von Carl Giuseppe Verdi (1813-1901), Dramma lirico in quattro atti, Libretto: Arrigo Boito, nach der Tragödie Othello (1604) von William Shakespeare, UA: 5. Februar 1887 Mailand, Teatro alla Scala
Regie: Eike Ecker nach einer Inszenierung von Johannes Schaaf Bühne: Lennart Mörk, Kostüme: Christof Cremer, Licht: Nicol Hungsberg
Dirigent: Will Humburg, Gürzenich-Orchester Köln und Chor und Extra-Chor, Mädchenchor am Kölner Dom (Einstudierung Oliver Sperling), Choreinstudierung: Andrew Ollivant
Solisten: José Cura (Otello), Samuel Youn (Jago), Xavier Moreno (Cassio), Lucas Vanzelli (Rodrigo), Mischa Schelomianski (Ludovico), Lucas Singer (Montàno), Luke Stoker (ein Herold), Anne Schwanewilms (Desdemona), Adriana Bastidas Gamboa (Emilia)
Besucht Aufführung: 18. Mai 2014 (Premiere, Übernahme einer Produktion der Königlichen Oper, Stockholm)
Otello, Befehlshaber der venezianischen Flotte und Gouverneur von Zypern, liebt Desdemona, die Tochter eines Senators, und heiratete sie. Die türkische Flotte hat er vernichtend geschlagen und kehrt er nach Zypern zurück. Jago, sein Fähnrich, haßt ihn, da Otello Cassio und nicht ihn zum Hauptmann befördert hatte. Die sich zum Empfang von Otello im Hafen eingefundenen Menschen feiern den Sieg über die Türken. Mit Rodrigo, einen venezianischen Edelmann, der sich in Desdemona verliebt hatte, verteilt Jago Alkohol unter die Anwesenden und schafft es, einen Streit aller gegen alle zu machen. Der große Tumult ruft Otello auf den Plan, der, da er Cassio als Rädelsführer ausmacht, diesen auf der Stelle degradiert. Jago rät Cassio, Desdemona um Aufhebung der Degradierung zu bitten. Es gelingt dann Jago leicht, Otello auf Cassio eifersüchtig zu machen. Otello gerät so in Wut, daß er Desdemona in ihrem Schlafzimmer erwürgt. Die herbeieilende Elvira, Vertraute Desdemonas erklärt Otello, daß Jago diese Intrige angezettelt habe. Daraufhin läßt er ihn verhaften und ersticht sich.
Aufführung
Eine riesige Kanone ragt mit ihrer Mündung zum Publikum. Sie steht auf einer Plattform im Hafen von Zypern. Über eine lange Reling kommt Otello herunter in die Arme Desdemonas. Wuchtige, runde Säulen geben den Rahmen für Garten, für ein Empfangszimmer von Otello und schließlich für das Schlafzimmer. Die Soldaten sind in Uniformen wohl aus der Zeit des Risorgimento um 1860 gekleidet. Die Offiziere haben zu den braunen Uniformen lederbesetzte Schulter- und Armverzierungen. Otello trägt einmal die Offiziersuniform, dann ein weißes oder rostbraunes Hemd mit bunter Bauchschärpe und brauner Hose mit hohen Schaftstiefeln. Desdemona erscheint zu Anfang in großer festlicher Robe: weißer Bluse mit Seidenkleid und ausgestellten breiten Revers sowie breitkrempigem, flachem Hut, später in einem rosafarbenen Morgenmantel. Jagos Offiziersuniform ist in schwarzer Farbe gehalten.
Sänger und Orchester
Nach der sehr leise und intensiv vorgetragenen Einleitung der vier Violoncelli beginnt José Cura (Otello), geradezu versunken in Erinnerung an ihre erste Begegnung sein Zwiegesang mit Desdemona Gia nella notte denso s’estingue ogni clamor – schon in der Dunkelheit der Nacht verliert sich nun der Lärm und sie antwortet: Mio superbo guerrier! – Mein stolzer Krieger! Wie viele Qualen, wie viele traurige Seufzer und wie viele Hoffnungen haben uns zu diesen zarten Umarmungen geführt! Anne Schwanewilms‘ (Desdemona) leuchtender Sopran antwortet mit ebensoviel Inbrunst. Schon bei diesem ersten Auftritt war ihre Stimmführung, ihr Legato, ihre messa di voce, ihre anstrengungslosen Spitzentöne vollkommen. Der langsame Verlauf ihrer Kantilene übertrug die große Ruhe auf die gespannt lauschenden Zuhörer. José Cura war ihr ein ebenbürtiger Partner mit seiner energiegeladenen, sehr kontrollierten, hinschmelzenden Tenorstimme, die genaue Akzente setzte. Beider Gesang gipfelte im sogenannten Kußmotiv, das später wieder in der Todesszene am Opernende erklingt: Er: un bacio – ein Kuß. Sie: Otello …Er: un bacio…. Will Humbug dirigierte mit Umsicht das Gürzenich-Orchester, vermittelte die richtige Italianità und überdeckte nie den Gesang.
Im Duett mit Cassio lief Samuel Youn (Jago), besonders in seinem Credo, in dem er seine ganze Bosheit gekonnt darstellte, zu großer Form auf. Xavier Moreno (Cassio) schlug sich mit seiner weichen Tenorstimme wacker. Auch die übrigen Rollen waren adäquat besetzt. Die Ensembles, hier z.B. das Quartett Otello/Desdemona/Emilia/Jago war harmonisch ausgeglichen und stimmte im Ablauf gut zusammen. Zu Opernbeginn ließ die Energie und Dynamik des Chors aufhorchen, und auch im weiteren Verlauf demonstrierten alle Auftritte eine gute Abstimmung mit dem Orchester.
Die hinterhältige Verschlagenheit Jagos zeigt sich bei dem von Otello „belauschten“ Gespräch zwischen Cassio und Jago, wobei sich beide über Cassios Begegnung mit einer Lebedame lachend austauschen. Der entfernt stehende Otello bekommt nur Bruchstücke der Unterhaltung mit und meint, sie sprächen über ein Begegnung Cassios mit Desdemona. Diesen Höhepunkt der Heimtücke hat Eike Ecker sehr dicht gestaltet: Cura rennt, geduckt von rechts nach links, am Orchestergraben vorbei und beobachtet die beiden „Diskutanten“. Eindrucksvoll!
Sängerischer Gipfel wurde zweifellos das Lied von der Weide: Salce! Salce! Cantiamo! – Weide! Weide! Laßt uns singen! Die Trauerweide soll mein Kranz sein. Die Intensität der Kantilene, die Bewegtheit ihrer nie forcierten Spitzentöne mit der Anne Schwanewilms diese Gleichnisarie einer verlorenen Liebe dem Publikum darbot, war kaum überbietbar.
Fazit
Ein großer Abend.
Dr. Olaf Zenner
Bild: Paul Leclaire/Oper Köln
Das Bild zeigt: Anne Schwanewilms (Desdemona) und José Cura (Otello)