Die Jahreszeiten
von Joseph Haydn (1732-1809), Oratorium in zwei Akten, Libretto: Gottfried van Swieten nach James Thomasons The Seasons, UA: 24. April 1801 Wien, Schwarzenberg-Palais
Dirigent: Jürgen Budday, Cappella Istropolitana, Kantorei Maulbronn
Solisten: Simone Stock (Sopran), Marcus Ullmann (Tenor), Stephan Loges (Baß)
Besuchte Aufführung: 18. Mai 2014
Das Kloster Maulbronn, seit 1993 Weltkulturerbe, ist seit langem ein Reiseziel für Touristen und Ausflügler aus aller Welt. Nicht zuletzt durch Hermann Hesses Roman Narziß und Goldmund weckte die mittelalterliche Klosteranlage das Interesse der breiten Öffentlichkeit. Auch Johannes Kepler, Friedrich Hölderlin oder der Haydn und Beethoven-Biograph Georg August Griesinger drückten seinerzeit in Maulbronn die Schulbank. Besonders stolz ist man in Maulbronn auf die neue Grenzing-Orgel, die 2013 eingeweiht wurde und zu 60% vom Land Baden-Württemberg, zu 40% von der Maulbronner Seminar-Stiftung finanziert wurde.
Am 17. Mai feierten die seit 1968 stattfindenden Klosterfestspiele, die regelmäßig Klassikfreunde aus dem näheren und weiteren Umfeld anziehen, mit Joseph Haydns Die Jahreszeiten ihren diesjährigen Auftakt. Eine einstündige Werkeinführung von Dr. Wolfgang Budday faßte die Entstehungsgeschichte der Jahreszeiten, deren Inhalt und viele Informationen über Haydns kompositorische Arbeit anschaulich zusammen. Auch an Klangbeispielen fehlte es nicht. Als Ambiente diente hierfür die idyllische Winterkirche, ursprünglich der beheizbare Winterspeisesaal der Zisterzienser. Betrat man vor Vorstellungsbeginn die Klosterkirche, so zeigten sich die alten hölzernen Sitzbänke allesamt mit brennenden Wachskerzen flankiert, was die Atmosphäre und die Spannung auf das bevorstehende Konzert steigerte. Bis zum letzten Platz drängte sich das Publikum in das romanische Kirchenschiff, teils sogar direkt hinter den massiven Steinpilastern sitzend, ohne einen Blick auf die Musiker erhaschen zu können.
Aufführung
Unter der Leitung von Kirchenmusikdirektor Jürgen Budday musizierte das Ensemble Cappella Istropolitana gemeinsam mit der Kantorei Maulbronn. Beeindruckend war die Leistung des Chores, der neben einem Weihnachtskonzert jährlich mit einem großen Projekt die Festivaleröffnung bestreitet. Mit einheitlicher Dynamik und rhythmischer Sicherheit beeindruckte die Kantorei u. a. in den großen Schlußfugen. Das unterbewußte Schunkeln und Schwanken im Chor Juhhe, Juhhe! Der Wein ist da unterstrich dabei plastisch Haydns Intention einer berauschenden Chorfuge. Stephan Loges überzeugte mit klarer Deklamation, einem runden Timbre und einem durchweg rustikalen Ausdruck in der Partie des Bauern Simon. Leider verlor er jedoch bei exponiert tiefen Baßtönen meist stark an Substanz und Klangfarbe. Marcus Ullmann beeindruckte mit einer etwas nasalen, obertonreichen Tenorstimme. Er gab einen leicht melancholischen Lukas, gepaart mit einem souverän ruhigen Charisma. Enttäuschend war dagegen die junge Sopranistin Simone Stock, die spontan für die erkrankte Heidi Elisabeth Meier einsprang. Alles begann mit einem wundervoll intonierten messa di voce in ihrem ersten Rezitativ Seht wie vom Süden her, das abrupt in seiner Entfaltung abbrach. Ihr Timbre neigt zur Verspieltheit des Soubrettenfachs, was sie in ihren Arien mit lyrischer Empfindsamkeit unter Beweis stellte. Textverständlichkeit und Deklamation im Rezitativ waren dagegen äußerst blaß, ihr Vibrato für die empfindlich nachhallende Kirchenakustik viel zu unruhig. Leider kamen in der Akustik des Kirchenschiffs auch die Haydenschen Klangfarben des Orchesters nicht in voller Blüte zur Geltung. Allerdings erwies sich Jürgen Budday als genauer Kenner der Maulbronner Klosterkirche. Seine Tempi waren nie zu rasch, schon gar nicht in heiklen Chorpassagen. Auch größere Zäsuren und Generalpausen waren genauestens mit dem Nachhall im Einklang.
Fazit
Neben einigen Kammer-, Orgel- und Klavierkonzerten schließt die Festspielsaison im September mit Mozarts c-Moll-Messe. Die Zuhörer mag es außerdem gefreut haben, daß während der Pause von der Klostergastronomie in der Abendsonne des Innenhofs Getränke und ofenfrische (wirklich leckere!) Pizza angeboten wurden – ein Besuch lohnt sich also in allen Fällen!
Daniel Rilling
Bild: Kloster Maulbronn, Wikipedia