von Giuseppe Verdi (1813 – 1901), Oper in vier Akten, Libretto: G. Verdi, Francesco Maria Piave und Andrea Maffei nach dem gleichnamigen Drama William Shakespeares
UA der Zweitfassung: 1865, Paris
Regie: Vilppu Kiljunen, Bühnenbild: Sampo Pyhälä, Kostüm: Marja Uusitalo, Licht: Linus Fellbom
Dirigent: Pier Giorgio Morandi, Königliche Hofkapelle und Chor, Einstudierung: Folke Alin und Christina Hörnell
Solisten: Marco Vratogna (Macbeth), Jaakko Ryhänen (Banquo), Lena Nordin (Lady Macbeth), Agneta Lundgren (Lady Macbeths Kammerfrau), Badri Maisuradze (Macduff), Jonas Degerfeldt (Malcolm), John Erik Eleby (Macbeths Diener), Ian Power (Geist)
Besuchte Aufführung: 21. Februar 2009 (Premiere, Pariser Fassung))
Kurzinhalt
Den schottischen Fürsten Macbeth erreicht nach einer Schlacht die Nachricht, daß er zum neuen Than von Cawdor ernannt worden sei. Mit diesem schnellen Aufstieg ist sein – und seiner Gemahlin – Ehrgeiz bis zum äußersten aufgestachelt, auch nach der Königswürde zu greifen, selbst, wenn es einzig durch die Ermordung des alten Königs Duncan möglich sein sollte. Macbeth ersticht diesen im Schlaf, um danach selbst gekrönt zu werden und zusammen mit seiner Gattin eine von Angst, Mißtrauen und Terror gekennzeichnete Epoche in der schottischen Geschichte einzuleiten. Das Blut der zahllosen Opfer ihrer Schreckensherrschaft fällt schließlich auf die beiden zurück: Lady Macbeth tötet sich im Wahnsinn und Macbeth wird bei einer Revolte umgebracht, kurz nachdem ihm die Sinn- und Fruchtlosigkeit seines gesamten Tuns aufgegangen ist.
Aufführung
Das finnische Regieteam um Vilppu Kiljunen präsentiert Verdis Oper in einem lokal, aber nicht zeitlich festgelegten Gewande. Man sieht Schottenröcke bei den männlichen und mittelalterlich anmutenden Kleidern bei den weiblichen Solisten und Choristen. Zu den verwendeten Requisiten gehören aber auch im Hinblick auf die Handlungszeit anachronistische Gegenstände wie tragbare Neonröhren und Maschinenpistolen. Die düstere Handlung erfährt eine adäquate visuelle Umsetzung in Gestalt des dunklen, im Hintergrund oft mit Nebel erfüllten Bühnenbildes, vor dem sich die bleichen Hexenchöre und das Ballett gespenstisch ausnehmen, kurz: Die gesamte Inszenierung macht die alptraumhafte Atmosphäre der Oper auf eindrückliche Weise deutlich.
Sänger und Orchester
Diese Oper steht und fällt mit den Sängern ihrer beiden Hauptrollen. Darstellerisch und sängerisch ist Marco Vratogna (Macbeth) seiner Partnerin Lena Nordin (Lady Macbeth) klar überlegen. Zwar verfügt er über keine metallisch durchschlagende Stimme, doch vermag er eine Fülle von Nuancen aufzubieten, die seiner Rolle gut anstehen, vom dämonisch Gellenden in der hohen Lage bis zu einer schon fast heiser raunenden Mittellage, also in genau dem baritonalen Klangspektrum, in dem seine Partie hauptsächlich angesiedelt ist. Hinzu kommt eine expressive Behandlung seines Gesangstextes, vor allem die äußerst scharf ausgesprochenen Zischlaute, wobei er es freilich in dieser Hinsicht gelegentlich ein wenig übertreibt. Wie seine Partnerin vermochte er die rhythmischen Schwierigkeiten seiner Partie äußerst sicher zu meistern und darstellerisch bot er in dieser Rolle Vorbildliches. Lena Nordins Timbre ist in vielerlei Hinsicht vollkommen für die Lady Macbeth geeignet, ihre Gesangstechnik, die ihr sowohl die Gestaltung der beweglichen Passagen, also in erster Linie der Verzierungen, als auch der energischen Fortissimo-Einsätze gestattet, nahezu perfekt, aber leider nur nahezu. Etliche Probleme dieser Sängerin erinnern an keine geringere als die späte Maria Callas. Wie sie setzt Nordin – sicherlich mit dramatischem Hintergedanken – ihre tiefen Passagen generell zu tief an und ist bei ihren Koloraturen zuweilen nicht besonders akkurat. Insbesondere die hohen Spitzentöne innerhalb der Koloraturen singt sie zu offen, so daß sie recht schneidend klingen. Hohe Einsätze vermag sie hingegen makellos zu nehmen. Hinzu kommt ein mangelhafter Ausgleich zwischen mittlerem und tiefem Register, was bei dem enormen Tonumfang ihrer Partie allerdings vonnöten wäre. Neben diesen beiden Sängern vermochte an diesem Abend lediglich Jaakko Ryhänen (Banquo) durch seinen souveränen und ausgeglichenen Gesangsvortrag aufzukommen. Badri Maisuradze (Macduff) sang seine Rolle zwar wohlklingend, blieb darstellerisch aber blaß.
Chor und Orchesterboten unter Pier Giorgio Morandi vor allem im Hinblick auf rhythmische und dynamische Akkuratesse eine überzeugende Leistung; lediglich beim Schluß des ersten Hexenchores im ersten Akt klapperte es ein wenig. Die Koordinierung von Solisten und Orchester durch den Dirigenten war im übrigen tadellos. Die oft spröden Klänge der Partitur wurden dem Zuhörer an diesem Abend in unvermittelter Schärfe präsentiert.
Fazit
Der neue Stockholmer Macbeth vermag mit einer soliden musikalischen Präsentation von Orchester und Chor aufzuwarten. Der Darsteller der Titelfigur gibt einen überzeugenden Macbeth, während die Lady Macbeth leider ein paar stimmliche Schwachpunkte hat, über die man aber dank der schlüssigen szenischen Umsetzung der Oper, die – etwa im Gegensatz zur aktuellen Inszenierung an der Berliner Staatsoper – keine Längen entstehen läßt, gut hinwegsehen kann.
Dr. Martin Knust
Bild: Hans Nilsson
Das Bild zeigt Lena Nordin als Lady Macbeth.