von Richard Wagner (1813-1883), Erster Tag zum Bühnenfestspiel Der Ring des Nibelungen, Libretto: R. Wagner. UA: 26. Juni 1870 München, Königliches Hof- und Nationaltheater
Regie: Georg Schmiedleitner, Bühne: Stefan Brandtmayr, Kostüme: Alfred Mayerhofer
Dirigent: Marcus Bosch, Staatsphilharmonie Nürnberg
Solisten: Vincent Wolfsteiner (Siegmund), Randall Jakobsh (Hunding), Antonio Yang (Wotan), Ekaterina Godovanets (Sieglinde), Rachel Tovey (Brünnhilde), Roswitha Christina Müller (Fricka), Leah Gordon (Gerhilde), Hrachuhi Bassenz (Ortlinde), Leila Pfister(Waltraute), Judita Nagyova (Schwertleite), Michaela Maria Mayer (Helmwige), Gunta Cese (Siegrune), Joanna Limanska-Pajak (Grimgerde), Christina Marie Riedl (Roßweiße)
Besuchte Aufführung: 5. April 2014 (Premiere)
Der verfolgte Wälsunge Siegmund findet bei der verlorengeglaubten Zwillingsschwester Sieglinde Zuflucht und zeugt mit ihr Siegfried. Fricka verlangt Sühne für Ehebruch und Blutschande. Durch die eigenen Gesetze gebunden, muß Wotan Siegmund opfern. Todgeweiht will Siegmund die Schwester lieber töten, als ungeschützt zurückzulassen. Da beschließt Brünnhilde, entgegen Wotans Befehl, die Wälsungen zu retten, doch Wotan bewirkt Siegmunds Tod. Brünnhilde flieht zunächst mit Sieglinde vor Wotan, aber Wotan bestraft Brünnhilde und bettet sie in einen Feuerring, aus dem nur ein Held sie erretten kann.
Aufführung
Wo befinden wir uns? Regisseur Schmiedleitner rückt das Geschehen in eine ferne Endzeit, deren Optik auf Zitaten Bayreuther Ring-Produktionen beruht. Hundings Hütte ist eine Wohnhausruine vor einer Autoreifen-Halde, das nur noch vom Bauschaum zusammen gehalten wird. Alle Elektroleitungen sind herausgerissen, nur die Kochplatte, auf der Sieglinde ekliges Gulasch kocht, funktioniert noch. Das blutige Fleisch liefert Hunding, das er mit tätowiertem Oberkörper, Kirschgeweih auf dem Kopf und mit der Axt in der Hand gewonnen hat. Blut fließt überhaupt reichlich, die Körper Hundings oder der Walküren sind damit beschmiert. Als Siegmund fällt (zuerst nur auf dem Video, dann noch einmal real), spritzt es auf Wotans neuen Mantel, den er von Fricka als treusorgender Ehefrau erhalten hat, während sie ihn zwingt Siegmund fallen zu lassen. Nekrophil ist das Spiel der Mad-Max-Walküren mit den Gefallenen, die sie in Käfigen auf und ab fahren. Vor der Plakatwand mit der Schrift Wir rufen Dich wird auch Brünnhilde zur Ruhe gebettet, während ein Feuerzauber startet.
Sänger und Orchester
Man muß dem Staatstheater Nürnberg eine gelungene Besetzung auf hohem musikalischem Niveau attestieren. Sängerischer Höhepunkt sind die „Szenen einer Ehe“ zwischen Fricka und Wotan sowie das Liebesduett des Wälsungen-Paares. Ekaterina Godovanets gibt der Sieglinde eine jugendlich naive Ausstrahlung, verfügt über eine klare Höhe und ebensolche Tiefe – manchmal verliert sie aber die Leuchtkraft. Vincent Wolfsteiner als Siegmund bestätigt den Eindruck als Loge im Rheingold. Ein lyrischer Tenor, der seine Gefühlsausbrüche überzeugend gestalten kann – bis hin zu den Wälse-Rufen! Auch wenn ihm über die Dauer Kraft und Glanz – vor allem in der Höhe – schwindet, er festigt seinen Ruf als kommende Nachwuchskraft. Randall Jakobsh als Hunding wirkt wahrlich bedrohlich, verfügt er doch über einen rauhen, manchmal hohl klingenden Baßbariton. Die fehlende Eleganz bzw. Stimmführung paßt jedoch gut zum „RTL-Charakter“. Roswitha Christina Müller gestaltet mit ihrem weichen Mezzo die Fricka als charmante Göttermutter, die es nicht nötig hat, bösartig schrill zu sein. Antonio Yang ist die Entdeckung: Mit seinem tief fundierten Baßbariton bei hell strahlenden Timbre verliert er niemals die Gesangslinie und ist darüber hinaus völlig wortverständlich. Ein beispielhafter Walküren-Wotan.
Rachael Tovey verfügt zwar über einen hochdramatischen Sopran, jedoch gestaltet sie die Rolle der Brünnhilde nicht mit Kraft sondern mit Gesangslinie und Wohlklang. Eine sehr jugendliche Brünnhilde, ihre Hojotoho-Rufe zeigen kindlichem Humor mit einem Steckenpferd in der Hand. Die acht Walküren kommen aus dem hauseigenen Ensemble und überzeugen auch als harmonisch aufeinander eingestellte Walküren-Kampfgruppe.
Der musikalische Vater des Erfolges ist Marcus Bosch. Seine Einstudierung verfolgt zum einen die klare Ausziselierung der Leitmotive, die monumentale Wucht Wagners spielt er herunter. Problematisch manchmal das verhaltene Tempo, Sieglindes Monolog muß Ekaterina Godovanets fast buchstabieren, um über die Zeit zu kommen. Problematisch manche Sänger-Orchester-Abstimmung, es kommt Endzeitstimmung auf – passend zur Regie.
Fazit
Wieder einmal zeigt das Regietheater sein zweischneidiges Gesicht: Mit einem Reigen poppiger Regie-Einfälle erstickt der erste Akt in banaler Brutalität – viel Blut und herumspritzendem Dosenbier – werden die menschlichen Nöte der Wälsungen zugedeckt. Dafür überzeugt der zweite Akt als Ehekrieg zwischen Wotan und Fricka, der mit Sekt und Whiskey konterkariert wird. Musikalisch wird Marcus Busch für seine verhaltene und wenig leidenschaftliche Interpretation gefeiert und für die Klangtransparenz der Musik; ebenso wie alle Solisten. Buh-Rufe erntet hingegen das Regie-Team.
Oliver Hohlbach
Bild: Ludwig Olah
Das Bild zeigt: Kampf der Wälsungen