Karlsruhe, Badisches Staatstheater – RADAMISTO

Von Georg Friedrich Händel (1685-1759), Opera seria in drei Akten, Libretto: Nicola Francesco Haym, UA: 2. April 1720, King’s Theatre London
Regie und Choreografie: Sigrid T’Hooft, Bühne: Christian Floeren, Kostüme: Stephan Dietrich
Dirigent: Peter van Heyghen, Deutsche Händel-Solisten, Ballett: Corpo Barocco, Gent
Solisten: Mika Kares (Farasmane), Tamara Gura (Radamisto), Delphine Galou (Zenobia), Patrick Henckens (Tiridate), Kirsten Blaise (Polissena), Berit Barfred Jensen (Fraarte), Ina Schlingensiepen (Tigrane)
Besuchte Aufführung: 20. Februar 2009 (Premiere)

Kurzinhalt
karlsruhe-radamisto.jpgDie Handlung spielt um das Jahr 53 v. Chr. Tiridate (König von Armenien) hat Farasmane (König von Thrakien) den Krieg erklärt. Seine Gattin Polissena (Tochter Farasmanes) erfährt, daß ihr Gatte sich in Zenobia verliebt hat und vor allem aus diesem Grund den kriegerischen Angriff auf sich nimmt. Farasmane gerät in Tiridates Gefangenschaft, während sich Zenobia und Radamisto (Farasmanes Sohn) weiterhin in einer ausweglosen Lage befinden. Während Tiridate Farasmane verschont, wird die Stadt erobert, Zenobia und Radamisto konnten vorher fliehen. Die Gefahr durch Tiridate droht weiter, so daß Zenobia fürchtet, doch noch in Gefangenschaft zu geraten. Eher will sie aber sterben. Sie erbittet von Radamisto den Tod. Doch dieser verwundet sie nur leicht. So stürzt sie sich in den Fluß, während Radamisto gefangengenommen wird. Dieser erfährt erst später, daß seine Geliebte noch lebt. Tiridates Bruder Fraarte und sein Verbündeter Tigrane werden den Liebeleien des Königs überdrüssig und planen einen Putsch, um ihn zur Vernunft zu bringen. Währenddessen verspricht Polissena jenen zu retten, der in größerer Gefahr sei. Kurz vor Tiriadates erzwungener Hochzeit mit Zenobia wird dieser von den Soldaten überrascht und kehrt reuevoll zu seiner Gattin Polissena zurück.
Aufführung
Bühne und Orchestergraben sind vor Beginn hinter einem Vorhang verborgen. Bei der Kulisse handelt es sich um eine sogenannte barocke Perspektivbühne, was sicher vielen bislang wohl nur von zeitgenössischen Abbildungen bekannt ist. Auf der Bühne leuchten ausschließlich Kerzen, verstärkt von unsichtbaren Spiegeln und sechs Kronleuchtern. Erstaunlich rasche Verwandlung auf der Perspektivbühne: innerhalb weniger Sekunden wird der Innenraum eines Palastes in einen Schloßgarten verwandelt. Die Sänger tragen Kostümen der Händelzeit: Reifröcke, gefiederte Häupter, lange Schleppen, die beim Schleifen nicht zu überhörende Geräusche erzeugen. Da die Akteure großenteils auf ihrer Stelle verharren, ist dies nicht störend. Doch wie bewegen sich die Darsteller in ihren barocken Gesten? Es sind nur Armbewegungen, kleine Handbewegungen oder langsames Schreiten. Beim Abgehen folgt oft ein Blick zurück ins Publikum, ein kurzes Innehalten, manchmal auch ein Knicks. Die Form der zur Händelzeit üblichen Da-Capo-Arie spiegelt sich auch auf der Bühne wieder: Gesungen wird entweder erst rechts, dann links oder auch umgekehrt, dann folgt die Wiederholung der Arie (da capo) mittig an der Rampe. Durch eine barocke Wassermaschine wird die Strömung des Flusses nachgeahmt: Dabei bewegen sich zwei bemalte Wellenleisten gegeneinander. Jeder Akt folgt wird durch ein Ballett abgeschlossen. Diese Tänze (Menuett, Gavotte u.a.) waren zur Händelzeit nichts Besonderes. Heute werden sie aus angeblich dramatischen Gründen („sie halten den Handlungsablauf auf) meist weggestrichen.
Sänger und Orchester
In Tempo und Dynamik waren Peter van Heyghens Deutsche Händel-Solisten eher verhalten und zurückhaltend, was zu den gemessenen Gängen der handelnden Personen auf der Bühne paßte. Musiziert wurde technisch makellos, sowohl auf der Bühne als auch im Graben. Beispielsweise meisterten die Solostimmen alle heiklen Colla-Parte-Abschnitte (parallele Stimmführung von Instrumenten und Sänger) ohne Unsicherheiten. Auch die Sänger fügten sich erstaunlich gut in die Welt des Barock ein. Mit einem Minimum an Vibrato beim Singen und einer überwältigenden technischen Perfektion jeder Koloratur fiel es schwer, einem der Ensemblemitglieder bei dieser Aufführung den Vorzug zu geben. Dieses optische Sichtbarmachen der Musik wohnt der Theaterpraxis des Barock bereits inne, was man bei zeitgenössischen Inszenierungen leider meist vermißt. Oder sind die heutigen Regisseure überfordert mit dem Wissen um barocke szenische Darstellungsformen? Die immer wieder folgenden Seite-Seite-Mitte-Positionen bei den Arien wurden innerhalb kurzer Zeit für den Zuschauer zu einer Selbstverständlichkeit. Auftritte der Sänger links vom Publikum (rechts vom Bühenzentrum) galten zur damaligen Zeit als wichtiger als den von der rechten Seite. Insbesondere bei folgender Hier sitzt Delphine Galou (Zenobia) singend auf einem Stein zentral an der Rampe Quando mai, spietata sorte, finirà l’alma a penar? – Wann endlich, gnadenloses Schicksal, wird meine Seele ihr Leiden beendet finden? Kann es einem Regisseur leichter fallen, dem heutigen Publikum in Opern der Händelzeit durch die Stellung der Sängerin deren wichtige Information besser vor Augen zu führen?
Fazit
Eine Aufführung der besonderen Art ist die bereits für alle Vorstellungen ausverkaufte Händeloper Radamisto in jedem Fall. Gerade deshalb, weil die Regisseurin aufgrund ihrer originalgetreuen Rekonstruktion versucht, musikalische Elemente auf der Bühne darzustellen. Es handelt sich auf jeden Fall um einen sehenswerten Abend.

Daniel Rilling

Bild: Jacqueline Krause-Burberg
Das Bild zeigt Kirsten Blaise als Polissena

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