Sonderkonzert, Bremen Glocke
Fidelio
von Ludwig van Beethoven (1770-1827), Oper in zwei Aufzügen, Libretto: Joseph Sonnleitner und Friedrich Treitschkenach der Oper Léonore ou l’amour conjugal von Pierre Gaveaux und Jean Nicolas Bouilly, UA (3. Fassung): 29. März 1814 Wien, Theater an der Wien
Szenisches Arrangement: Leah Hausman, Rezitator: Ulrich Tukur
Dirigent: Paavo Järvi, Deutsche Kammerphilharmonie Bremen, Deutscher Kammerchor, Einstudierung: Michael Alber
Solisten: Detlef Roth (Don Fernando), Evgeny Nikitin (Don Pizarro), Burkhard Fritz (Florestan), Cécile Perrin (Leonore), Dimitry Ivashchenko (Rocco), Mojca Erdmann (Marzelline), Julian Prégardien (Jaquino)
Besuchte Aufführung: 25. September 2013
Leonore vermutet, daß ihr verschwundener Mann Florestan sich in den Händen seines Feindes, des Gefängnisgouverneurs Don Pizarro, befindet. Deshalb verkleidet sie sich als Mann und schleust sich unter dem Namen Fidelio als Helfer bei dem Kerkermeister Rocco ein. Dessen Tochter Marzelline verliebt sich in Leonore. Pizarro erfährt derweil, daß der Minister Don Fernando das Gefängnis inspizieren möchte und fürchtet, daß dieser den unrechtmäßig inhaftierten Florestan entdecken könnte. Sein Versuch, den Gefangenen zu ermorden, scheitert: Leonore tritt dazwischen. Florestan wird befreit, und Minister Don Fernando tritt zur Rettung aller Gefangenen auf.
Aufführung
Die als halbszenisch angekündigte Aufführung wurde durch den Schauspieler Ulrich Tukur geprägt, der zwischen den musikalischen Teilen Texte vom Blatt las und zu Beginn brüllend die Bühne stürmte, so daß er zunächst nicht, später etwas besser verstanden werden konnte. Die Texte stammen von Walter Jens (Roccos Erzählung) und geben die Geschichte der Oper im Rückblick aus der Sicht des Kerkermeisters Rocco wieder. Ansonsten standen die Sänger – wie bei einer konzertanten Aufführung – vor dem Orchester. Eine mimische und gestische Wiedergabe der Handlung reduzierte sich darauf, daß Burkhard Fritz als Florestan seine Hände kreuzte und sich auf die Erde legte, um so seinen Aufenthalt im Kerker anzudeuten.
Sänger und Orchester
Die Darbietung dieser Oper Beethovens bildete den Schlußpunkt der internationale Beachtung findenden Interpretation des Beethoven-Zyklus durch die Deutsche Kammerphilharmonie Bremen. Paavo Järvi animierte die Musiker zu wuchtigem Spiel, das sich zum Ende hin immer mehr verdichtete und schließlich in einem überwältigenden Klangrausch im vielfachen Dauer-Fortissimo seinen Höhepunkt fand. Blech- wie Holzbläser fielen durch ihren sauberen und geschlossenen Klang auf, der Pauke spielende Stefan Rapp durch seine deutlich hervortretenden Schläge. Der Deutsche Kammerchor – im ersten Akt nur mit seinen Männern vertreten – sang hervorragend, differenziert und kraftvoll. Die Chormitglieder gaben der Befreiungsatmosphäre szenische Unterstützung indem sie einander umarmten.
Die Sänger hatten recht unterschiedliche Qualität, traten ohne Noten auf, aber ihre Wortverständlichkeit ließ oft zu wünschen übrig. Am besten sang Burkhard Fritz, der die Tragik seiner Rolle (Florestan) stimmlich gut zum Ausdruck bringen konnte und zu Beginn des zweiten Aktes die Arie Gott! Welch Dunkel hier! Welch grauenvolle Stille! mit geradezu schmerzhafter Wirkung wiedergab und damit den bisherigen Charakter der Oper wirkungsvoll verändern konnte. Mit Dimitry Ivashchenko war der Kerkermeister Rocco mit einem besonders in den Tiefen voll klingenden Baß ausgestattet, der eine passende, reumütige Färbung fand. Ihn verstand man von allen Sängern am besten. Die kernige Tenorstimme von Julian Prégardien (Pförtner Jaquino), der um die Gunst von Marzelline im Anfangsduett der Oper wirbt, wirkte überzeugend im Gegensatz zu Detlef Roth, der mit seiner kurzen Partie des Don Fernando kaum wahrgenommen wurde. Mojca Erdman gestaltete die Rolle der Marzelline mit ihrem frischen, sauber intonierten Sopran. Doch ein wenig Koketterie und Charme hätten ihr gutgetan.
Als Gegenspieler zu Florestan war der Bösewicht Don Pizarro mit Evgenij Nikitin gut besetzt, konnte er doch seiner Stimme gewaltige Dramatik geben. Mit einer Art Dolch in der Hand gab er sein Vorhaben, Florestan zu ermorden, zu verstehen und sang mit schneidender Stimme Er sterbe! Doch er soll erst wissen.
Die französische Sopranistin Cécile Perrin trat anstelle der erkrankten Emily Magee auf und gab der zu allem entschlossenen Leonore eine höchst dramatische und durchdingende Stimme. Sie sang zwar wenig differenziert und war in tieferer Lage kaum hörbar, doch sie konnte ein immens großes Stimmvolumen entfalten, mit dem sie im Finale Wer ein holdes Weib errungen das gesamte Orchester und den Chor überstrahlte.
Fazit
Das Bremer Publikum gab seiner Begeisterung für die Deutsche Kammerphilharmonie und das stimmstarke Ensemble mit langanhaltendem Beifall und Fußgetrappel Ausdruck. Ulrich Tukur wurde mit einem Zwischenruf „Komödienstadl“ kritisiert, die für die szenische Gestaltung zuständige Leah Hausman erhielt verhaltenen Beifall. Eine durchweg konzertante Aufführung hätte vielleicht eher überzeugt.
Carola Jakubowski
Bild: C. Jakubowski
Das Bild zeigt: Julian Prégardien, Mojca Erdmann, Burkhard Fritz, Cécile Perrin, Dimitri Ivashchenko, Detlef Roth, Evgenij Nikitin