von Jean-Philippe Rameau (1683-1764), Ballet bouffon in einem Prolog und drei Akten, Libretto: Adrien-Joseph Le Valois d’Orville nach dem gleichnamigen Ballett von Jacques Autreau, UA: 31. März 1745 Versailles, Théâtre de la Ecurie
Regie: Mariame Clément, Bühne/Kostüme: Julia Hansen, Choreographie: Joshua Monten
Dirigent: Hervé Niquet, Staatsphilharmonie Nürnberg und Chor, Choreinstudierung: Tarmo Vaask
Solisten: Tilman Lichdi (Platée), Leah Gordon (Thalie/La Folie), Martin Platz (Thespis/Mercure), Randall Jakobsh (Jupiter), Lussine Levoni (Junon), Sébastien Parotte (Momus/Cithéron), Franziska Kern (Amor/Clarine) u.a.
Besuchte Aufführung: 8. Juni 2013
Momus, Thespis und Thalia kündigen an, das Publikum mit einem Spiel zu unterhalten, bei der Götter und Menschen lächerlich gemacht werden. Eine ausgelassene, von einem Spielmacher (La Folie) angeheizte Komödie beginnt: Cithéron und sein Volk leiden unter schlechtem Wetter, verursacht durch die chronische Eifersucht von Jupiters Gattin Junon. Gemeinsam mit dem Götterboten Mercure findet Cithéron die Lösung: Eine Intrige muß her, um Junon die Eifersucht ein für alle Mal auszutreiben. So macht sich Jupiter an die häßliche, in einem Sumpf lebende Nymphe Platée heran und läßt verbreiten, er wolle sie heiraten. Junon platzt empört in die Scheinhochzeit und reißt Platée den Schleier vom Kopf. Zerknirscht durchschaut die Göttergattin die Intrige, während die gedemütigte Platée unter allgemeinem Gelächter in ihre Sümpfe flieht.
Aufführung
Eines muß man dieser Produktion lassen: Man hat mit viel Aufwand ein komplexes Bühnenbild im Baukastensystem gebaut, das sich immer wieder blitzschnell verändert, um Auftrittsmöglichkeiten für die Tanzgruppe zu schaffen oder für spektakuläre Arrangements der Solisten. So findet die Götterwelt zunächst in einer Regal-Schachtelwand statt, Platée sitzt in einem Terrarium, auf das die Götter zuerst herablassend blicken – bevor sie Platée vergrößert in ihre Welt setzen, um sie am Ende wieder in deren Welt zu verbannen: Zurück ins Terrarium! Die 50er Jahre und sein US-geprägter Way of Live stehen im Mittelpunkt: Petticoat, Haar Gel und Elvis Tolle, Ford Thunderbird, American Diner oder Grease, alte Staubsauger und Freiheitsstatue – da gibt es viel Opulentes zu sehen.
Sänger und Orchester
Die Arie des Narren (La Folie) Aux langueurs d’Apollon wird bei Leah Gordon zu einer italienischen Bravourarie, einem Beispiel für die gelungene Mischung aus spöttischem Lachen und dem feierlichen Schwelgen zum Ruhm der Götter – respektive des französischen Thronfolgers. Das Werk wurde anläßlich seiner Hochzeit mit einer Habsburger-Prinzessin uraufgeführt, deren Häßlichkeit legendär war und gewisse Rückschlüsse auf die Rolle der häßlichen Nymphe Platée nahelegt. Sie singt über weite Strecken in einsilbigen Worten, die sich bei dis donc pourquoi? Quoi? Quoi? in eine Art Quaken verwandelt. Tilmann Lichdi setzt dies wunderbar um, erfüllt auch die Anforderungen an einen Haute-Contre – wir würden das heute einen Counter-Tenor nennen. Er bleibt in einer höheren Gesangslinie, verwendet auch manchmal das Falsett, um dieses weibliche Klangbild zu erreichen. Ihm gelingt dies ohne zu pressen – einfach federleicht. Der zweite Tenor in diesem Stück darf sich wie ein echter Tenor gerieren: Martin Platz befindet sich noch am Anfang seiner Laufbahn und gestaltet die kleineren Rollen als Thespis und Mercure wie ein angehender Charaktertenor. Randall Jakobsh ist ein durchschlagsstarker Baß-Bariton, für seine Gestaltung des Göttervaters Jupiter fehlt ihm jedoch der Wohlklang in der Stimme. Sébastien Parotte als Momus/Cithéron hinterläßt hierbei im direkten Vergleich den besseren Eindruck. Seine Rolle ist allerdings ähnlich kurz wie von Lussine Levoni (Junon), die eigentlich nur einen kurzen Auftritt als Furie hat. Hervé Niquet ist ein Spezialist für Barockoper: es gelingt ihm auch die Staatsphilharmonie in die Welten des französischen Barocks einzuführen. Rameaus Charakterisierung, seine rhythmische Lebendigkeit, die rapiden Tempi-Wechsel, das Imitieren von Tierstimmen und die mitreißende fließende Gestaltung der langen, aber keinesfalls langweiligen Ballett-Stücke, sind ihm vertraut. Die Zusammenarbeit mit Solisten und Chor (vor allem in die Ballett-Ensembles) gelingt beispielhaft exakt.
Fazit
Die Verlagerung der Handlung in das Gesellschaftsbild der 50er Jahre entmonumentalisiert die Handlung. So ergibt sich ein sehr unterhaltsamer und sehenswerter Klamauk in einer mythischen Aura, auch wenn die ursprüngliche Geschichte von der Beziehung der häßlichen Nymphe Platée zum Göttervater Jupiter nicht unbedingt hineinpaßt. Das Publikum liebt den unterhaltsam-lustigen Abend und die musikalische Umsetzung – besonders dank Tilman Lichdi, der seine Traumrolle gefunden hat. Auch die detailverliebte Choreographie der Ballett-Einlagen verdient hohe Anerkennung. Stürmisches Gelächter während der Aufführung, stürmischer Applaus zum Schluß.
Oliver Hohlbach
Bild: Ludwig Olah
Das Bild zeigt: Tilman Lichdi (Platée) mit der Handtasche und Chor