von Richard Wagner, Romantische Oper in drei Aufzügen, Libretto: Richard Wagner, nach Heinrich Heines Die Memoiren des Herren von Schnabelewopski; UA: 2. Januar 1843 Dresden, Königliches Sächsisches Hoftheater Regie: Jonathan Kent, Bühne/Kostüme: Paul Brown, Licht: Mark Henderson, Choreographie: Denni Sayers, Videodesign: Nina Dunn
Dirigent: Michael Boder, Chor und Orchester der Königlich dänischen Oper
Solisten: Ann Petersen (Senta), Johan Reuter (Holländer), Clive Bayley (Daland), Niels Jørgen Riis (Erik), Gert Henning-Jensen (Steuermann).
Besuchte Aufführung: 26. Januar 2014 (Premiere, gesungen in der Originalsprache)
Senta schwärmt für den namenlosen Holländer, einen Verfluchten der Meere, von dem sie eine Ballade zu singen weiß. Als er wie alle sieben Jahre das Land betritt, um eine Frau zu finden, die ihm die Treue hält, wird er von der Schiffsbesatzung Dalands, Sentas Vater, entdeckt. Er stellt Senta den unbekannten Seemann vor, der einen wertvollen Schatz an Bord mit sich führt. Senta und der Holländer fühlen sich auf unerklärlich Weise zueinander hingezogen, bis Erik, der Verlobte Sentas, erscheint und der Holländer enttäuscht auf sein Schiff zurückkehrt. Bevor er davonsegelt erreicht ihn Senta, stürzt sich ins Meer und beweist ihm damit ihre Treue bis in den Tod.
Aufführung
Wagners Holländer wird in einer dramatisch stark bearbeiteten Inszenierung an der Königlichen Oper Kopenhagen gegeben. Sie war ursprünglich ein Konzept der English National Opera aus dem Jahre 2012 und verlegt die Handlung der Oper in eine örtlich unbestimmte Gegenwart (oder nahen Vergangenheit) und macht Senta zur Hauptfigur des Geschehens. Senta ist von Anfang an auf der Bühne gegenwärtig, als Kind im Schlafanzug in einem rosageblümten Bett, das in der Mitte der Bühne steht.
Den ersten Aufzug erleben wir als ein Phantasiegebilde von Senta, in der sie die Geschichte vom Fliegenden Holländer erschaut, mit ihrem Vater, der Seemann ist, in der Figur des Daland. Der zweite Aufzug zeigt Senta als eine junge Erwachsene. Anstatt den Spinnrocken zu bedienen, arbeitet sie in einer Manufaktur für Buddelschiffe (Flaschenschiffe). In ihren Pausen nimmt sie lieber das Buch vom Fliegenden Holländer hervor als mit den anderen Mädchen zu schwatzen, weswegen sie gehänselt wird. Während alle zum Hafen eilen, um die wiederkehrenden Seeleute in Empfang zu nehmen, bleibt sie zurück und verliert sich in der Phantasiewelt der Sage. Im dritten Aufzug wird Sentas Vermischung von Traum und Wirklichkeit grotesk. Anläßlich der Heimkehr der Seeleute wird eine ausgelassene Faschingsorgie gefeiert, in der Senta, die sich als die Braut des Holländers sieht, dem Gespött der Anwesenden ausgesetzt. Die Situation spitzt sich zu, als Sentas Jugendfreund Erik sich als ihr rechtmäßiger Verlobter präsentiert, wodurch ihr Treueverspechen gegenüber dem Holländer fragwürdig wird. Sie entscheidet sich aber für den Holländer, indem sie ihrem Leben ein Ende bereitet.
Sänger und Orchester
Ann Petersen, Sopran, gestaltet Senta als eine etwas einfältige junge Frau, die ihre Leidenschaften nur schwer zu unterdrücken in der Lage ist. Sentas Ballade wird zu einem Höhepunkt der Vorstellung, mit der sie die übrigen Sänger nicht nur szenisch, sondern auch stimmlich in den Schatten stellt. Johan Reuter, Bariton, verleiht dem Holländer eher eine noble, als eine tragische Note, während der etwas ungeschliffene Tenor von Niels Jørgen Riis ausgezeichnet zur Figur des Erik als Verlierer paßt. Clive Bayley, Baß, macht aus Daland eine stimmlich wohlklingende, jedoch nicht übermäßig sympathische Vaterfigur, und Gert Henning-Jensen, Tenor, singt die Rolle des Steuermanns mit klarer, jugendlicher Stimme, in der Potential für größere Rollen steckt. Die Duette werden korrekt ausgeführt, doch stellt der Aktionsreichtum dieser Inszenierung die musikalischen Leistungen des Abends mitunter in de Schatten. Der Chor mit nahezu hundert Sängern imponiert sowohl stimmlich als auch choreographisch, und das Orchester unter der Leitung von Michael Boder produziert einen mächtigen Klang, wobei es sich doch den Sängern stets unterordnet.
Fazit
Jonathan Kents psychologisch gedeutete und aktualisierte Inszenierung von Wagners Holländer ist eine äußerst gelungene und sehenswerte Aufführung, die auch musikalisch erfolgreich ist. Zwar ist die Idee, Senta als Hauptfigur zu verstehen, nicht neu, doch fällt die dänische Modernisierung radikaler als etwa die mittlerweile schon klassischen Inszenierungen etwa Harry Kupfers aus. Zudem spielt sie sich in einem architektonischen Schmuckstück ab, einem modernen Opernhaus aus dem Jahr 2004 in Beton, Glas und rötlichem Kirschbaumholz. Sie liegt im ehemaligen Packhafen der Stadt Kopenhagen, direkt gegenüber dem königlichen Schloß.
Dr. Marion Lamberth
Bild: Per Morten Abrahamsen
Das Bild zeigt: Ann Petersen (Senta) im dritten Aufzug