von Richard Wagner (1813 – 1883), Dritter Tag des Bühnenfestspiels Der Ring des Nibelungen, Libretto vom Komponisten
UA: 1869 Bayreuth
Regie: Staffan Valdemar Holm, Bühnenbild/Kostüm: Bente Lykke Møller, Licht: Torben Lendorph, Choreographie: Kristin Kåge, Dramaturg: Stefan Johansson
Dirigent: Leif Segerstam, Königliche Hofkapelle, Chor der Königlichen Oper, Einstudierung: Folke Alin und Christina Hörnell
Solisten: Lars Cleveman (Siegfried), Johan Edholm (Gunther), James Moellenhoff (Hagen), Marcus Jupither (Alberich), Rachel Tovey (Brünnhilde), Sara Olsson (Gutrune), Anne Sofie von Otter (Waltraute), Kristina Martling (erste Norn), Marianne Eklöf (zweite Norn), Emma Vetter (dritte Norn), Karin Ingebäck (Woglinde), Susann Végh (Wellgunde), Katarina Leoson (Floßhilde)
Besuchte Aufführung: 31. Januar 2009 (Premiere)
Kurzinhalt
Die drei Nornen versuchen einen Blick in die Zukunft zu werfen und sehen das Ende der bisherigen Weltordnung voraus, die durch den Ring des Nibelungen aus dem Gleichgewicht geraten ist. Siegfried, der Brünnhilde verläßt, um in die Welt zu ziehen und Heldentaten zu vollbringen, wird am Hof der Gibichungen von Hagen, dem Sohn Alberichs, zum Instrument einer Intrige gemacht, die zu Siegfrieds Tod führen wird. Den Ring Alberichs, den er von Fafner erbeutet hat, gibt Brünnhilde den Rheintöchtern zurück. Damit ist auch das Ende all derer gekommen, die ihm verfallen sind, das Ende Hagens und Wotans mitsamt allen Göttern.
Aufführung
Wir befinden uns dem Bühnenbild und den Kostümen nach im frühen 20. Jahrhundert. Die bewegten Hintergrundprojektionen, die auch schon in den drei ersten Ring-Teilen zu sehen waren, erhalten nun eine dramaturgische Bedeutung. In ihnen kommt gleichnishaft die nahezu ständig vom Vergangenen durchwirkte und bestimmte Musik und Handlung der Götterdämmerung zum Ausdruck. Die Filme zeigen kurze Filmsequenzen, Vor- und Rückblenden, die die Handlung erklären – ähnlich wie die sogenannte Wagnersche Leitmotivtechnik – und Ereignisse, die einen unmittelbaren Bezug zum Geschehen haben. Zum größten Teil sind sie schwarzweiß und geben dem Gezeigten dadurch einen altertümlichen Charakter. So sieht man z.B. während Waltrautes Monolog Wotans Gesicht in Großaufnahme im Hintergrund, Aufnahmen des Loreley-Felsens zu Beginn des dritten Aufzuges und die drei Rheintöchter mit dem Rheingold am Schluß. Daß der Brünnhildefelsen in diesem Kontext als ein Kinosaal dargestellt wird, vermag nicht ganz zu überzeugen. Die Personenregie ist konzentriert und spannungsreich; sie ermöglicht den Sängern durchweg eine angemessene Darstellung ihrer Charaktere. James Moellenhoff singt und spielt Hagen so, wie man ihn sich wünscht. Im Gegensatz zu ihm sind seine beiden Halbgeschwister nicht ganz gesund: Johan Edholm (Gunther) bewegt sich an Krücken, während Sara Olsson (Gutrune) im Rollstuhl sitzt. Lars Clevemans leichtsinniger Siegfried ist sympathisch und natürlich und das neckische Spiel der Rheintöchter erscheint hier plausibler als im Rheingold. Insgesamt geht das szenische Konzept der Stockholmer Ring-Produktion in der Götterdämmerung am besten auf. Auch die Choristen und stummen Figuren, die das Bühnenbild beleben, werden so geführt, daß der Gehalt von Text und Musik deutlich zum Vorschein kommt.
Sänger und Orchester
Wiederum gab es wie schon in den anderen Teilen des Ring eine musikalisch ungemein gelungene Aufführung zu erleben. So wie der szenische Gesamteindruck geschlossen und überzeugend war, so auch das nuancierte Zusammenspiel zwischen Orchester und Sängern. Die prominenteste Sängerin des Abends, Anne Sofie von Otter (Waltraute), besitzt sicherlich keine Wagnerstimme, dennoch gelang es Leif Segerstam durch äußerste Zurücknahme der Lautstärke ihren im übrigen hervorragend deutlich ausgesprochenen Gesangsvortrag zur Geltung zu bringen. Unter seiner Leitung brachte das Orchester den Text der Partitur derart suggestiv zum Klingen, daß sich trotz der selbst für Wagnersche Verhältnisse langen Aufführungsdauer des Werks nicht einen Moment lang Leerlauf oder gar Langeweile einstellte. Stehende Ovationen gab es für ihn und das Orchester, aber auch für die stimmlich über all die für eine Brünnhilde notwendigen Register verfügende Rachel Tovey, die sichtlich ergriffen und überaus differenziert ihren großen Schlußgesang vortrug. Die Sicherheit, mit der sie die rhythmischen und gesangstechnischen Anforderungen dieser Partie meisterte, ist beeindruckend. Das Zusammenspiel zwischen den Nornen und Rheintöchtern war wie die sängerischen Leistungen an diesem Abend insgesamt über jeden Zweifel erhaben.
Fazit
Es handelt sich bei diesem Teil des Stockholmer Rings um den szenisch und musikalisch überzeugendsten. Schwerlich dürfte man diese Musik besser vortragen können. Wie Segerstam die langen Spannungsbögen gestaltet, ohne ins Schleppen zu geraten oder klanglich zu dick aufzutragen, ist schlicht mustergültig. Dazu kommt eine Regie, die bis auf ganz wenige Einfälle eine in sich schlüssige, oft packende Umsetzung des Textes bietet. Uneingeschränkt zu empfehlen!
Dr. Martin Knust
Bild: Alexander Kenney
Das Bild zeigt: Rachel Tovey als Brunhilde und Lars Cleveman als Siegfried