Juan Diego Flórez, Tenor, Vincenzo Scalera, Klavier
Besuchte Aufführung: 28. November 2013
Es ist ein eigentümliches Vergnügen, einem Sängerstar der Oper als Liedersänger wieder zu begegnen. Ich erinnere mich noch des großen Eindrucks, den er bei seinem Auftreten als Prinz in der Oper Das Aschenbrödel (La Cenerentola) beim Rossini-Festival in Pesaro(19. August 1998) auf mich gemacht hat. Schon damals konnte man seine außerordentlichen Qualitäten als Tenor spinto, den wohl nur in Italien anzutreffenden „typischen italienischen“ Tenor mit seiner gewandten und geschmeidigen weichen Stimme und strahlender Höhe bewundern. Wie bei vielen solcher Tenöre war Flórez Stimmvolumen nicht allzu groß, was vor allem bei deutschen Melomanen ein bedenkliches Stirnrunzeln hervorrief, sind diese doch das deutsche Gegenstück, den Heldentenor (Wagnertenöre), mit der alles durchdringenden Tenorstimme gewohnt. Später hörte ich ihn immer wieder in verschiedenen Opern, wobei seine Gesangsleistung als Giacomo zusammen mit Joyce DiDonato in Rossinis La donna del lago (Die Dame vom See) im Palais Garnier (26. Juni 2010, s. OPERAPOINT7Heft 4/S. 30) für mich eine der seltenen Sternstunden eines vollendet dargebotenen Belcanto (Ziergesang) war. Das sonst eher zurückhaltende Pariser Publikum wollte mit dem donnernden Applaus gar nicht aufhören.
Damals schon konnte man eine Zunahme des Stimmvolumens bei Flórez bemerken, ohne daß die anderen Qualitäten seine Könnens irgendwelche Einbußen erlitten hatte. Im Programmheft wird er als „ein Märchenprinz – und gleichzeitig der König des schönen Gesangs unserer Tage“ tituliert.
Nun trat der elegante Peruaner, ebenso schlank und alert wie ehedem auf die Bühne der Essener Philharmonie. Sein Begleiter auf dem Klavier war der italo-amerikanische Pianist Vincenzo Scalera, ein bekannter Liedbegleiter, den man schon mit vielen weltbekannten Sängern aufgetreten sah.
Im Programm hatte Juan Diego Flórez Arien aus Opern von Händel, Donizetti, Meyerbeer, dem frühen Verdi und Lieder von hier unbekannten italienischen Liedkomponisten wie Francesco Paolo Tosti, Stefano Donaudy sowie spanischer Komponisten von Zarzuelas und Tangos gesetzt.
Wer sich auf die hohe Kunst des Belcanto, vielleicht sogar auf eine Arie von Rossini gefreut hatte, wurde ein wenig enttäuscht, denn hier sang er nur eine Arie aus Händels Semele und eine Arie aus Verdis französischer Oper Jérusalem (1847) und zum Ende des Konzerts eine Arie des Roberto aus dessen Oper Roberto Devereux (1829) Ed ancor la tremenda porta – will dieses schreckliche Tor sich noch immer nicht öffnen
Sehr gekonnte und rhythmisch präzise interpretierte er einige Lieder aus Zarzuelas, die wegen der anklingenden spanischen Folklore großen Anklang fanden. Besonders die Jota, ein leidenschaftlicher spanischer Tanz, riß das Publikum von den Stühlen.
Das langanhaltende Klatschen belohnte der liebenswürdige Sänger mit drei Zugaben, wobei die letzte Aria La donna è mobile – die Frauen sind unbeständig natürlich alle Zuhörer restlos begeisterten. Dann all seine Leichtigkeit, seine ungemein deutliche Artikulation, seine Koloratursicherheit und die ungemein treffsichere Intonation waren darin zu erkennen. Und vorher hatte er schon mit einigen höchsten Tönen der D‘s und C’s die Herzen höher schlagen lassen.
Dr. Olaf Zenner
Bild: Ingrid Yrivarren