von Richard Wagner (1813-1883), Erster Tag zum Bühnenfestspiel Der Ring des Nibelungen, Libretto: R. Wagner. UA: 26. Juni 1870 München, Königliches Hof- und Nationaltheater
Regie: Uwe Eric Laufenberg Bühne: Gisbert Jäkel und Kostüme: Antje Sternberg
Dirigent: Dennis Russell Davies, Bruckner Orchester Linz
Solisten: Michael Bedjai (Siegmund), Albert Pesendorfer (Hunding), Gerd Grochowski (Wotan), Brit-Tone Müllertz (Sieglinde), Elena Nebera (Brünnhilde), Karen Robertson (Fricka), Christa Ratzenböck (Gerhilde), Gotho Griesmeier (Ortlinde), Valentina Kutzarova (Waltraute), Bernadett Fodor (Schwertleite), Mari Moriya (Helmwige), Kathryn Handsaker (Siegrune), Vaida Raginskyte (Grimgerde), Inna Savchenko (Rossweiße)
Besuchte Aufführung: 22. März 2014
Der verfolgte Wälsunge Siegmund findet bei der verlorengeglaubten Zwillingsschwester Sieglinde Zuflucht und zeugt Siegfried. Fricka verlangt Sühne für Ehebruch und Blutschande. Durch die eigenen Gesetze gebunden, muß Wotan Siegmund opfern. Todgeweiht will Siegmund die Schwester lieber töten, als ungeschützt zurückzulassen. Da beschließt Brünnhilde, entgegen Wotans Befehl, die Wälsungen zu retten, doch Wotan bewirkt Siegmunds Tod. Brünnhilde flieht zunächst mit Sieglinde vor Wotan, aber Wotan bestraft Brünnhilde und bettet sie in einen Feuerring, aus dem nur ein Held sie erretten kann.
Aufführung
Für den ersten Akt hat man eine zweistöckige Hütte Hundings geschaffen – mit Küchentheke, einen gespaltenen Baumstumpf mitten im Raum und einen oberen Stock, in dem Brünnhilde und die Mannen Hundings herumirren. Der zweite Akt zeigt ein großes Zelt, in dem Wehrmachtsoffiziere mit Wotan eine Lagebesprechung an einem riesigen Eichentisch durchführen. Mit dem Nahen Hundings fällt die Plane. Der Walkürenfelsen (eine Statue der Germania) befindet sich in einer Hofreitschule mit großem Portal, auf einer Pferdebahn reitet eine Walküre auf einem Braunen und wirft Leichen und Leichenteile ab. Während dieses Walkürenrittes wird ein Bild des Stalingrader Barmalei-Brunnens mit tanzenden Kindern vor zerstörten Häusern eingeblendet. Dazu passen die Kostüme, die sich an der Alltagskleidung und Militäruniformen der 1940iger Jahre orientieren, so erinnern die Walküren an weibliche Kampfflieger wie Hanna Reitsch.
Sänger und Orchester
In dieser Produktion setzt Albert Pesendorfer die stimmlichen Maßstäbe. Ihm gelingt es die Rolle des Hunding klug und überzeugend zu gestalten sowie mit sicherer Tiefe und klarer Aussprache Schwerpunkte zu setzen: Ohne falsche Dämonie, sein Hunding ist einfach grundlos grandios bösartig. Zumindest im dritten Akt kann Gerd Grochowski als Wotan überzeugen, denn zuvor hatte er mit gurgelnden Pathos sich durch die Auseinandersetzung mit Fricka georgelt. Das lag vielleicht auch an Karen Robertson, deren sehr leichter Sopran nur mit viel Kraft eine keifige Fricka hervorbrachte.
Somit wurde der Abschied Wotans von Brünnhilde der sängerische Höhepunkt, denn Elena Nebera stellte sich auch klanglich auf Wotan ein. Ihre tief-timbrierte, rauchige Stimme ist vielleicht ein wenig gewöhnungsbedürftig, und sie sollte noch an der Wortverständlichkeit arbeiten sowie das teilweise heftige Tremolieren reduzieren. Problematisch ist auch das Wälsungen-Paar besetzt. Michael Bedjai verfügt über viel baritonale Strahlkraft, jedoch in der tenoralen Höhe fängt die Stimme an zu wackeln. Manche Phrasen kürzt er ab, manche Töne singt er nicht aus. Brit-Tone Müllertz hat einen jugendlichen Sopran, der allerdings schon im Piano zum Tremolieren neigt. Die Sieglinde im Finale des ersten Akts gestaltet sie mit zu viel Kraft, so daß deutlich hörbare Schärfen hervortreten.
Vielleicht liegt das auch an den stellenweise sehr breiten Tempi, die Dennis Russel Davies anschlägt. Etwas mehr Tempo wäre wohl an der einen oder anderen Stelle hilfreich gewesen. Unbestreitbar ist, daß das Bruckner Orchester Linz durch die Pflege des Werkes Bruckners bestens vorbereitet ist auf die Klangdynamik und die vielen musikalischen Effekte Wagners, die, zu einem großen weichen Teppich geformt, das Publikum einlullen.
Fazit
Eines muß man Uwe Eric Laufenberg durchaus hoch anrechen, nämlich daß er mit dieser Produktion eindrucksvolle Bilder geschaffen hat. Jedoch weiß er offensichtlich nie, wann es genug ist. So wird üppig bebildert, welche Aussichten Siegmund im Walhall hat – inklusive holder Wunschmädchen – jedoch bleiben wichtige Beziehungen zwischen den Personen blaß, so z.B. zwischen Hunding, Fricka und Wotan am Ende des zweiten Aktes. Oder wenn die beeindruckende Projektion des Flammenmeeres um den Walkürenfelsen unerklärlicherweise am Schluß in eine Luftaufnahme New Yorks und des Time Squares mündet. In der nach unten offenen Schreckensskala der Regietheater-Einfälle nimmt die Vergewaltigung Sieglindes durch Hundings Mannen einen neuen Tiefpunkt ein. Ist Siegfried etwa gar nicht der Sohn Siegmunds? Vielleicht sollte Uwe Eric Lauffenberg seine Produktion erst überdenken, bevor sie, wie man munkelt, in Wiesbaden, seiner neuen Intendantenstelle, übernommen wird. Das Publikum könnte dort weniger gnädig sein, als das Linzer Publikum, das sich freut in, seinem neuen Haus anspruchsvoll unterhalten zu werden, und der Produktion einhellig applaudierte.
Oliver Hohlbach
Bild: Karl Foster
Das Bild zeigt: Inna Savchenko (Rossweiße), Gerd Grochowski (Wotan), Karen Robertson (Fricka), und Statisterie, v.l.n.r.