FRÄULEIN JULIE – Hof, Theater

von Antonio Bibalo (*1922), Kammeroper in drei Akten nach dem gleichnamigen Schauspiel von August Strindberg, in deutscher Sprache; UA: 1975, Dortmund, zweite Fassung mit reduziertem Orchester: 1984, Berlin

Regie: Uwe Drechsel, Bühne/Kostüme: Beata Kornatowska

Dirigent: Roland Vieweg, Hofer Symphoniker

Solisten: Mathias Frey (Jean), Johanna Brault (Julie), Inga Lisa Lehr (Kristin)

Besuchte Aufführung: 27. April 2014 (Premiere)

Hof FräuleinKurzinhalt

Mittsommernacht auf einem schwedischen Adelssitz: Julie, die Tochter des abwesenden Grafen, spielt unstandesgemäß mit dem Diener Jean, was seine Verlobte Kristin und die übrige Gesellschaft sehr verwundert. Nachdem sie sich von ihm verführen läßt, lösen sich die Rollenvorgaben „Reich gegen Arm“ und „Frau gegen Mann“, der Kampf um die Dominanz beginnt. Die gemeinsame Flucht scheitert, Gewalt eskaliert, der verzweifelten und willenlosen Julie bleibt am Schluß nur die Flucht in den Selbstmord.

Aufführung

Ein sehr einfaches Bühnenbild ist auf der Studio-Bühne aufgebaut: Vorne links befindet sich das kleine Orchester, dann folgen einige Wandteile, die auch eine Tür für die Auftritte enthalten. Ein Tisch und eine Wasserschale stehen mitten im Raum. Auf die Wand werden als Schattenspiele die Geschehnisse hinter der Bühne projiziert. Julie trägt ein Reitkostüm, Jean ein Dienerkostüm bestehend aus weißem Hemd, dunkler Hose und gestreifter Weste, Kristin ist eine zeitlose Köchin. Die Mitsommernachtsfeier wird durch ein Kinderballett lebendig.

Sänger-Orchester

Johanna Brault ist eine Spezialistin für zeitgenössisches Musiktheater, kann mit ihrer Stimme der Rolle der Julie in dieser Kammeroper Charakterzüge verleihen. Bestechend wie sie mit gesanglichen Stilmitteln, den zahlreichen Farb-Facetten ihrer Stimme der Verzweiflung, den Abgründen einer gequälten Seele Gestalt verleiht und damit auch dem Schauspiel Strindbergs sehr nahe kommt. Gut entwickelt hat sich Mathias Frey, der am Haus der zweite Tenor für kleinere Rollen ist. Als leichter, lyrischer Tenor hat er sicherlich eine Zukunft. Inga Lisa Lehr ist am Haus die liebenswerte jugendlich naive Operettensoubrette und gibt der Kristin den Jungmädchen-Charme einer charakterlosen verlassenen Liebhaberin. Die graue Eminenz des Abends ist Roland Vieweg, der nicht nur das Streicher-Quintett, ein Klavier und drei Solisten sicher durch die schwierigen Welten der Dissonanzen, teilweise ausschweifenden Melodik und Zwölftontechnik, führt, sondern auch die Stimmen und Orchester zu einer ausgewogenen Einheit formt. Darüber hinaus gelingt es ihm auch, eines der Meisterwerke Strindbergs musikalisch zu einem Hörspiel zu formen, das genauso wie das Schauspiel den Zuhörer zu einem Parforceritt durch die seelischen Abgründe des Kampfes „Liebhaber gegen Geliebter“ mitreißt und nach 90 Minuten quasi erschlagen zurückläßt.

Fazit

Eine etwas blaß wirkende Regie zeigt auf der Bühne keine überzogene Hektik oder Regieeinfälle. Sie schafft aber den Raum, in dem Sänger und Orchester gemeinsam die Welt Strindbergs zum Leben erwecken, das Publikum auf eine wilde extreme Gefühlsreise mitreißen. Zum Schluß extremer Jubel in dem kleinen Studio, das die Protagonisten belohnt.

Es ist aber bezeichnend für die Wirkung solcher zeitgenössischer Kammeropern, daß sich auch das Theater Hof nicht traut, eine solche Produktion, wie sonst üblich, auf die Reise zu seinen Gastspielorten zu schicken.

Oliver Hohlbach

Bild: Harald Dietz, SFF Fotodesign, Hof

Das Bild zeigt: Johanna Brault (Julie), Mathias Frey (Jean)

Veröffentlicht unter Hof, Städtebundtheater, Opern