von Giuseppe Verdi (1813-1901), Commedia lirica in drei Akten, Libretto: Arrigo Boito nach William Shakespeare, UA: 9. Februar 1893 Mailand, Teatro alla Scala
Regie: Christof Nel, Bühne: Roland Aeschlimann, Kostüme: Barbara Aigner, Licht: Jan Hartmann, Szenische Analyse: Martina Jochem, Dramaturgie: Merle Fahrholz
Dirigent: Dan Ettinger, Orchester des Nationaltheater Mannheim, Choreinstudierung: Tilman Michael, Solisten: Thomas Jesatko (Sir John Falstaff), Lars Møller (Ford), Juhan Tralla (Fenton), Uwe Eikötter (Dr. Cajus), Benedikt Nawrath (Bardolfo), Sebastian Pilgrim (Pistola), Iris Kupke (Mrs. Alice Ford), Eunju Kwon (Nannetta), Edna Prochnik (Mrs. Quickly), Franziska Rabl (Mrs. Meg Page), u. v. a.
Besuchte Aufführung: 14. Dezember 2013 (Premiere)
Sir John Falstaff, ein in die Jahre gekommener und zur Fettleibigkeit neigender Ritter, hat ein Problem: Mit seinen Finanzen steht es nicht gerade zum Bestem. Um seine wirtschaftliche Lage zu verbessern schreibt er Mrs. Ford und Mrs. Page zwei gleichlautende Liebesbriefe in der Hoffnung, daß diese seinem Charme erliegen und ihm die Geldkassetten ihrer vermögenden Ehemänner öffnen. Stattdessen verbünden sich die Frauen und hecken eine Intrige aus, in deren Folge Falstaff zunächst in einem Korb voll Dreckwäsche und dann in der Themse landet.
Gefahr droht ihm aber auch von dem eifersüchtigen Mr. Ford, der unabhängig von seiner Frau dem alternden Casanova eine Falle stellen möchte. Die Späße kulminieren in einer Einladung an Falstaff, sich um Mitternacht mit Alice Ford im Park zu einem Stelldichein zu treffen. Dort angekommen, wird Falstaff von vermeintlichen Geistern arg geschunden, die sich aber schnell als die Eheleute Ford, Tochter Nanetta, deren Geliebten Fenton und weiterer Bürgern von Windsor herausstellen. Falstaff muß das Versprechen ablegen, nie wieder verheirateten Frauen nachzustellen; die Oper endet in der berühmten Schlußfuge Tutto nel mondo è burla – Alles auf Erden ist Spaß, in die die versammelte Gesellschaft einstimmt.
Aufführung
Der Blick des Zuschauers auf die Bühne muß zunächst eine rot gerahmte Öffnung passieren, einen Mund, auf dessen Unterlippe die Sänger im Verlauf der Oper herumtollen und sich verstecken können. Dahinter verbirgt sich ein hohes Gerüst aus Eisenstangen, das meist von stummen Rollen bespielt oder als Garderobe genutzt wird. Die Szenerie bleibt die Oper über unverändert. Mit vielfältigen Requisiten deutet Christof Nel die unterschiedlichen Räume an. Die Kostüme von Barbara Aigner versetzen den Stoff in die Bundesrepublik der 50er Jahre und auch die nächtliche Feenszene scheint einem Kostümball dieser Zeit entsprungen zu sein. Christof Nels Regie ist aufs Burleske ausgelegt, hier ist alles Spaß, alles Spiel. Auch Falstaff verkleidet sich als dicker Ritter und polstert seinen Bauch mit Kissen aus.
Sänger und Orchester
Falstaff, Verdis letzte Oper, zeigt, wie jede gute Komödie, auch die Abgründe der Gesellschaft auf. Für die Sänger, die hier mehr als sonst auch Schauspieler sein müssen, bedeutet das ein immerwährendes Changieren zwischen Witz und Tragik. Sie spielten und sangen mehrere Rollen zugleich. Auf geniale Weise meisterte dies Thomas Jesatko als Falstaff. Sein Baßbariton, dem es etwas an Durchschlagskraft mangelte, blieb immer flexibel. Er stellte den Trinker, dann mit viel Schmelz den Liebhaber dar. Schnell und scharf intonierte er die Schlußfuge.
Seine Kontrahentinnen, das Dreiergespann aus Iris Kupke (Mrs. Alice Ford), Edna Prochnik (Mrs. Quickly) und Franziska Rabl (Mrs. Meg Page), standen ihm stimmlich und darstellerisch in nichts nach. Exzellente Koloraturen lieferte Iris Kupke, und Franziska Rabl begeisterte mit ihrem wattig-warmen Mezzosopran. Brillant zeigten sie sich im Finale des ersten Aktes, in der Männerensemble, Frauengespann, Fenton und das Orchester jeweils ganz eigene Rhythmen an den Tag legen mußten. Juhan Tralla (Fenton) konnte sich hier mit seinem strahlenden Tenor gut durchsetzen. Ihm zur Seite stand Eunju Kwons (Nanetta), die zu Recht den meisten Applaus erhielt: Fast samtig weich klang ihre Mittellage und brillant die Höhe. Dabei blieb die Stimme immer beweglich und flink, bereit für jedes Späßchen.
Auf hohem Niveau musizierte auch das Orchester des Nationaltheaters unter der Leitung von Dan Ettinger. Bei einem solch rasanten Tempo, wie es Ettinger anschlug, erstaunten Präzision und Schwung der Musiker. Das Mannheimer Orchester war nicht nur Begleitung, sondern eigenständiger Protagonist im Verwirrspiel um Illusion und Wirklichkeit.
Fazit
Der Mannheimer Falstaff bot einen vergnüglichen Abend mit Sängern und Musikern auf hohem Niveau. Wunderschön und auch aus akustischer Sicht sehr praktikabel zeigte sich das Bühnenbild von Roland Aeschlimann. Die Inszenierung von Christof Nel war amüsant, mehr aber auch nicht. Eine eigene Deutung von Verdis letzter Oper ließ Nel vermissen.
Jelena Rothermel
Bild: Hans Jörg Michel
Das Bild zeigt: Thomas Jesatko (Sir John Falstaff), Edna Prochnik (Mrs. Quickly), Iris Kupke (Mrs. Alice Ford), Lars Møller (Ford), Eunju Kwon (Nannetta), Chor