von Richard Strauss (1864-1949), Oper in drei Akten, Text von Hugo von Hofmannsthal, UA: 10. Oktober 1919 Wien, Staatsoper
Regie: Michael Schulz, Bühne: Dirk Becker, Kostüme: Renee Listerdal
Dirigent: Patrik Ringborg, Staatsorchester Kassel, Opernchor, Damen des Extrachores, CANTAMUS-Kinderchor, Choreinstudierung: Marco Zeiser Celesti und Maria Radzikhovskiy.
Solisten: Elena Nebera (Kaiserin), Ray M. Wade Jr. (Kaiser), Ulrike Schneider (Amme), Marc-Olivier Oetterli (Geisterbote), Stephanie Friede (Baraks Weib, die Färberin), Espen Fegran (Barak, der Färber), Anna Nesyba (Hüter der Schwelle,) Lin Lin Fan (Stimme des Falken), Johannes An (Stimme eines Jünglings), u.a..
Besuchte Aufführung: 24. Mai 2014 (Premiere)
Die Kaiserin der südöstlichen Inseln stammt aus dem Feenreich. Noch gehört sie nicht ganz zu den Menschen, denn sie wirft keinen Schatten und kann keine Kinder empfangen. Ihrem Gatten droht darum die Verwandlung zu Stein. Ihre Amme, die sich zum Ziel gesetzt hat, sie wieder zurück in das Feenreich zu bringen, macht sich mit ihr auf in die Menschenwelt, zu dem Färber Barak und seiner jungen Frau. Auch sie haben keine Kinder, allerdings deshalb, weil die Färberin keine will. Die Amme versucht, der Färberin ihren Schatten und damit ihre Fruchtbarkeit abzukaufen, doch die Kaiserin schreckt davor zurück, ihr Glück mit dem Leid anderer zu erkaufen und erlöst durch ihren Verzicht ihren Mann und das Färberehepaar.
Aufführung
Michael Schulz verlegt die Handlung in die Entstehungszeit nach 1918, in die Zeit des Untergangs der Monarchie in Deutschland und Österreich. Sie spielt in einem großen verglasten Wintergarten aus Gußeisen im ausgehenden Jugendstil. Drei sich öffnende Türen an den Seiten und hinten bieten Zugangsmöglichkeiten, ein großer Balkon, quer über die ganze Bühne, läßt den Blick von oben zu. Der Kaiser in Prunk-Uniform und die Kaiserin im weißen Kleid könnten tatsächlich Kaiser und Kaiserin sein. Der Geisterbote könnte der Kanzler im schwarzen Anzug sein, die Amme trägt zeitgemäße Diensttracht. Barak und seine Färberin sind Rüstungsarbeiter, Baraks kriegsversehrte Brüder und das Volk stecken in Uniformen des Ersten Weltkriegs.
Sänger und Orchester
Patrik Ringborg führt das Staatsorchester stringent durch die mystischen Abgründe der Partitur – als Klangkörper von großer Harmonie im Zusammenspiel und mit vielen packend zelebrierten Strauss‘schen Klangbildern: Er sieht diese Oper als eine musikalische Zauberoper. Zauber können auch die Solisten einsetzen: Ray M. Wade Jr. ist vielleicht eher ein lyrischer Tenor als ein Heldentenor, gestaltet den Kaiser eher nachdenklich und zurückhaltend als Zweifler, kann aber in dramatischen Momenten mit großer Durchschlagskraft aufwarten: Eine Idealbesetzung in der heutigen Zeit der Tristesse der Heldentenöre. Eine Idealbesetzung ist Elena Nebera weniger. Zwar hat sie keine Probleme mit den lyrischen strahlenden Höhen der Kaiserin, aber im dramatischen Bereich ist die Stimme zu schrill, tremoliert zu heftig. Das fällt besonders im direkten Vergleich mit der Amme Ulrike Schneider auf, die ein riesiges Ausdrucks- und Gestaltungsvermögen an den Tag legt, wie z.B. in Ein Tag bricht an! Ebenfalls über ein großes Gestaltungsvermögen verfügt Espen Fegran als Barak, beispielhaft ist der hysterische Ausdruck in Mein Aug ist verdunkelt! Stephanie Friede als Färberin paßt stimmlich zu ihrem Gatten, kann die hysterisch keifenden Momente stimmlich entsprechend gestalten, die Stimme klingt dabei unangestrengt. Marc-Olivier Oetterli ist als Geisterbote der Strippenzieher im Hintergrund, der auch sich stimmlich zurückhält, um dann manchmal kurz mit Macht einzugreifen. Beindruckend auch, wie gut die Nebenrollen und die Chöre – besonders der Kinderchor CANTAMUS – besetzt sind. Dies wird hörbar in den Passagen der hohen Bässe der Stimmen der Wächter und die Einsätze der „hohen Stimmen“ der ungeborenen Kinder, die als hungernde Kinder der Nachkriegszeit in dieser Produktion unvergeßlich bleiben.
Fazit
Die Oper Die Frau ohne Schatten war gedacht als Märchenoper in der Tradition der Zauberflöte, erwies sich aber als viel komplexer und unverständlicher. Die hier gewählte szenische Umsetzung in der Entstehungszeit geht zwar szenisch nicht wirklich auf, der versteinerte Kaiser, der hinter einem Stapel Uniformen und Fotos Gefallener versinkt, ist nur als Apotheose verständlich. Aber der Untergang der Donaumonarchie erspart schwierige, szenische Lösungen wie der hereinbrechende Fluß, ein Gasangriff ersetzt die sich öffnende Höhle. Vor allem die musikalisch sehr engagierte Umsetzung wird vom Publikum mit lang anhaltendem, oft heftigem Applaus goutiert.
Oliver Hohlbach
Bild: Nils Klinger
Das Bild zeigt: Vida Mikneviciute (Die Kaiserin) sowie Mitglieder des Opernchores und des CANTAMUS Chores