ALCINA – Ystad, Schweden – Ystads teater

von Georg Friedrich Händel (1685-1759), Dramma per musica, Libretto nach Ludovico Ariostos Orlando furioso, bearbeitet von Richard Söderberg, UA: 16. April 1735, London, Covent Garden Theatre

Regie: Richard Söderberg, Kostüme: Ann Walton, Licht: Sara Andersson

Dirigent: Johan Reis, Orchester: Kammaropera Syd

Solisten: Laine Quist (Alcina), Elinor Fryklund (Morgana), Johan Palmqvist (Oronte), Lotte Ohlander (Ruggiero), John Löfgren (Bradamante)

Besuchte Aufführung: 3. Juli 2013 (italienisch mit schwedischen Dialogen)

Schweden-Ystad-AlcinaKurzinhalt

In der Bearbeitung von Richard Söderberg konzentriert sich die Handlung der Oper auf lediglich fünf Personen und deren gegenseitigen Beziehungen. Alcina, wie Circe in der Odyssee, verzaubert Ruggiero, mit ihren Liebeskünsten. Ruggiero ist mit seiner als Mann verkleideten Braut Bradamante auf ihrer Insel gestrandet. Von ihrer Schwester Morgana, die von Oronte umworben wird, hilft ihr dabei. Was wie eine Spielerei begann, wird zum Verhängnis, als sich Alcina ernsthaft in Ruggiero verliebt und damit ihre Zauberkraft verliert. Bradamante gewinnt jedoch Ruggiero zurück und Alcina gibt die Macht an ihre Schwester Morgana weiter. Oronte, dem die Liebe nicht hold war, wählt den Freitod.

Aufführung

Da die Oper als sommerliche Tourneevorstellung konzipiert ist und mit einem geringen Budget auskommen muß, sind die Gestaltungsmittel minimalistisch und funktionell, aber voller Phantasie. Barocke Elemente mischen sich mit zeitgenössischen – zum Schnürkorsett werden Schnürstiefel getragen, Alcina macht Kaugummiblasen und aus den Lautsprechern kommen elektronisch verstärkte Herzgeräusche. Um die effektive Spieldauer der Oper von nahezu drei Stunden auf etwa 90 Minuten zu reduzieren, ersetzt Söderberg Rezitative durch eigene Dialoge und streicht nicht nur die in Händels Original vorhandene große Anzahl von Nebenrollen, sondern auch Ouvertüre, Interludien und Chorsätze. Damit liegt die musikalische Substanz der Aufführung in den Arien. Die in Händels Oper präsente Geschlechtervielfalt, in Form etwa der Kastratenrolle des Ruggiero und der Hosenrolle der Bradamante, wird in der Inszenierung Söderbergs noch verstärkt, da er die Rolle der Bradamante mit einem Baß anstelle eines Alts besetzt, was stimmlich gewagt, aber realisierbar ist. Inhaltlich-ästhetisch gesehen erhält die Oper damit eine Richtung, die sich mit der Neudefinition der Geschlechter in unserer Zeit beschäftigt. Alcina ist Richard Söderbergs Regiedebut.

Sänger und Orchester

Händels Partitur ist für diese Low-Budget-Produktion auf ein Ensemble von sechs Musikern reduziert, bestehend aus einem Streichquartett, einer Blockflöte und einem (elektronischen) Cembalo, von dessen Pult aus der Dirigent Johan Reis das Ensemble leitet. Diese Reduktion ist der Bearbeitung der Oper angemessen und klingt erstaunlich stilgerecht. Unter den fünf Sängern ragen zunächst die beiden Primadonnen hervor. Laine Quist gestaltet die Rolle der Alcina mit Freude und voller Überzeugung. Ihr lyrischer Koloratursopran ist kraftvoll und glasklar und ihre schauspielerischen Leistungen sind hinreißend, sowohl in ihrer Rolle als machtbewußte Verführerin als auch in ihrer Resignation am Ende der Oper. Elinor Fryklund gibt eine gute Morgana ab. Ihr lyrischer Sopran ist geschmeidig und wohlklingend. Lotte Ohlander, Alt, singt die Hosenrolle des Ruggiero mit viel Einfühlungsvermögen und Ausdruck. Diese Rolle, ursprünglich für den Mezzosoprankastraten Giovanni Carestini geschrieben, erfordert eine beachtliche stimmliche Wandlungsfähigkeit. Die Rolle des Oronte wird von dem Tenor Johan Palmqvist gestaltet. Er wirkt konzentriert und etwas steif. Die sicherlich schwerste Aufgabe fällt dem Baß John Löfgren zu, der die ursprünglich als Alt komponierte Hosenrolle der Bradamante singt. Obwohl er als Baß Schwierigkeiten mit den virtuosen Koloraturen von Bradamantes erster Arie hat, kommt seine weiche Stimme in seiner letzten Arie All’alma fedel – Den treuen Herzen zu ihrem vollen Recht.

Fazit

Söderbergs Alcina ist eine reizende, tiefsinnige Inszenierung, die in dem kleinen neoklassizistischen Theater der Stadt Ystad sehr gut zur Geltung kommt.

Dr. Marion Lamberth

Bild: Rickard Söderberg

Das Bild zeigt: Laine Quist (Alcina) und Elinor Fryklund (Morgana)

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