurabishvili (Karl) vorne, hinter der Stuhllehne: Marcel Rosca (Maximilian), dahinter die „Räuber“ im Börsensaal