von Giuseppe Verdi (1813-1901), Oper in fünf Akten, Libretto: Eugène Scribe und Charles Duveyrier nach ihrem Libretto Le Duc d‘Albe (1839), UA: 13. Juni 1855 Paris, Opéra, Salle de la rue Le Peletier
Regie: Jens-Daniel Herzog, Bühnen/Kostüme: Mathis Neidhardt, Licht: Olaf Winter, Dramaturgie: Norbert Abels,
Dirigent: Pablo Heras-Casado, Frankfurter Opern- und Museumsorchester und Chor, Einstudierung: Matthias Köhler
Solisten: Quinn Kelsey (Guy de Montfort), Bálint Szabó (Sire de Béthune), Jonathan Beyer (Graf von Vaudemont) Alfred Kim (Henri, junger Sizilianer), Raymond Aceto (Jean Procida), Elza van den Heever (Herzogin Hélène) u.a.
Besuchte Aufführung: 16. Juni 2013, Premiere (Frankfurter Erstaufführung der originalen französischen Fassung)
Guy de Montfort, Chef der französischen Fremdherrschaft (1282), läßt Hélènes Bruder ermorden. Der junge Sizilianer Henri liebt Hélène. Procida, landet mit dem Boot nach langjährigem Exil in der Nähe Palermos. Er schickt sich an, die Franzosen zu vertreiben. Hélène will Rache für ihren Bruder. Henris Vater ist Guy de Montfort, der dies Henri mitteilt. Guy ist erfüllt von Sohnesliebe. Auf einem Maskenball im Palast wollen Hélène und Procida den Herzog ermorden. Henri verrät die Verschwörung und alle werden zum Tode verurteilt. Erst als Henri sich öffentlich als Sohn Montforts ausgibt, werden die Verschwörer begnadigt. Doch der Aufstand gegen die Franzosen bricht beim Heiratsgeläut los. Damit endet Oper, bevor man erfährt, ob Henri und Hélène im Gemetzel umkommen.
Aufführung
Zu Anfang eine Minute völlige Dunkelheit – auch im Orchestergraben. Eine Straße vor einem Haus wird sichtbar. Durch Genickschuß wird ein Mann auf dem Trottoire vor der Hauswand ermordet und beiseite geschafft. Die dreistöckige Hausfassade steht im spitzen Winkel zum Betrachter, davor eine Peitschenlaterne. Um das ganze Haus läuft ein Trottoire. Später wird das Haus gedreht und die rechte Front wird sichtbar. Dabei wird die zweite Laterne erhellt. An der Hauswand steht ein brauner Holztisch, eine Tischlampe darauf. Weiter dreht sich das Haus, und man erblickt eine hellerleuchtete Halle. Zwei eckige Sessel stehen sich gegenüber und rechts und links führen zwei Treppen zu einer Galerie, die Hinterwand füllt eine Flügeltür aus.
Die Sizilianer sind salopp schwarz, die Franzosen in hellen Anzügen gekleidet. Procida erscheint im braunen Anzug mit Krawatte, Guy de Montfort im Straßenanzug, später trägt er einen weißen Dinnerjacket. Henri und Hélène zeigen sich in schwarzer (Ulrike Meinhof/Andreas Baader?), zur Hochzeit (Opernende) trägt er Smoking und sie ein weißes Brautkleid mit Schleier.
Sänger und Orchester
Nach der Hinrichtung eines Mannes beginnt Verdis Ouvertüre. Der junge, spanische Dirigent Pablo Heras-Casado zeigt präzise den schnellen Wechsel von Streicher und Pauke. Während des gesamten Opernverlaufs bleibt sein Dirigat zügig und elastisch. Einzig die Lautstärke zu zügeln, gelingt nicht immer.
Schon im Eröffnungschor ist die hohe Qualität des Chors bemerkbar. Hier fällt besonders das genaue Wechselspiel von Männer- und Frauenchor auf. Die rhythmische Genauigkeit bleibt auch hier bis ans Opernende erhalten. Raymond Acetos (Jean Procida) fülliger Baß schwingt sich meist mit Erfolg in die Höhenlage Et toi, Palermo – du Palermo, die Schöne, die man kränkt (Auftrittsarie, 2. Akt). Die Tiefe wird gut abgefedert, die Höhe deutlich prononciert. Auch hier erfolgen die Choreinsätze punktgenau.
Elza van den Heever (Herzogin Hélène) singt mit großer Inbrunst am „Grab“ ihres Bruders auf der Straße, wo Blumen und Kerzen hingestellt sind: Près du tombeau – so nah dem Grab. Ihre Stimme ist dabei von eindringlicher Sanftheit, unterstützt vom wiegenden Sechsachteltakt der Streicher. Mit expressivem Ton antwortet ihr Alfred Kim (Henri).
Bei Quinn Kelsey (Guy de Montfort) stutzt man, wo gab es in letzter Zeit einen so sonoren, wohlklingenden Verdi-Bariton? Seine Auftrittsarie Au sein de la puissance – inmitten der Macht gestaltet er mit vollkommenem Legato seiner lyrischen Stimme. Ungezwungen werden die hohen Töne erreicht bei nuancenreicher Dynamik und genauem rhythmischem Fluß. Die Stimme ist äußerst gut fokussiert und hat daher eine große Tragweite.
Alfred Kims Arie O jour de peine – Tag der Qual beachtet kaum den Wechsel laut-leise, die Höhen werden nur mit Mühe erreicht. Elza van den Heevers Merci, jeunes filles – danke, junge Freundinnen beim Hochzeitsfest legt die Sopranistin mit Eleganz hin.
Fazit
Vom Regisseur in eine Verismo-Oper gezwungen, wurde Verdis Grand Opéra hingerichtet. Ebenso Henri und Hélène mit Genickschuß. Großer Applaus für alles.
Dr. Olaf Zenner
Bild: Thilo Beu
Das Bild zeigt: Alfred Kim (Henri) und Quinn Kelsey (Guy de Montfort), Alfred Kim fuchtelt nicht nur hier mit dem Revolver herum.