AUFSTIEG UND FALL DER STADT MAHAGONNY – Hof, Theater

von Kurt Weill (1900-1950), Oper in drei Akten, Libretto: Bertolt Brecht, UA: 9. März 1930 Leipzig, Neues Theater

Regie: Peter Kupke, Bühne: Peter Schulz, Kostüme: Susanne Suhr

Dirigent: Ivo Hentschel, Hofer Symphoniker, Opernchor und Extrachor, Choreinstudierung: Cornelius Volke

Solisten: Stefanie Rhaue (Leokadja Begbick), Karsten Jesgarz (Fatty, Prokurist), Jens Waldig (Dreieinigkeitsmoses), Inga Lisa Lehr (Jenny Hill), Brenden Patrick Gunnell (Jim Mahoney), Mathias Frey (Jack O’Brien), Birger Radde (Bill, genannt Sparbüchsenbill), Hyung-Wok Lee (Joe, genannt Alaskawolfjoe), Mathias Frey (Tobby Higgins)

Besuchte Aufführung: 14. März 2014 (Premiere)

Hof MahagonnyKurzinhalt

Die Witwe Begbick, Fatty und Dreieinigkeitsmoses sind in der Wüste auf der Flucht vor den Konstablern liegen geblieben und gründen dort die Stadt Mahagonny, in der alle Bedürfnisse befriedigt werden. Seit Jenny mit sechs leichten Mädchen dazugekommen ist, strömen zuerst die Goldsucher, dann auch vier Holzfäller aus Alaska herbei: Jim, Jack, Bill und Joe. Jim kauft sich Jenny, aber die Preise fallen, die Menschen wollen Mahagonny verlassen. Da nähert sich ein Hurrikan, verschont aber im letzten Moment die Stadt.

Jim formuliert das neue Gesetz: Du darfst Alles! Jack frißt sich zu Tode, Dreieinigkeitsmoses prügelt Joe im Boxring zu Tode. Jim verliert bei dieser Boxwette all sein Geld und kann das folgende Saufgelage nicht bezahlen. Während der Mörder Higgins vor Gericht nach einer Zahlung freigesprochen wird, wird Jim zum Tode verurteilt, da das schlimmste Verbrechen in Mahagonny ist, kein Geld zu haben! Das zügellose Leben steigert sich, es kommt zu Tumulten gegen steigende Preise. Der Fall von Mahagonny ist nicht aufzuhalten.

Aufführung

Ein einfaches Bühnenbild wird hier verwendet: Drei schmucklose Gebäudefronten bilden den Abschluß nach den Seiten und den Hintergrund, eine Rampe führt rechts zu einer Art Empore vor dem rechten Gebäude. So entsteht eine große, leere Spielfläche, die immer wieder umgebaut wird. Mit wenigen Gegenständen wird der Charakter des Bühnenbilds bestimmt. So werden für die Verhandlung vor Gericht lediglich drei Stehpulte für die Richter in schwarzen Roben und ein Käfig für den Angeklagten aufgebaut.  Die halbhohe Brecht-Gardine, die immer wieder von Personal auf- und zugezogen wird, verdeckt die Umbauten auf der Bühne nur teilweise, ist eigentlich nur ein Zitat, erfüllt so den Gedanken Brechts nicht. Die dezent gehaltene Garderobe erinnert an die 1930er Jahre in USA oder Europa.

Sänger-Orchester

Dem Dirigenten Ivo Hentschel gelingt der mehr als beeindruckende Nachweis, daß diese Oper mehr ist als nur eine Jazz-Oper. Vielmehr sieht er sie als eine große Oper aus den 1920er Jahren, die ihre Jazz-Elemente als gesellschaftskritische Gegenpole einsetzt. Traumhaft sicher führt er dabei das Orchester durch Weils schwierige Klangwelten und läßt die vielen musikalischen Zitate wie Bachs Oratorien hörbar herauskristallisieren.

Ihm zur Seite stehen gut aufeinander abgestimmte Solisten, an der Spitze Stefanie Rhaue, die als Mezzo des Hauses mit ihrer dunkel timbrierten kräftigen Stimme eine sehr resolute Begbick Kontur verleiht. Karsten Jesgarz gestaltet, als beweglicher Spieltenor, den Fatty als dynamischen Lebensmann und ist eine genauso sichere Bank wie Jens Waldig, der mit treffsicheren und durchschlagsstarken Bariton einen etwas tumben Schläger Dreieinigkeitsmoses abgibt. Inga Lisa Lehr verkörpert am Haus die liebenswerte, jugendlich naive Operettensoubrette und gibt der Jenny einen Jungmädchen-Charme und nichts Verruchtes. Dabei stößt sie an ihre stimmlichen Grenzen und ist wegen Tremolierens selten wortverständlich. Brenden Patrick Gunnell ist ein durchschlagsstarker Tenor mit klarer Höhe und manchmal etwas nasalem Klang. Er rückt die Rolle des Jim Mahoney in den Bereich der gescheiterten Helden Richard Wagners. Gut entwickelt hat sich Mathias Frey in der Doppelrolle als Jack und Tobby, der als lyrischer Tenor sicherlich eine Zukunft hat. Birger Radde ist als Bill ein durchschlagsstarker Bariton, der trotzdem noch Raum für Gefühl und Wärme hat, Hyung-Wok Lee hat einen sicheren Baß mit großer Tiefe und gibt dem Joe als Boxopfer einen würdigen Abgang.

Fazit

Das war jetzt „Brechts Episches Theater“? Die Frage der Dame einen Platz weiter ist berechtigt, denn moralische Abgründe und soziale Mißstände kommen in diesem Stück nicht vor: Keine Huren, sondern eher ein Damenkränzchen, keine Saufgelage, Jack überfrißt sich an zwei Terrinen in einem vornehmen Lokal und auch das Ende Mahagonnys in Chaos und Feuerbrand wird durch einen Ehrenchor während der Beerdigung Jims konterkariert. Vielleicht meint der Berliner Brecht-Spezialist Peter Kupke dem Hofer Publikum nichts zumuten zu dürfen, er präsentiert ein harmlos nettes Singspiel in Kostümen der der Uraufführungszeit. Die heftigen Publikumsreaktionen während der Uraufführung 1930 kann man nicht nachvollziehen. Auch wäre eine Übertitelung sehr hilfreich gewesen, denn teilweise wird sehr undeutlich artikuliert. So feiert das Publikum hauptsächlich und zu recht die musikalische Leistung des Ensembles sehr lange und lautstark.

Oliver Hohlbach

Bild: Harald Dietz, SFF Fotodesign, Hof

Das Bild zeigt: Karsten Jesgarz (Fatty, der „Prokurist“), Jens Waldig (Dreieinigkeitsmoses), Brenden Patrick Gunnell (Jim Mahoney), Hyung Wook Lee (Joe, genannt Alaskawolfjoe), Chor

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