Die Zauberflöte, Seebühne
von Wolfgang Amadeus Mozart (1756-1791), Oper in zwei Akten, Libretto: Emanuel Schikaneder, UA: 30. September 1791 Wien, Freihaustheater.
Regie: David Pountney, Bühne: Johan Engels, Kostüme/Puppendesign: Marie-Jeanne Lecca.
Dirigent: Hartmut Keil, Wiener Symphoniker, Prager Philharmonischer Chor, Einstudierung: Lukás Vasilek.
Solisten: Alfred Reiter (Sarastro), Norman Reinhardt (Tamino), Ana Durlovski (Königin der Nacht), Anja-Nina Bahrmann (Pamina), Barbara Zechmeister (1. Dame), Verena Gunz (2. Dame), Katrin Wundsam (3. Dame), Paul Armin Edelmann (Papageno), Dénise Beck (Papagena), Alexander Kaimbacher (Monostatos/1. Geharnischter) u.a.
Besuchte Aufführung: 10. August 2013
Vor der romantischen Kulisse des Bodensees locken jährlich im Juli und August die Bregenzer Festspiele Musikliebhaber aus aller Welt an. Gegründet wurden sie 1946 als „Spiel auf dem See“. Das Programm wechselt alle zwei Jahre. Es gibt immer eine Produktion im Festspielhaus (1765 Plätze) und eine auf der Seebühne. Das Festspielhaus dient bei Schlechtwetter auch als Ausweichspielstätte für die Produktion auf dem See. Die Zuschauertribüne am Bodensee ist mit einer Kapazität von 7000 Plätzen die größte ihrer Art.
Kurzinhalt
Begleitet vom Vogelfänger Papageno, von drei rätselhaften Damen und drei wissenden Knaben macht sich Prinz Tamino auf den Weg, Pamina, die Tochter der Königin der Nacht, aus den Fängen Sarastros zu befreien und den siebenfachen Sonnenkreis zu erringen. Hierbei muß sich Prinz Tamino verschiedenen Prüfungen unterziehen.
Die Zauberflöte vermittelt ein aufgeklärtes, humanistisches Ideal des „Menschseins“: Am Ende tragen ein normaler Mann und eine normale Frau die Verantwortung für die Zukunft der Gesellschaft, während sich der Machtapparat von Königinnen und Priestern als überflüssiges Brimborium erweist. Am Ende der Oper sieht man Tamino und Pamina nicht mehr als Prinz und Prinzessin, sondern tatsächlich nur als Personen Mann und Frau.
Aufführung
Was beginnt wie ein Märchen wird zum phantastischen Spiel zwischen Zauberposse und Freimaurer-Mystik. Die Bregenzer Festspiele zeigen die meist gespielte Oper der Welt als Neuinszenierung aus Fantasy-Land.
Auf einer Drehbühne stehen drei riesige Drachengestalten, durch Hängebrücken miteinander verbunden. Aus einem giftgrünen Schildkrötenpanzer wachsen überdimensionale, aufblasbare Spargelspitzen, die, unterschiedlich beleuchtet, mal Zauberwald, mal Weisheitstempel, mal Reich der sternflammenden Königin sind. Die Rollen der drei Damen, der drei Knaben und der beiden Geharnischten werden live gesungen aus dem Festspielhaus übertragen. Auf der Bühne werden diese Figuren durch Puppen dargestellt, die im Falle der drei Knaben übergroße Babyköpfe tragen. Stuntmen turnen als Monsterspinnen umher. Während der Ouvertüre gleitet eine Gondel auf dem Wasser heran. Darauf aufgebahrt der Leichnam von Paminas Vater mit der Königin der Nacht und Sarastro als Totenwächter. Die Schlange, die Tamino verfolgt, erhebt sich aus Wasser des Bodensees. Spektakuläre Bühneneffekte runden das Geschehen ab.
Sänger und Orchester
Hartmut Keil am Pult führt die Wiener Symphoniker souverän und agil durch die Partitur, deren kammermusikalische Struktur zuweilen die Tücken der Übertragungsanlage offenbart. Vieles klingt mulmig-dumpf, die Gesangsstimmen scheinen unterschiedlich verstärkt. Als fragwürdig muß man die Live-Zuspielung aus dem Festspielhaus verschiedener Gesangspartien bezeichnen, deren Sänger auf der Bühne gedoubelt werden. Bleibt zu hoffen, daß das nicht Schule macht, sonst kann man irgendwann gleich eine CD abspielen und Statisten auf der Bühne dazu agieren lassen.
Norman Reinhardt gibt einen stimmschönen, edel singenden Tamino, Anja-Nina Bahrmann muß sich als Pamina erst freisingen, ihr ansprechender Sopran ist nicht immer ganz intonationssauber geführt. Höhensicher in doppelter Hinsicht ist Ana Durlovski als Königin der Nacht, schwebt sie doch bei ihren beiden Arien meterhoch auf einer Plattform über der Bühne. Technisch versiert, hätte man der Sängerin für die zweite Arie etwas mehr dramatische Durchschlagskraft bei den Stakkato-Spitzentönen gewünscht. Alfred Reiter, der schon bei den Bayreuther Festspielen gesungen hat, überzeugt als Sarastro mit markant orgelndem Baß. Der ebenfalls Bayreuth-erprobte Eike Wilm Schulte stattet die Partien des Sprechers wie des zweiten Geharnischten mit seinem warmen, kultivierten Bariton aus. Die dankbare Rolle des Papageno ist bei Paul Armin Edelmann in besten Händen. Mit geschmeidiger Stimme, sehr textverständlicher Deklamation und großer Spielfreude sichert er sich die Publikumsgunst. Hübsch anzusehen ist Dénise Beck als seine Papagena. Alle übrigen Partien sind ebenfalls rollendeckend besetzt. Niveauvoll auch die Chorpassagen, gesungen vom Prager Philharmonischen Chor.
Fazit
Um das Werk ohne Pause spielen zu können, waren Striche nötig. Der Zweieinviertel-Stunden-Fassung fielen u. a. Strophen einiger Arien (Sarastro, Papageno) zum Opfer. Dies tat dem Gesamteindruck wenig Abbruch: bunt, kurzweilig und effektvoll beschließt Mozarts populärste Oper die zehnjährige Intendanz von David Pountney, der bei diesem See-Spektakel für die Regie verantwortlich zeichnet. Freundlicher Beifall der ausverkauften Seebühne für alle Beteiligten.
Verena Hamann
Bild: Karl Forster
Das Bild zeigt: Königin der Nacht (Ana Durlovski)