Musikfest Bremen, Glocke

L’incoronazione di Dario

von Antonio Vivaldi (1678-1741), Dramma per musica in drei Akten, Libretto: Adriano Morselli, UA: 1717 in Venedig

Dirigent: Ottavio Dantone und die Academia Bizantina

Solisten: Anders Dahlin (Dario), Sara Mingardo (Statira), Delphine Galou (Argene), Riccardo Novaro (Niceno, Hauslehrer), Lucia Cirillo (Oronte), Sofia Soloviy (Arpago), Guiseppina Bridelli (Hofdame), Roberta Mameli (Alinda)

Besuchte Aufführung: 14. September 2013 (konzertant)

Bremen-IncornationeKurzinhalt

Um den Nachfolger des verstorbenen Herrschers Cyrus von Persien zu krönen, soll seine ältere Tochter Statira einen Ehemann finden. Dario kommt als erster Bewerber an den Königshof und offenbart seine Gefühle für Statira ihrer jüngeren Schwester Argene, die sich ebenfalls in Dario verliebt. Diese spinnt einige intrigante Verwicklungen, um eine mögliche Beziehung zwischen Dario und Statira zu verhindern. Höhepunkt ist ihre Behauptung, ihre Schwester sei tot, woraufhin sie versucht, ihre Stelle einzunehmen. Dario verhindert eine blutige Auseinandersetzung zwischen zwei weiteren rivalisierenden Bewerbern, Arpago und Oronte, die sich darauf einigen, wer Statira heiratet, bekommt den Thron. Oronte ist mit der Prinzessin von Medien, Alinda, verbunden, doch als Argene ihm ihre Hand verspricht, will er Alinda töten. Nachdem Dario die vermeintlich tote Statira im Wald gefunden hat, entthront und bestraft er Argene, und einer Heirat der beiden Liebenden steht nichts mehr im Wege.

Sänger und Orchester

Auch wenn man sich auf das konzertante Arrangement dieser Oper mit an Notenpulten stehenden und aus Notenheften singenden Solisten erst einmal einlassen mußte, die 26 auf historischen Instrumenten spielenden Musiker der Akademia Bizantina ließen die fehlende Inszenierung sofort vergessen. Im Körper des kraft- und temperamentvoll leitenden Ottavio Dantone, der gleichzeitig eines der beiden Cembali spielte, lag die Orientierung des Ensembles. Der fließende Übergang mit abrupten Tempowechseln zwischen den Rezitativen und den Da-capo-Arien bestand in einer tanzend-malenden Bewegung des Dirigenten, und alle Musiker atmeten mit ihm. Als wenn es sich um einen Dialog zwischen Rede und Gegenrede handelte, gestalteten die Musiker ihre oft im Prestissimo dahinfliegenden Musik mit ungeheurer rhythmischer Exaktheit. Besonders beeindruckten die Bläser mit ihrer geschmeidigen Regulierung der Lautstärke. Der seidene Klang der Barockstreicher ließ sich besonders in den Accompagnato Rezitativen genießen, die oftmals mit Arpeggien durch die Theorbe ausklangen.

Alle Sänger beherrschten das unangestrengte Singen auf ausströmender Atemluft, das ehemals von den Kastraten als Belcanto-Singen erfunden wurde, ebenso wie eine klare Wortverständlichkeit. Diesen virtuosen Gesangsstil krönte vor allem in Arien des zweiten Aktes das Hervortreten einer Instrumentengruppe, z.B. der Traversflöten, der Oboen oder eines Barockvioloncellos (zwischen Waden und Knien ohne Benutzung eines Stachels gespielt).

Anders Dahlin (Dario) sang mit durchsichtigem Tenor und war weniger der durchsetzungsstarke Emporkömmling, den man hätte erwarten können, als ein nachdenklicher, zuweilen unsicherer, auf Versöhnung ausgerichteter Mensch. Sara Mingardo (Statira) paßte in ihrem vordergründig naiv-unerfahrenen Habitus zu ihm. Sie glänzte mit einer außerordentlich ausgewogenen Tiefe und warmer Klangfarbe ihrer Altstimme. Delphine Galou (Argene) legte ihre Rolle der Intrigantin mimisch bis ans Komische grenzenden Ausdruck an. Mit gehetzten Koloraturen beklagt sie leidenschaftlich ihr Schicksal in der Arie Ferri, ceppi, sangue,morte – Qual, in Ketten, Blut, Tod (3.Akt). Riccardo Novaro (Niceno) sang mit volltönendem, kraftvollen Baß, verkörperte den Mann, der weiß, was richtig ist, und brachte eine Arie gemeinsam mit der virtuos spielenden Fagottistin Monica Fischalek so zum Klingen, daß man meinen konnte, es sei moderne Rockmusik. Die Mezzosopranistin Lucia Cirillo (Oronte) gab den Rivalen des Dario mit Stolz und hoher Spannung in ihren Arien wieder, in denen sie Hoffnung, Verwirrung und Grausamkeit beschwören konnte. Sofia Soloviy (Arpago) zeigte mit ihrer hohen und leicht wirkenden Sopranstimme die seltene Fähigkeit, ihrer Rolle des Rivalen tiefgründige Heiterkeit zu verleihen. Guiseppina Bridelli gestaltete die Rolle der Hofdame mit koketter Mimik und einem klaren Mezzosopran, mit dem sie auch hohe Koloraturbewegungen gut kontrollieren konnte. Roberta Mameli (Alinda) fiel mit ihrer äußerst beweglichen Sopranstimme, ihrer beeindruckenden Präsenz und ihrer leidenschaftlichen Ausdrucksfähigkeit auf.

Fazit

Angesichts dieses herausragenden barockmusikalischen Feuerwerks vergaß sich das Publikum an diversen Stellen und klatschte spontan, obwohl doch alle gebeten wurden, absolute Ruhe walten zu lassen, weil diese Aufführung einer gleichzeitig einer CD-Aufnahme diente. In den beiden Pausen und erst recht am Ende der dreieinhalbstündigen Aufführung brach nicht endend wollender, begeisterter Jubel los. So fand das diesjährige Bremer Musikfest mit diesem selten aufgeführten Werk von Antonio Vivaldi seinen krönenden Abschluß.

Carola Jakubowski

Bild:  C. Jakubowski

Das Bild zeigt: die Solisten mit dem Dirigenten Ottavio Dantone in der Mitte

Veröffentlicht unter Musikfest Bremen, Musikfestivals