SAUL – Kassel, Staatstheater

von Georg Friedrich Händel (1685-1759), Oratorium in drei Akten von Charles Jennens, in englischer Sprache mit deutschen Übertiteln, UA: 1739, London

Regei: Katharina Thoma, Bühne: Sibylle Pfeiffer, Kostüme: Irina Bartels

Dirigent: Jörg Halubek, Staatsorchester Kassel, Opernchor des Staatstheaters Kassel, Choreinstudierung: Marco Zeiser Celesti

Solisten: Marc-Olivier Oetterli (Saul), Musa Nkuna (Jonathan), Yuriy Mynenko (David), Ani Yorentz (Michal), Jaclyn Bermudez (Merab), Johannes An (Abner, Hohepriester, Hexe von Endor), Hee Saup Yoon (Samules Geist, Doeg, Baß-Arie)

Besuchte Aufführung: 14. Dezember 2013 (Premiere)

Kassel SaulKurzinhalt

Saul ist König der Hebräer geworden und zieht erfolglos in den Krieg gegen die Philister, die Erzfeinde Israels. Erst David bringt die entscheidende Wende, als er mit einem gezielten Steinwurf den Riesen Goliath niederstreckt. Das Volk Israel jubelt dem jungen Helden zu, und auch Saul ist zunächst beeindruckt: Zum Dank für den errungenen Sieg bietet er ihm seine ältere Tochter Merab als Frau an – was diese aber empört zurückweist, da David von niederem Stande ist. Und auch Sauls Zuneigung verwandelt sich in Haß. Die Folge: Er versucht David zu töten. Doch das schlägt fehl. Nun gibt Saul vor einzulenken: David darf Michal, Sauls jüngere Tochter, die ihn liebt, heiraten. Danach schickt ihn Saul an vorderster Stelle in den Krieg. Wie Samuel prophezeit hat, fällt Saul im Krieg, und David wird zum neuen König ausgerufen.

Aufführung

Die Ursache für die vielschichtige Bebilderung ist in dem Ansatz zu suchen, daß  wir „heute“ eine Oper der Barock-Zeit spielen, der ein biblisches Thema zugrunde legt. Wir sehen eine Brecht-Bühne, das heißt auf einer leeren Bühne wird mit wenig Inventar, aber einer durchdachten Personenführung die inneren Gefühle und Beziehungen der handelnden Personen unter- und zueinander dargestellt. Solche Ereignisse finden zwischen den Arien statt, werden sonst in einer Sinfonia, Chor oder Balletteinlage oder eben in der Arie nacherzählt. Die Schlacht gegen Doeg wird als Konzertabend für eine heutige Hochzeitsgesellschaft interpretiert, inklusive Loriots Stühlerücken für einen zu spät gekommenen Gast. Der Sieg Davids wird durch den abgeschlagenen Kopf einer barocken Statue symbolisiert, Samuels Geist erscheint als Projektion der heruntergeklappten Decke. Die Kostüme sind entweder Fest- oder Alltagskleidung heutiger Prägung, z.B. ein Trainingsanzug für David. Doch er darf mit einer Laute spielen. Weiter gibt es barocke Hofkleidung mit karikierten Perücken oder wie man sich im Barock biblische Kleidung vorgestellt haben mag.

Sänger und Orchester

Das Orchester steht auf einem Hubpodium. Während der Einleitung ist das Podium hochgefahren, um danach effektvoll im Graben zu versinken. Dem ausgewiesenen Barock-Experten Jörg Halubek gelingt es erneut, dem Staatsorchester Kassel einen silbrigen, erzählfreudigen Klang zu entlocken, der den Klangwelten Händels entspricht. So kommen z.B. Barockbögen zum Einsatz. Für spezielle barocke Instrumente wie Violoncello, Laute oder Theorbe wird das Staatsorchester mit entsprechenden Gästen aufgefüllt. Die Solisten werden harmonisch eingebettet, können sich entfalten, werden nie von dem relativ großen Orchester übertönt. Ihrer Verzierungslust können die Solisten in fast 60 Nummern nachgehen, Dacapo-Arien gibt es allerdings nicht.

Einziger Gast im Ensemble ist der Countertenor Yuriy Mynenko als David. Mit weichem warmen aber immer volltönenden baritonal gestütztem Timbre als Ausgang klettert er technisch sicher durch die Koloraturen, begeistert mit wunderschönen Klangbildern, singt auch alle Noten voll aus. Musa Nkuna wird sicherlich noch als Mozart-Tenor von sich reden machen: Scheinbar problemlos und unangestrengt kommt er durch die Höhen und Tiefen – auch wenn ihn am Ende ein wenig die Leuchtkraft ausgeht, gewinnt Sauls Sohn Jonathan bei ihm Profil. Die Micha kann Ani Yorentz als liebreizende Tochter darstellen, und als jugendlich dynamische Sopranistin erhält sie sogar Szenenapplaus. Jaclyn Bermudez ist ein dramatischer Sopran mit etwas wenig Farbe und ist somit die richtige Besetzung für die zickige Merab. Wenig Durchschlagskraft kann Marc-Olivier Oetterli dem Saul verleihen, ihm fehlt das Volumen, um Emotionen glaubhaft zu machen. Johannes An kann als Tenor für die Nebenrollen (die Hexe von Endor ist eigentlich eine Alt-Rolle) diese spannend gestalten. Er verfügt über eine strahlende baritonale Mittellage, seine Höhen muß er sich jedoch erstemmen. Hee Saup Yoon gestaltet mit seinem sicher durch alle Tiefen geführten Baß entsprechend den mystischen Auftritt des Geistes Samuels und des bösen Feindes Doeg.

Fazit

Das Kasseler Publikum kann sich mit der nunmehr dritten Auseinandersetzung von Jörg Halubek nach Griselda von Scaralatti und L’Olimpiade von Vivaldi für barocke Opern begeistern. Zu Recht, denn das Staatsorchester kann sich auf barocke Klangbilder einstellen. Die Inszenierung kann durch Zurückhaltung und einfache Bebilderung der Szenen einen entsprechenden Beitrag zum Erfolg leisten.

Oliver Hohlbach

Bild: Nils Klinger

Das Bild zeigt: Marc-Olivier Oetterli (Saul), Jaclyn Bermudez (Merab), Musa Nkuna (Jonathan), Damen und Herren des Opernchores

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