von Samuel Bächli; Eine Kammeroper in einem Akt, Text und Musik von Richard Wagner; UA: 2006, Gelsenkirchener Fassung.
Regie: Barbara Kunze, Bühnenbild: Jeannine Cleemen
Dirigent: Samuel Bächli, Mitglieder des Philharmonischen Orchesters Erfurt
Solisten: Stephanie Müther (Sachs), Ilia Papandreou (Stolzing), Alice Rath (Beck), Susanne Rath (Messer), David Umstadt (David)
12. Februar 2009 (Uraufführung der Erfurter Fassung)
Kurzinhalt
Der über der Suche nach der wahren Kunst wahnsinnig gewordene Hans Sachs quält ein chaotisches Musikgewirr. Da erklingt Stolzings Preislied Morgendlich leuchtend im rosigen Schein von Sachs als Ideal der Kunst erkannt. Leider verschwindet es in den Intrigen der Gegenspieler Beck, Messer und David bzw. in dem von ihnen ausgelegten Regelwerk. Sachs beginnt seine Suche nach dem verlorenen Ideal und stellt es gegen den Willen seiner Gegenspieler wieder her.
Aufführung
Die Handlung orientiert sich an der Oper Die Meistersinger von Nürnberg, die – auf eine Kammeropern-Fassung reduziert – aller Elemente der mittelalterlichen Butzenscheiben-Romantik und der spießbürgerlichen Festwiesen-Gesellschaft beraubt wurde. Es geht um eine Fokussierung auf den Kunstbegriff aus der Sicht Richard Wagners, – so wie es Egon Voss formuliert hat und Samuel Bächli nun in Musik umgesetzt hat.
Sachs ist auf der Suche nach der wahren Kunst und quält sich durch die gesammelten Werke Richard Wagners. Da erscheint Stolzing mit seinem Preislied als verklärendes Ideal – ganz in rot gekleidet. Doch er verfängt sich in den Fallstricken des Regelwerkes und die wahre Kunst droht zu scheitern. Sachs versucht nun zwischen Beck, Messer und David, den zynischen Regelwächtern, und den regellosen Stolzing auf der anderen Seite zu vermitteln. Der Weg zum hehren Künstlerideal führt über zahllose Regale und Schränke voller Regelwerke sowie alle Arten von Fallstricken und Falltüren bis das hehre Künstlerideal erreicht ist, bis Stolzing (und die hehre Kunst!) wieder im hellen Rot erstrahlt.
Sänger und Orchester
Samuel Bächli reduziert die Orchesterbesetzung von 91 Musikern auf 12 Musiker, d.h. die Größe eines Kammerorchesters. Die großen Orchesterstücke wie Prügelfuge oder Festwiese entfallen, aber ähnlich wie das Siegfried-Idyll Themen aus dem Ring musikalisch zusammenfaßt, so führt die verkleinerte Besetzung die musikalische Grundfrage vor Augen.
Sängerisch führt die Besetzung von Stolzing, Beckmesser und Sachs mit weiblichen Stimmen zu dem Problem, daß man z.B. nicht einfach die Noten von Tenor zu Sopran umschreiben kann, denn die Breite der Register ist unterschiedlich. Ein Tenor – eigentlich ein „Bariton mit Höhe“ – entspricht nicht dem Sopran. Ilja Papandreou ist zwar ein hervorragender Sopran mit leuchtender Strahlkraft, aber die Spitzentöne in Stolzings Preislied wirken sehr aufgesetzt. Besser kommen die beiden Mezzo-Soprane Alice Rath (Beck) und Susanne Rath (Messer) zurecht, die sich die Bariton-Partie des Beckmessers teilen. Sie spielen sich die Bälle sehr eindrucksvoll zu beim Herunterbeten der Regeln oder der Darstellung ihrer Auffassung des Kunstbegriffs in Den Tag seh’ ich erscheinen. Der Tenor Peter Umstadt stellt unter Beweis, daß er die richtige Partie des David an einem großen Haus singen und auch spielen könnte – und überraschenderweise gilt das auch für die transponierte Baßpartie des Nachtwächters. Die überraschende Erkenntnis des Abends ist, daß eine Sängerin, die stimmlich zwischen Mezzo-Sopran und Alt liegt (wie Stephanie Müther), die Rolle des Sachs fast so wie ein männlicher Sachs singen kann. Die Johannisnacht war sehr nachdenklich und die Eva aus dem Paradies wurde lautstark vertrieben. Und auch der gefürchtete Schlußmonolog konnte leicht gekürzt überzeugen.
Fazit
Ein Abend, der mit viel Beifall in der leider nur zur Hälfte besetzten Studiobühne aufgenommen wurde. Das Ergebnis kann man ähnlich Maurice Bejarts Ballett „Der Ring um den Ring“ als Erläuterung zum Verständnis aller Werke des Meisters werten. Auch hier konnten einige interessante neue Aspekte zum Werkverständnis Richard Wagners deutlich gemacht werden – und worauf er eigentlich mit den Meistersingern abzielte: Seiner Verherrlichung als Künstler. Richard Wagner würde beifällig nicken!
Oliver Hohlbach
Bild: L. Edelhoff
Bildlegende: Alle bedrängen Stolzing: Was ist die wahre Kunst?
(Beck, Sachs, Stolzing, Messer, David)