von Georg Friedrich Händel (1685-1759), Singspiel in drei Akten, Libretto: Friedrich Christian Feustking, nach Giulio Pancieris‘ Dramma per musica LʾAlmira. UA: 8. Januar 1705 Hamburg, Theater am Gänsemarkt
Regie: Axel Köhler, Bühne: Frank Philipp Schlößmann, Kostüme: Katharina Weißenborn, Dramaturgie: André Meyer
Dirigent: Andreas Spering, Orchester: Händelfestspielorchester Halle, Choreinstudierung: Jens Petereit, Mitglieder des Chores der Oper Halle
Solisten: Ines Lex (Almira), Yeree Suh (Edilia), Roland Schubert (Consalvo), Christian Zenker (Osman), Michael Smallwood (Fernando), Melanie Hirsch (Bellante), Ki-Hyun Park (Raymondo), Björn Christian Kuhn (Tabarco), Rafal Zeh (Amor)
Besuchte Aufführung: 21. Juni 2013 (Premiere)
Kurzinhalt
An ihrem 20. Geburtstag tritt Almira von Kastilien die Thronfolge ihres verstorbenen Vaters an. Sie ernennt ihren Vormund Consalvo zum Ersten Minister, seinen Sohn Osmin zum militärischen Oberbefehlshaber und ihre heimliche Liebe Fernando zum Privatsekretär. Ihr Vater hat testamentarisch verfügt, einen Mann aus Consalvos Geschlecht zu heiraten. Damit beginnt das Verwirr- und Intrigenspiel. Fernando, scheinbar bürgerlicher Herkunft, ist nicht standesgemäß, Osmin verläßt für die Aussicht auf den Thron Edilia, die Schwester der Königin, und auch sein verwitweter Vater Consalvo bewirbt sich. Als weiterer Freier kommt Raymondo, König von Mauretanien, dazu. Almira deutet die Zuneigung Fernandos miß und fürchtet, er liebe ihre Schwester. Edilia versucht den geliebten Osmin mit Fernando eifersüchtig zu machen. Auch Prinzessin Bellante liebt Osmin. Mithilfe Amors löst sich am Ende alles auf, und drei Paare finden in Liebe zusammen.
Aufführung
Die Drehbühne hat drei Kulissen: den Saal eines Königspalastes, der sich zum Publikum hin öffnet; in der Mitte eine Krone, die zunächst als Thron, später als Gefängnis dient. Das zweite Szenenbild führt in den Palastgarten mit Amor-Brunnen, Orangenbäumchen und Birken(?), die vielleicht auf Händels voritalienisches Opernschaffen in Hamburg verweisen. Schließlich das Zimmer Fernandos, drapiert in königsblaue Wände mit roten Herzen. In der Mitte ein Sekretär, umgeben von ungeordneten Aktenbergen. Die Kostüme von Katharina Weißenborn reichen von der barocken Robe aus Händels Zeiten bis zum heutigen Abendkleid. Die junge Königin wird von der Last ihrer Königsrobe erdrückt, die jüngere Schwester Edilia verführt im goldenen Trägerkleidchen, Osmin agiert leger, mit losen Manschetten und aufgeknöpftem Hemd, Fernando, im Schreibstubenanzug mit Brille.
Sänger und Orchester
Auf historischen Instrumenten spielte das Händelfestspielorchester Halle unter Leitung von Andreas Spering mit hoher Dynamik und mitreißend frechem Tempo. Besonders überzeugend war das Accompagnement von Katrin Wittrisch an Cembalo und Orgel, Dirigent Spering am Cembalo, den Violoncellisten, Laute und Theorbe, die sich sensibel den Gesangssolisten anzupassen wußten. Einzig bei den Holzbläsern war die Interaktion mit dem Ensemble nicht immer stimmig und klanglich nicht ganz sauber.
Als Sänger ersten Ranges erwies sich der Bassist Roland Schubert (Consalvo). In dem ansonsten sehr jungen Sängerensemble stach der in den Tiefen klare, raumgreifende Baß heraus. Mit viel Komik und darstellerischer Finesse verkörperte er die Figur des Vormunds. Ines Lex (Almira) sang ihre Partie mit frischer, brillanter Sopranstimme. Die Koloraturen meisterte sie technisch sauber und mit musikalischer Expression, besonders überzeugend in Kochet ihr Adern entzündete Rache. Die junge Sängerin spielte die Figur der verliebten Königin kindlich-charmant und hat gesanglich sicher noch viel Potential. Charismatischer in der dramatischen Gestaltung, als in der stimmlich-klanglichen Nuancierung gestaltete Yeree Suh (Edilia) die Rolle der Abgewiesenen zwischen Hysterie und Verletzlichkeit. Furios, mit pulsierender dynamischer Phrasierung, in der Arie Proverai di che fiera saetta – Du wirst sehen, wie mit giftigen Pfeilen ein betrogenes Weib sich verteidigt und zerbrechlich in Quillt, ihr überhäuften Zähren, gebet meinem Herzen Luft. Sprachlich idiomatisch intonierte sie sowohl die deutschen wie auch italienischen Parts deutlich und klar verständlich. Gleiches gilt für den koreanischen Baß Ki-Hyun Park (Raymondo), der seine Partie kraftvoll und technisch einwandfrei über die Bühne brachte. Für eine späte gesangliche Überraschung sorgte der Auftritt der Nebenbuhlerin Edilias, Melanie Hirsch (Prinzessin Bellante). Mit technisch ausgereiftem, farblich und klanglich wohl gestaltetem Sopran überzeugte sie in der Auftrittsarie Der Mund spricht zwar gezwungen: Nein, Das Herz freiwillig: Ja. Dahinter blieben die Tenöre in ihrer stimmlichen Präsenz etwas zurück. Michael Smallwood (Fernando) präsentierte den introvertierten Liebhaber mit wohlklingender, aber sehr kontrollierter Stimme. Für das barocke Fach und die Koloraturen dieser Hauptrolle fehlte es dem Tenor an technischer Versiertheit. Christian Zenker (Osmin) war darstellerisch überzeugender als stimmlich.
Fazit
Das Regieteam um Intendant Axel Köhler hat es verstanden, Händels erstes Opernspektakel komisch und zuweilen in deftiger Barocksprache auf die Bühne zu bringen. Die Vorlage wurde sehr gekonnt verschlankt und Libretto getreu umgesetzt. Sänger und Musiker haben die komplexe Schönheit dieser Partitur spannungsgeladen und lebhaft gestaltet. Die Leistungen der Künstler wurden vom Publikum mit tosendem, anhaltendem Beifall bedacht.
Norma Strunden
Bild: Gert Kiermeyer
Das Bild zeigt: Ines Lex (Almira), Yeree Suh (Edilia), Roland Schubert (Consalvo), Christian Zenker (Osman), Michael Smallwood (Fernando)