LA TRAVIATA – Bremen, Theater am Goetheplatz

von Giuseppe Verdi (1813-1901), Oper in drei Akten, Libretto: Francesco Maria Piave nach dem Drama La Dame aux camélias von Alexandre Dumas, UA: 1853 Venedig, Teatro La Fenice

Regie: Benedict von Peter, Bühne: Katrin Wittig, Kostüme: Geraldine Arnold

Dirigent: Clemens Heil, Bremer Philharmoniker, Choreinstudierung: Daniel Mayr

Solisten: Patricia Andress (Violetta), Hyojong Kim (Alfredo Germont),  Loren Lang (Giorgio Germont), Christian-Andreas Engelhardt (Gastone),  Maria Theresia Ullrich (Flora Bervoix),  Neele Kramer (Annina), Daniel Ratchev(Marchese d’Obigny), Christoph Heinrich  (Baron Douphol),  Patrick Zielke (Doktor Grenvil)

Besuchte Aufführung: 24. November 2013 (Premiere)

Bremen La TraviataKurzinhalt

Die schwindsüchtige Kurtisane Violetta Valéry und Alfredo Germont verlieben sich auf einem Fest. Doch Alfredos Vater Giorgio drängt Violetta dazu, die Beziehung zu beenden, ohne zu wissen, daß sie krank ist. Sie schreibt Alfredo einen Brief in dem sie vorgibt, daß Baron Douphol ihr neuer Liebhaber sei. Auf einem Ball beleidigt Alfredo, rasend vor Eifersucht, seine ehemalige Geliebte. Einige Zeit später gesteht Giorgio seinem Sohn schließlich die Erpressung. Alfredo eilt zur todkranken Violetta. Doch bleiben den Liebenden nur noch wenige Augenblicke, bevor sie in seinen Armen stirbt.

Aufführung

Während der Ouvertüre kommt Violetta in Corsage (Dessous) und Jogginghose auf die Bühne, zieht sich einen weißen Tüllrock darüber, hebt ein Tablett vom Boden auf und starrt auf die daraufstehenden Sektgläser, dann stammelt sie die Worte this ist for you. Mit den gleichen Worten beendet sie ebenfalls die Oper. Sie bleibt während der ohne Pause gespielten drei Akte alleine auf der Bühne. Alfredo und Germont sowie alle anderen Mitwirkenden singen vom zweiten Rang aus, für das Publikum unsichtbar. Das Orchester sitzt auf der Bühne durch einen durchsichtigen Vorhang vom Geschehen getrennt. Es gibt kein Bühnenbild, dafür einige Requisiten, mit denen Ortswechsel sowie Teile der Handlung verdeutlicht werden. Zum Beispiel rollt Violetta eine Tür und einen Fensterrahmen zu Beginn des zweiten Aktes auf die Bühne, die das Landhaus symbolisieren. Im dritten Akt sitzt Violetta unter ihrem Kleid, das sie auf einen Mikrophonständer gehängt und mit Haarklammern an den Tischbeinen eines umgedrehten Tisches befestigt hat. Später klettert sie auf die Bestuhlung des Publikums, teilweise über deren Köpfe hinweg und singt auf einem Sitz stehend, greift in die Richtung des für sie unerreichbar bleibenden Rangs. Ein Stuhl symbolisiert Alfredos Anwesenheit in Duetten, Violetta beugt sich über den Tisch und scheint seine Hand zu ergreifen. Dann fragt Violetta auf Englisch, ob ein mögliches Gegenüber alle ihre Körperteile mag und schließt daraus, daß sie geliebt wird. Sie trennt sich von ihrem Dasein als Objekt, indem sie ihr Kleid auf einem Drahtgestellt nach oben ziehen und mit gequälten Bewegungen Geldscheine aus ihrem Unterleib hervorquellen läßt. Sie schreibt ihre Liebesschwüre auf Papierbögen, die sie an sich selbst befestigt und vor sich aufstellt.

Sänger und Orchester

Die Sopranistin Patricia Andress (Violetta) trägt mit ihrer herausragenden körperlichen und sängerischen Leistung die gesamte Aufführung. Sie singt mit deutlicher Körpersprache in verzweifelt-wütender Grund-stimmung und kann ihrer Stimme alle Schattierungen einer sich in Sehnsucht nach ihrem Geliebten verzehrenden Frau legen. Gleichzeitig drückt sie die Verzweiflung über ihr nahendes Lebensende pianissimo, am Boden liegend, mit sauber gesungenen Koloraturen aus. Selbst in leidenschaftlichen Ausbrüchen über die Aussichtslosigkeit ihrer Liebe und ihre Verlassenheit, die sie mit reichlicher Lautstärke singt, verläßt sie nicht ihrer makellosen Tontreffsicherheit. So gelingt es ihr, die nicht sichtbare Handlung gestisch sowie musikalisch auf eine Ebene zu bringen. Nach und nach kommen auch die Zuschauer dahinter. Hyong Kim singt die Partie des Alfredo souverän mit klarem Tenor, Loren Lang seine Rolle als Germont mit einigen Schwächen, alle anderen Sänger liegen auf ähnlichem Niveau. Der Chor interpretiert die tänzerischen  Melodien des mondänen Pariser Lebens in si, la vita s’addoppia al gioia – Ja, das Leben verdoppelt sich in der Freude (1.Akt) mit Eleganz. Die Bremer Philharmoniker bewältigen ihre Aufgabe dynamisch differenziert. Selbst die musikalische Abstimmung der beiden Aufführungsorte gelingt gut. Dafür wird über Bildschirme das einfühlsame Dirigat von Clemens Heil sichtbar gemacht.

Fazit

Verdis La Traviata brachte schon 1853 sorgte mit seiner moralisch-gesellschaftliche Kritik für Aufsehen. Die Inszenierung stellt die „vom rechten Weg Abgekommene“ in unsere Zeit und will den drohenden Zerfall menschlicher Beziehungsfähigkeit auf vielfältiger Ebene zeigen, eine Darstellung, die zum Mitdenken auffordert und innerlich bewegt. Das Publikum gab stehende Ovationen.

Carola Jakubowski

Bild: Jörg Landsberg

Das Bild zeigt: Patricia Andress (Violetta)

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