Essen, Aalto-Theater – FÜRST IGOR – KNJAZ‘ IGOR‘

Text/Musik von Alexander Borodin (1833-1887), Oper in vier Akten, UA: 23. Februar 1890, St. Petersburg
Regie: Andrejs Žagars; Bühne: Alexander Orlov; Kostüme: Kristine Pasternaka.
Die Oper wurde auf zwei Akten für das Aalto-Theater verkürzt. Gesungen wird in russischer Sprache.
Dirigent: Noam Zur, Essener Philharmoniker, Chor des Aalto-Theater, Einstudierung: Alexander Eberle, Inna Batyuk
Solisten: Almas Svilpa (Igor), Danielle Halbwachs (Jaroslawna), Rainer Maria Röhr (Wladimir), Heiko Trinsinger (Galitzki9 u.a.
Besuchte Aufführung: 31. Januar 2009 (Premiere)

Kurzinhalt
essen-fuerst-igor.jpgRußland im 12. Jahrhundert: Fürst Igor von Putiwl und sein Sohn Wladimir ziehen in den Krieg gegen die heidnischen Polowzer – obwohl böse Omen wie eine Sonnenfinsternis sowie die Vorahnungen von Igors Frau Jaroslawna gegen den Feldzug sprechen. Prompt werden die beiden nach verlorener Schlacht gefangen genommen. In der Gefangenschaft verliebt sich Wladimir in Kontschakowna, die Tochter des Polowzer Khans Kontschak. Igor jedoch – obwohl von Kontschak mit höchstem Respekt behandelt – denkt nur an Flucht. Während er schließlich entkommen kann, bleibt Wladimir zurück, um Kontschakowna zu heiraten. In Putiwl will derweil Igors Schwager Galitzki die Macht an sich reißen. Noch während die verzweifelte Jaroslawna versucht, ihm Einhalt zu gebieten, fallen die Polowzer in die Stadt ein und zerstören sie. Da kehrt Igor zurück. Gemeinsam mit Jaroslawna erwartet er die Ankunft des Khans.
Aufführung
Die Kostüme deuten an, daß wir uns im 21. Jahrhundert befinden, und der zurückgekehrte Igor, der im Schneetreiben seiner Jaroslawna in die Arme sinkt, ist eindeutig ein an Leib und Seele Kriegsversehrter. Das Bühnenbild betont die mythisch-sagenhaften Züge der Oper, etwa durch eine riesige Sonne, die sich zu Beginn dramatisch verdunkelt und danach die Szene beherrscht, oder durch eine mittelalterliche Befestigungsanlage, von der am Schluß nur noch ein paar Pfähle einsam in die Luft ragen. Zwar deuten die Kostüme an, daß wir uns im 21. Jahrhundert befinden, und der zurückgekehrte Igor, der im Schneetreiben seiner Jaroslawna in die Arme sinkt, ist eindeutig ein an Leib und Seele Kriegsversehrter. Für herzhafte Lacher und Szenenapplaus sorgt die orientalische Pracht im Polowzer Lager: zwei gigantische Kamele (von denen eines Kontschak als Thron dient) sowie ein gelber Cadillac, mit dem der Khan schließlich in Putiwl einzieht.
Sänger und Orchester
Die Grundlage der Essener Aufführung bildet nicht die von Rimski-Korsakow und Glasunow erstellte – in ihrer Authentizität umstrittene – Fassung des unvollendet gebliebenen Werkes. Regisseur und Dirigent legen eine eigene Fassung vor, die sich auf von Borodin selbst komponierte Szenen konzentriert und die Handlung strafft. Andrejs Žagars verzichtet auf plumpe Aktualisierungen oder Anspielungen (z.B. auf den Kaukasus-Konflikt). Almas Svilpa (Igor) schneidet diesmal deutlich besser ab als noch vor kurzem mit seinem schwachen Rheingold-Wotan. Seine Stärken liegen dort, wo seine Stimme mächtig auftrumpfen kann – weniger bei den lyrischen Bögen der Arie Ni sna ni otdycha – Kein Schlaf, keine Ruhe. Anders Heiko Trinsinger (Galitzki), der einmal mehr zeigt, daß sich beeindruckendes Stimmaterial und Eleganz nicht ausschließen. Der Tenor Rainer Maria Röhrs (Wladimir) verfügt über eine Höhe, um die ihn mancher Kollege des italienischen Fachs glühend beneiden dürfte. Sein kühles, farbloses Timbre macht ihn allerdings nicht zur Idealbesetzung für einen leidenschaftlichen Liebhaber. Danielle Halbwachs (Jaroslawna) nimmt das Publikum mit warmem, leuchtendem Sopran für sich ein, scheint aber bisweilen unsicher. Der Chor, dem wie in den meisten russischen Opern als Stimme des Volkes eine zentrale Rolle zukommt, wird für seine Leistung zu Recht bejubelt – ebenso wie die Essener Philharmoniker unter Noam Zur für ihre geschlossene Interpretation der farbenprächtigen Partitur. Tempo, Aktion und Farbenreichtum bestimmen die Szene.
Fazit
Einige der Kürzungen mögen etwas willkürlich anmuten (z.B. der hör- und sichtbare Lücke hinterlassende Wegfall der Auseinandersetzung Jaroslawna/Galitzki im ersten Akt). Die Polowetzer Tänze als Finale zu verwenden, ist zwar ein kluger Einfall, aber sicher nicht authentischer als manches, was sich Rimski und Glasunow mit dem Torso erlaubt haben. Dennoch haben Andrejs Žagars und Noam Zur mit ihrer Fassung einen dramaturgisch wie musikalisch schlüssigen Fürst Igor vorgelegt. Kurzer, aber begeisterter Beifall für einen lohnenswerten Opernabend!
Dr. Eva Maria Ernst

Bild: Jörg Landsberg
Das Bild zeigt: Polowetzer Tänze, links Almas Svilpa (Igor), in der Mitte Marcel Rosca (Khan Kontschak), Chor, Statisterie

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