Lakmé – Paris, Opéra Comique

von Léo Delibes (1838-1891), Oper in drei Akten, Libretto: Edmond Gondinet et Phillippe Gille, U.A: 14. April 1883, Paris, Opéra Comique

Regie: Lilo Baur, Bühne: Caroline Ginet, Kostüme: Hanna Sjödin, Licht: Gilles Gentner Choreographie: Olia Lydaki

Dirigent: François-Xavier Roth, Orchestre Les Siècles, Chor: accentus, Chorleitung: Christophe Grapperon

Solisten: Sabine Devieilhe (Lakmé), Frédéric Antoun (Gérald), Élodie Méchain (Mallika), Paul Gray (Nilakantha), Jean-Sébastien Bou (Frédéric), Marion Tassou (Ellen), Roxane Chalard (Rose), Hanna Schaer (Mistress Bentson), Antoine Normand (Hadji) u.a.

Besuchte Aufführung: 10. Januar 2014 (Premiere)

Paris OC LakmeVorbemerkung

Léo Delibes ist als Operettenkomponist (u.a. für den Kursaal von Bad Ems), und danach als Balletkomponist (a. u. Coppélia und Silvia) erst spät zur Oper gekommen. Lakmé ist seine letzte vollendete Oper. Zum Teil von einem Roman Pierre Lotis inspiriert, gehört sie in die Reihe jener „exotischer“ Bühnenwerke (exotisch meist mehr im Dekor als in der Musik), die in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts Mode waren, wie zuvor Bizets Die Perlenfischer oder Meyerbeers Die Afrikanerin oder danach Puccinis Madame Butterfly. In der britisch-französischen Kolonialkonkurrenz der damaligen Zeit hatte die Oper auch politischen Gehalt. Ganz bewußt hat der Komponist in einem Werk, zwei verschiedene Stile verwendet: die Rollen der Engländer sind im üblichen „opéra-comique-styl“, etwas operettenhaft, manchmal etwas grotesk, die Rollen der Inder hingegen sind ernster und lyrischer komponiert. Nur die Rolle des Gérald durfte bald auch ins Lyrische übergleiten. Seit ihrer Uraufführung war Lakmé ein enormer Erfolg und ist es, auch international, bis heute geblieben.

Kurzinhalt

In dem von Großbritannien beherrschten Indien verlieben sich der britische Offizier Gérald und Lakmé, die gottgeweihte Tochter Nilakanthas, eines Bramanen, der gegen die britische Herrschaft kämpft, bei einem zufälligen Zusammentreffen ineinander. Doch sie werden von Nilakantha überrascht, der Rache schwört, weil ein Ausländer sein Heiligtum entweiht hat. Um Gérald anzulocken, läßt Nilakantha bei einem Volksfest seine Tochter alte indische Legenden vorsingen, bis sie erschöpft zusammenbricht. Gérald, der in der Menge zugehört hatte, stürzt ihr zu Hilfe. Der Bramane versucht ihn zu töten, aber verwundet ihn nur. Mit Hilfe ihrer Dienerin schafft Lakmé ihren Geliebten in eine abgelegene Hütte im Dschungel. Dort findet ihn sein Kamerad Frédéric, der ihn auffordert, in die Kaserne zurückzukehren, das Regiment breche auf. Als Lacmé das erfährt, kaut sie eine giftige Blume, bevor sie mit Gérald gemeinsam den Becher heiligen Wassers leert, der ihre Union besiegelt. Als ihr Vater erscheint, um Gérald zu töten, erklärt sie, daß ihr Geliebter durch den Trunk heiligen Wassers nun auch geheiligt sei, und daß ihr Tod die Entweihung des Tempels sühne.

Aufführung

Die Inszenierung von Lilo Baur und Team begleitet wirkungsvoll die Handlung auf der Bühne. Die Dekors, ein einfacher „Hügel“ auf sonst leerer Bühne als Tempelberg im ersten Akt; stilisierte, glitzernde Pagoden als Durgha Tempel im zweiten Akt und lose Faservorhänge als Bambushütte im Dschungel im Schlußakt. Die Kostüme in der Art des Orients für die Inder, die Engländerinnen sind eher zeitlos modern gekleidet, die beiden Offiziere in einfachen Phantasieuniformen. Besonders bunt und belebt ist die orientalische Marktszene mit Verkaufständen, ambulanten Händlern und dem anschließenden Bayaderentanz vor dem Tempel in zweiten Akt.

Sänger und Orchester

Der unbestrittene Star des Abends war die erst 28-jährige Sabine Devieilhe als Lakmé. Mit ihrer kristallklaren Sopranstimme spielt sie, wie ein großer Virtuose mit seinem Instrument, die feinsten Nuancen aus. Nicht nur interpretiert sie makellos die berühmte Koloratur-„Glockenarie“ Où va la jeune hindou, fille des parias (2. Akt, 5. Szene), sondern spielt und singt meisterhaft die ganze komplexe Rolle der Lacmé und versucht sie, nach eigener Aussage, zu vermenschlichen. Es war ihr Debut in der Opéra Comique, wie es zwei Monate später das Debut als Königin der Nacht in der Opéra Bastille sein wird: „A star is born“.

Fréderic Antoun singt mit warmer, lyrischer  Tenorstimme den Gérald, besonders bewegend im Liebesduett mit Lakmé (3. Akt, 1. Szene). Paul Grays gewaltige, wohlklingende Baßbaritonstimme und seine eindruckvolle, hohe, schlanke Figur machen ihn zum vollkommenen Glaubensstreiter, aber auch zum besorgten Vater, wie in Lakmé, ton doux regard se voile (2. Akt, 5. Szene). Elodie Mechains volle dunkle Altstimme verleiht dem Blumenduett Lakmé-Mallika Dôme épais le jasmin à la rose s’assemble (1. Akt, 4. Szene) besondere Stimmung. Jean-Sébastian Bou ist der ironische, aber pflichtbewußte Offizier Frédéric und Antoine Normand der treue Diener Hadji. Das bewußt etwas lächerliche Trio, two silly young girls and their mistress, wurde witzig und glaubhaft interpretiert von Marion Tassou, Roxane Charlard und Hanna Schaer.

Das Orchester liefert unter der Leitung von François-Xavier Roth eine dynamische und ausnehmend klangfarbenreiche Interpretation der Orchesterpartitur. Das ist vielleicht zum Teil auch darauf zurückzuführen, daß, wie bei der Uraufführung, das Orchester „umgedreht“, d.h. mit Blick auf die Bühne spielt, wobei die Bläser dem Publikum am nächsten zu sitzen kommen, aber auch dadurch, daß das Orchester auf den besonders scharf tönenden Instrumenten aus der Zeit der Uraufführung spielt. Der Chor, sehr gut einstudiert von Christophe Grapperon, spielt eine bedeutende Rolle in der Oper.

Fazit

Die Opera Comique hat nun, 130 Jahre nach der Uraufführung im selben Haus, die Oper zum 1604. Mal in einer hervorragenden Besetzung und in einer erfreulichen Inszenierung neu auf die Bühne gebracht. Die Aufführung wurde mit donnerndem Applaus quittiert.

Alexander Jordis-Lohausen

Bild: DR Pierre Grosbois

Das Bild zeigt: Paul Gray (Nilakantha) und Sabine Devieilhe (Lakmé)

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