DIE FLEDERMAUS – Kassel, Staatstheater

von Johann Strauß d.J. (1825-1899), Operette in drei Akten, Libretto: Carl Haffner und Richard Genée, UA: 1874 Wien

Regie: Volker Schmalöer, Bühne: Lars Peter, Kostüme: Andreas Janczyk

Dirigent: Patrik Ringborg, Staatsorchester Kassel, Opernchor und Extrachor, Choreinstudierung: Marco Zeiser Celesti

Solisten: Marian Pop (Gabriel von Eisenstein), Hulkar Sabirova (Rosalinde), Tomasz Wija (Frank), Maren Engelhardt (Prinz Orlofsky), Bassem Alkhouri(Alfred), Hansung Yoo (Dr. Falke), Jürgen Appel (Dr. Blind), LinLin Fan (Adele), Sabine Roppel (Ida), Bernhard Modes (Frosch, Sprechrolle).

Besuchte Aufführung: 2. November 2013 (Premiere)

Kassel FledermausKurzinhalt

Eisenstein hat nach einem Maskenball den als Fledermaus verkleideten Dr. Falke blamiert. Dieser rächt sich, indem er auf einem Fest des Prinzen Orlofsky seinen Scherz mit Eisenstein treibt. Eigentlich sollte der im Gefängnis eine Strafe absitzen, doch läßt er sich gerne überreden, mit auf das Fest zu kommen. Auf dem Fest begegnen ihm sein Stubenmädchen Adele, die sich unter dem Namen „Olga“ vorstellt, und eine maskierte ungarische Gräfin, bei der es sich jedoch um seine Gattin Rosalinde handelt. Mit dem Gefängnisdirektor Frank schließt er im Rausch Freundschaft. Als Eisenstein am nächsten Morgen im Gefängnis eintrifft, um seine Strafe anzutreten, muß er entdecken, daß mittlerweile jemand anderes, nämlich Alfred, der ehemalige Liebhaber seiner Frau, unter dem Namen „Eisenstein“ einsitzt. Nach weiteren turbulenten Verwicklungen löst sich das Spiel schließlich auf.

Aufführung

Die bunte Bilderflut beginnt mit der Ouvertüre, die in einer scherenschnittartigen Tanzeinlage die  Vorgeschichte zeigt, als Eisenstein einst den betrunkenen Falke absetzte und dieser zum Spott der Bevölkerung (Bäcker, Schornsteinfeger und drei Damen mit Pudel) als Fledermaus verkleidet nach Hause laufen mußte. Auch im weiteren Verlauf wirken die Figuren als überzeichnete Karikaturen mit übergroßer Perücke. Genauso überzeichnet die Kostüme – vom schwarzen Cutaway und Abendkleid der Festgesellschaft, den  schwarz-weißen Dienstboten bis hin zur pinken Entourage des Prinzen Orlofsky. Das Bühnenbild des ersten Aktes hat ein pudelförmiges Loch im Zwischenvorhang, den Saal des Prinzen Orlofsky dominieren ein übergroßer Pudel und ein großer Mond. Auf dem Dach des vergitterten Gefängnisses turnen indische Tempeltänzerinnen im rosa Weihnachtsbaumornat unter dem Mond und um den Pudel herum.

Sänger und Orchester

Der von Frosch als „alter Schwede“ titulierte Patrik Ringborg gestaltet diese Operette als „Ernste Komische Oper“. Die Tanzeinlage Polka und kein Walzerklang. Keine Tempoverschärfungen und keine Knalleffekte. Man lotet die Nuancen der Partitur aus und sucht die Melodielinie einer Oper. Die Sänger verfügen kaum über die Affekte eines Operettensängers und folgen der Gesangslinie eines Opernsängers.

Ein Paradebeispiel dafür ist LinLin Fan (Adele) dank ihres wunderbar beweglichen hohen jugendlichen Soprans mit bravourösen Koloraturen. Da sie jedoch an der Gesangslinie klebt, deshalb wenig wortverständlich ist und wenig Komik transportieren kann, kann man sie auch nicht als Soubrette bezeichnen, die die Rolle der Adele eigentlich auszeichnet: Die Unschuld vom Lande ist sie nicht. Die fehlende Wortverständlichkeit in der Gesangslinie muß man auch den anderen Sängern ankreiden: Hulkar Sabirova verfügt über einen dramatischen Sopran, den Csárdás kann sie mit sicheren Höhen erfolgreich gestalten. Jedoch ist die Stimme etwas zu schwer für die Rosalinde. Ebenso schwierig ist es, einen geeigneten Mezzo für die Rolle des Prinzen Orlofsky zu finden. Maren Engelhardt bemüht sich hier redlich mit einer sehr beweglichen leicht abgedunkelten Mezzo-Stimme, der ein bißchen der Glanz in den hohen Lagen fehlt. Formal sind alle Noten brillant gesungen, jedoch der Operetten-Effekt der „männlichen Rolle“ Orlofsky will sich nicht einstellen. Marian Pop ist ein durchschlagsstarker Bariton, der auch den Tenoranforderungen der Rolle des Eisensteins gerecht wird. Das ist hohe Oper, aber die lüsternen Momente, Verzweiflungs- und Wutausbrüche kann er nicht gestalten. Jürgen Appel ist ein sicherer Stotter-Advokat Blind, Hansung Yoo (Dr. Falke) ein technisch versierter Spielbariton und Tomasz Wija ein solider Baß, der einen schwankenden Gefängnisdirektor Frank singt. Bassem Alkhouri ist noch ein Nachwuchstenor und hat so manche Probleme mit der Rolle des Alfred.

Fazit

Das bestimmende Bild des Abends ist der Pudel. Des Pudels Kern ist jedoch, daß auf dem Programm die heitere Operette Fledermaus steht. Da die Hauptrollen mit Opernsängern besetzt sind, die Sprechtexte gekürzt werden (vor allem im dritten Akt und auch der Auftritt des Froschs wird gekürzt und durch ein Gstanzl ergänzt), endet diese Fledermaus als wenig sylvester-selige Oper. Das Kasseler Publikum fühlt sich in der bunten nichtssagenden Ausstattung pudelwohl und spendet reichlich Applaus.

Oliver Hohlbach

Bild: N. Klinger

Das Bild zeigt: Im Zentrum, von links: Hansung Yoo (Dr. Falke), Maren Engelhardt (Prinz Orlofsky) und Marian Pop (Gabriel von Eisenstein) sowie Mitglieder des Opernchors

Veröffentlicht unter Kassel, Staatstheater, Opern