Lucio Silla KV 135 (halbszenisch)
von Wolfgang Amadeus Mozart (1756-1791), Dramma per musica in drei Akten, Libretto: Giovanni de Gamerra, UA: 26. Dezember 1772 Mailand
Regie: Marshall Pynkoski, Orchester: Les musiciens du Louvre Grenoble, Dirigent: Marc Minkowski, Salzburger Bachchor, Choreinstudierung: Alois Glaßner
Solisten: Rolando Villazón (Lucio Silla), Olga Peretyatko (Giunia), Marianne Crebassa (Cecilio), Inga Kalna (Cinna), Eva Liebau (Celia)
Besuchte Aufführung. 25. August 2013 (Musicaltheater Bremen)
Koproduktion mit der Stiftung Mozarteum Salzburg, Übernahme von der Salzburger Mozartwoche
Der Diktator Lucio Silla läßt den römischen Senator Cecilio für tot erklären, damit er dessen Braut Giunia selbst zur Frau nehmen könnte. Diese wehrt sich heftig gegen die Werbungen des Diktators, ist er doch der Erzfeind ihres verstorbenen Vaters. Heimlich trifft Giunia sich mit ihrem Geliebten Cecilio am Grab ihres Vaters. Gemeinsam mit seinem Freund Cinna schmiedet Cecilio Pläne, Silla zu töten. Dieser versucht noch einmal mit Hilfe seiner Schwester Celia bei Giunia anzukommen. Doch wird er von ihr erneut verschmäht und schwört er Rache. Doch alle Mordpläne mißlingen. Die beiden Liebenden beschließen, gemeinsam zu sterben und nehmen voneinander Abschied. Aber Silla beendet unerwartet seine Diktatur, verheiratet seine Schwester Celia mit Cinna und ebenso Cecilios mit Giunia.
Aufführung
Die halbszenische Inszenierung findet vor dem auf der Bühne spielenden Orchester statt, das rechts und links von römischen Säulen umgeben ist. Im Hintergrund hängt ein mit Bäumen bemaltes Prospekt. Die Sänger treten in historisch nachempfundenen Gewändern auf: Stiefel, lange Mäntel und schwingende Kleider, teilweise Reifröcke. Ihre affektierten Posen verweisen auf die Gestik-Ästhetik des 18.Jahrhunderts.
Sänger und Orchester
Das Orchester spielt seine tragende Rolle mit Bravour und die Musiker beweisen großes Einfühlungsvermögen in die ständig wechselnden Stimmungen Opera seria. Dadurch wurden die dreieinhalb Stunden sehr kurzweilig. Der für Musik- und auch Regiekonzept verantwortliche musikalische Leiter Marc Minkowski führt die Musiker mit Präzision und Beschwingtheit durch die Landschaft dieses koloraturreichen Werkes mit sorgfältig vorgenommenen, plötzlichen Wechseln von piano zu forte sowie häufigen Sforzati, in dem auch die Bläser mit ihren ausdrucksvollen Motiven überraschen. Am Cembalo brillierte Francesco Corti. Alle Sänger können die aberwitzigen Koloraturen auf hohem Niveau umsetzen, ebenso wie sie sich perfekt mit den instrumental gespielten Linien abstimmen können. Der Salzburger Bach Chor beeindruckt mit seinem geschlossenen Klang zuerst in seinem Totengesang, mit dem der erste Akt nach einer ungewöhnlich geschlossenen Szenenfolge ohne Rezitativ seinen Höhepunkt findet.
Olga Peretyatko (Giunia) erweist sich als eine Meisterin der mezza voce, die sie vor allem in den beiden Arien dalla sponda tenebrosa – ausbreiten soll ich die Arme und fra i pensier più funesti di morte – in düsteren Gedanken an den Tod zeigen kann, bringt sie doch die Leidenschaftlichkeit für ihren Geliebten betörend zum Ausdruck.
Marianne Crebassa (Cecilio) ist mit ihrem weiten Stimmumfang, mit dem sie Sprünge von fast zwei Oktaven bewältigt ein ebenbürtige Partnerin in Hosenrolle für Olga Peretyatko. Ihr warm bis dunkel klingender Mezzosopran paart sich mit dem helleren Sopran Olga Peretyatkos eindrücklich, was besonders in ihrem Liebesduett D’Eliso in sen m’attendi – sie fassen sich an den Händen.
Eva Liebau (Celia) singt mit höchst beweglicher Stimme, präzise und leicht. Sie verkörpert in ihren liedmäßigen Arien die mädchenhafte Gestalt der Schwester, die kokett und kess ihre eigenen Vorstellungen durchzusetzen versucht und Zudringlichkeiten ihres Bruders deutlich zurückweisen kann.
Inga Kalna (Cinna), zu Beginn der Vorstellung als etwas indisponiert angekündigt, singt sich im Laufe des Abends immer freier bis hin zu ihrer beifallumtosten Arie De’più superbi il core – welcher Macht du über Sillas Herz, mit der sie ihren Freund Cecilio zum Mord an Silla aufrufen will.
Rolando Villazón (Silla) kann dem Tyrannen stimmlich und schauspielerisch ebenso Ausdruck geben wie dem verzweifelten Liebhaber. In der Arie Il desio di vendetta e di morte – der Wunsch nach Rache und nach Tod schleudert er seine Empörung über Giunias Zurückweisung wie seine widerstreitenden Gefühle von Liebe und Rache heraus.
Fazit
Das Bremer Musikfest präsentiert eine musikalisch hervorragende Aufführung, die mit viel Zwischenapplaus und stehendem Beifallsstürmen am Ende belohnt wird.
Die Schlichtheit der Inszenierung paßt gut zu dem Libretto mit seinem ungewöhnlichen Ende – ein Tyrann übt Nachsicht -, dessen Figurenkonstellation mit zwei Paaren und dem Herrscher, hier ohne seinen Gefolgsmann oder Freund Aufidio, eher konventionell ist.
Die Grundstimmung des Erregten, die der 16jährige Mozart in seine Komposition einwebte, wird auf allen Ebenen spürbar und jagt einem den einen oder anderen Schauer über den Rücken.
Carola Jakubowski
Bild: Matthias Baus
Das Bild zeigt: Rolando Villazón (Lucio Silla)