von Richard Wagner (1813-1883), Erster Tag zum Bühnenfestspiel Der Ring des Nibelungen, Libretto: R. Wagner. UA: 26. Juni 1870 München, Königliches Hof- und Nationaltheater
Regie: Rosamund Gilmore, Bühne: Carl Friedrich Oberle, Kostüme: Nicola Reichert, Dramaturgie: Christian Geltinger.
Dirigent: Ulf Schirmer, Gewandhausorchester, Tanzensemble.
Solisten: Guy Mannheim (Siegmund), Christiane Libor (Sieglinde), James Moellenhoff (Hunding), Markus Marquardt (Wotan), Eva Johansson (Brünnhilde), Kathrin Göring (Fricka), Katja Beer (Gerhilde), Eun Yee You (Ortlinde), Monica Mascus (Waltraute), Sandra Janke (Schwertleite), Josefine Weber (Helmwige), Jean Broekhuizen (Siegrune), Karin Lovelius (Grimgerde), Bonnie Cameron (Rossweiße), Ziv Frenkel (Grane).
Besuchte Aufführung: 7. Dezember 2013 (Premiere)
Die Zwillinge Siegmund und Sieglinde, leibliche Kinder Wotans, treffen nach Jahren der Trennung im Hause Hundings zusammen. Sieglinde, die gegen ihren Willen mit Hunding verheiratet ist, erkennt den Bruder, die beiden werden ein Liebespaar. Ehebruch und Inzest rufen Fricka, Wotans Frau und Hüterin der Ehe, herbei. Sie fordert Siegmunds Tod. Wotan beugt sich ihrem Willen und schickt seine Tochter und die Walküre Brünnhilde aus, den Sohn nach Walhal zu holen. Siegmund widersetzt sich dem Götterspruch und gewinnt Brünnhilde als Verbündete im Kampf gegen Hunding, bis Wotan eingreift und Siegmunds Zauberschwert zerstört. Unbewaffnet fällt Siegmund. Brünnhilde rettet Sieglinde, die ein Kind von Siegmund erwartet. Wotan straft den Ungehorsam der Lieblingstochter, indem er sie in einen schützenden Feuergürtel einschließt, wo sie solange ausharren muß, bis ein Held sie zu erlösen vermag.
Aufführung
Die Kulisse der Walküre ist kriegerisch. Jeder Akt hat ein eigenes Bühnenbild: zunächst ein Wohnraum in Hundings Hütte, eine Jagdhauskulisse mit der Weltesche in der Mitte, in der Außenansicht ein drahtverhauener Bunker. Im zweiten Akt eine abgewrackte Villa, das Inventar ein bürgerlicher Stilmix, am Boden Soldatenmäntel toter Helden, die später umherwandeln. Schließlich öffnet sich der Innenraum in eine Felslandschaft, durch die das Geschwisterpaar, kurz vor dem Zweikampf mit Hunding, schreitet. Das Kampfgeschehen wird vernebelt, ein Tanzensemble ist hier wie in jeder Kulisse szenisches Beiwerk. Im dritten Akt ragt ein Mausoleum aus dem grauen Felsboden, auf dem die weißen Schuhe gefallener Soldaten wie Gräber auf einem Soldatenfriedhof stehen. Die Kostüme reichen von schneidigen Jagdgewändern bis zu bürgerlicher Repräsentationskleidung aus der Zeit Wagners und Militärkleidung von 1914.
Sänger und Orchester
Das Gewandhausorchester spielt gewohnt gekonnt und beschert dieser Leipziger Premiere mitreißende Momente. Der musikalische Leiter des Rings, GMD Ulf Schirmer, dirigiert die Wagner-Partitur in sehr verhaltenem Tempo, wodurch die Musik in Teilen an Dynamik und rhythmischer Spannung einbüßt. Dies mag vielleicht auch der Grund für zu viele holprige Einsätze gewesen sein. Schirmer läßt das Orchester dramatisch aufbrausen, übertönt dadurch aber allzu oft durchsetzungskräftige Sänger wie Markus Marquardt (Wotan) und Eva Johansson (Brünnhilde). Die Wirkung der besonders emotionalen Walküren-Partitur geht dennoch nicht verloren. Die originelle Verwendung historischer Hörner beim Herannahen von Hunding muß man wohl mit einem Augenzwinkern sehen, denn sauber kann dieses Instrument nicht gespielt werden.
Unter den Sängern zeigen sich Guy Mannheim (Siegmund) und Kathrin Göring (Fricka) ihrer Rolle voll gewachsen. Meisterlich, mit ungeheurer stimmlicher Präsenz und Strahlkraft singt Guy Mannheim scheinbar mühelos die Heldenpartie. Einen so wohlklingenden, souveränen Wagner-Tenor hört man selten. Mit klangvollem weichem Sopran, ungezwungen in den hohen Tönen, überzeugt Christiane Libor als Sieglinde. Kathrin Göring sorgt als frustrierte, moralisierende und sehr kämpferische Fricka mit ihrem kurzen Auftritt für einen der Höhepunkte des Abends. Ihr klarer und sehr fokussierter Mezzosopran beherrscht alle Lagen perfekt. Auch Markus Marquardt erweist sich als würdiger Gottvater, mit sicher durch alle Tiefen geführtem Baß. Er beschert dem Publikum die wohl eindrücklichsten Momente dieser Premiere, als Gebrochener im Machtkampf mit der Gattin Als junger Liebe Lust mir verblich sowie der Verbannung der Lieblingstochter Leb wohl, du kühnes, herrliches Kind. Sich gegenüber dem Orchester zu behaupten, gelingt ihm nicht immer, und so gehen einige schöne Partien unter. Gleiches, in punkto Durchsetzungskraft, gilt für Eva Johansson (Brünnhilde), die in dieser Rolle stimmlich an ihre Grenzen gelangt. Die Höhen muß sie sich erstemmen, der fehlende Klang wird allzu oft durch forcierte Kraft ersetzt. Zu schrill und wenig höhentauglich ist auch Chor der übrigen Walküren, wenn auch ihre Auftritte gewaltig in Szene gesetzt sind. Durchgehend störend sind die Darbietungen des Tanzensembles. Ein unnötiger Aktionismus, der den Szenen die Intimität raubt.
Fazit
In der Bewertung der Inszenierung wie auch der orchestralen Leistung war sich das Publikum nicht einig. Hier gab es Buh- und Bravorufe gleichermaßen. Die Sicht des Regieteams um Rosamund Gilmore auf den Ring und die Walküre, die stringent an die Inszenierung des Rheingold anknüpft, ist weder originell, noch ärgerlich. An Intensität gewann dieser Premierenabend immer dann, wenn sich die Regie allein auf die Wirkung der Sänger verlassen hat. Und in dieser Hinsicht hatte die Leipziger Walküre einiges zu bieten.
Norma Strunden
Bild: Tom Schulze
Das Bild zeigt: Fricka (Kathrin Göring), Wotan (Markus Marquardt) und Tänzer Oper Leipzig